Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2629 05.12.2013 (Ausgegeben am 06.12.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Klärschlammentsorgung bzw. -verwertung in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8061 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Welchen Anteil hatten die verschiedenen Entsorgungswege bei der Klär- schlammentsorgung in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2011 und 2012? Der in den Jahren 2011 und 2012 angefallene Klärschlamm aus öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen in Sachsen-Anhalt wurde den Entsorgungswegen in folgenden Anteilen zugeführt (Quelle: Entwurf Abfallbilanz 2012 für das Land Sachsen-Anhalt, Angaben in Prozent, Angaben für 2012 vorläufig): 2011 2012 Landwirtschaft (direkt) 30,3 34,8 Kompostierung 26,1 31,2 Sonstige stoffliche Verwertung 14,3 4,6 Thermische Entsorgung 22,0 24,1 Abgabe an andere Abwasserbehandlungsanlagen 3,0 2,1 Zwischenlager 4,4 3,2 2. Wurde in den Jahren 2011 und 2012 Klärschlamm aus anderen Bundesländern bzw. aus dem Ausland nach Sachsen-Anhalt eingeführt? Wenn ja, bitte Menge, Entsorgungsweg und Herkunft angeben. Ja. Nach den bis zum Jahr 2011 vorliegenden Daten zur Klärschlammentsorgung vom Statistischen Landesamt wurde aus anderen Bundesländern Klärschlamm in Anlagen in Sachsen-Anhalt in folgenden Mengen entsorgt (Jahr 2011, Angaben in Mg Frischmasse): 2 Kompostierungsanlagen 216.007 Abfallverbrennungsanlagen 7.490 Feuerungsanlagen 100.755 Sonstige Anlagen 1.280 Angaben zu Herkunftsbundesländern liegen nicht vor. Aus dem Ausland wurden 46,4 Mg (Frischmasse) Klärschlamm nach Sachsen-Anhalt verbracht, die ausschließlich thermisch entsorgt wurden. Zur landwirtschaftlichen Verwertung wurde Klärschlamm aus folgenden Bundesländern eingeführt (Quelle: Klärschlammkataster, Angaben in Mg Trockenmasse ): 2011 2012 Baden-Württemberg 305 398 Bayern 3637 1780 Brandenburg 596 942 Bremen 671 493 Hessen 563 294 Niedersachsen 6000 5759 Nordrhein-Westfalen 2563 1257 Saarland 54 Sachsen 2587 4826 Schleswig-Holstein 2052 13 Thüringen 3673 3060 Aus dem Ausland wurde kein Klärschlamm zur Aufbringung auf landwirtschaftlich genutzte Flächen eingeführt. 3. In welche Landkreise bzw. Gemeinden wurde der importierte Klärschlamm verbracht? Importierter Klärschlamm wurde in Anlagen oder auf landwirtschaftliche Flächen der Landkreise Altmarkkreis Salzwedel, Anhalt Bitterfeld, Bördekreis, Burgenlandkreis , Harz, Jerichower Land, Mansfeld-Südharz, Saalekreis, Salzlandkreis, Stendal, Wittenberg und der Stadt Magdeburg verbracht. 4. Welche Vorgaben für die landwirtschaftliche Verwertung gilt für den Klärschlamm in Sachsen Anhalt? Klärschlamm, der der landwirtschaftlichen Verwertung zugeführt wird, unterliegt sowohl abfallrechtlichen als auch düngemittelrechtlichen Vorschriften des Bundes . Einerseits basiert die Verwertung auf den in der Klärschlammverordnung (AbfKlärV) festgelegten umfangreichen Einzelbestimmungen hinsichtlich Höchstmengen, Grenzwerten für Schwermetalle und organische Schadstoffe sowie Ausbringungsverboten bzw. –einschränkungen. Gleichermaßen sind die Vorgaben der Düngemittelverordnung (DüMV) als auch der Düngeverordnung (DüV) zu beachten. 3 5. Wie wurde kontrolliert, dass die geltenden Vorschriften für die Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft eingehalten werden? Die zuständigen Behörden überprüfen anhand des eingereichten Lieferscheines Teil 1, Boden- und Klärschlammanalysen, Nährstoffbedarfsrechnungen und Lagepläne, ob die Verwertung von Klärschlamm auf der/den angegebenen Fläche(n) zulässig ist. Mit Hilfe des Klärschlammkatasters wird weiterhin geprüft , ob die zulässigen maximalen Ausbringungsmengen von Klärschlamm auf den landwirtschaftlichen Flächen eingehalten werden. Nach der Einreichung des Lieferscheines Teil 2 (also nach Abschluss der Aufbringung) werden die in diesem Dokument enthaltenen Angaben über die tatsächlich aufgebrachten mit den jeweils zulässigen Mengen abgeglichen. Nach Abschluss der Überprüfungen werden die Daten aus dem Lieferschein Teil 1 und 2 (Herkunft, Aufbringungsfläche, -menge, -zeitraum, Analysen, Fruchtart) im Klärschlammkataster erfasst. Um Grenzwertüberschreitungen zu vermeiden, werden durch die zuständigen Behörden in den Ausbringungszeiträumen sowie in Verbindung mit den Cross Compliance- oder Fachrechtskontrollen Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt. 6. Wurden bei Kontrollen Überschreitungen von Grenzwerten festgestellt? Bisher wurden in einem Landkreis Überschreitungen der düngerechtlich zulässigen Obergrenze festgestellt. Des Weiteren wurden Sanktionen wegen der Nichteinhaltung fruchtfolgespezifischer Anforderungen, der Nichtbeachtung von Abstandsregelungen in naturschutzrechtlichen Gebieten oder der Flächeninanspruchnahme sowie des Nichtmitführens von Lieferscheinen verhängt. In einigen Landkreisen und kreisfreien Städten wurde die Überschreitung von Grenzwerten durch die Mengenreduzierung bzw. durch die Erteilung eines Aufbringungsverbotes von Klärschlamm verhindert. 7. Gibt es - z. B. im Rahmen der Bodendauerbeobachtung - Anzeichen dafür, dass sich im Klärschlamm enthaltene Schadstoffe in landwirtschaftlich genutzten Böden anreichern? Der Landesregierung liegen dafür keine Anzeichen vor. 8. Hat das Land die rechtliche Möglichkeit, zusätzliche Vorgaben für die landwirtschaftliche Verwertung in Sachsen-Anhalt zu erwirken? Wenn ja, welche? Ja. Zu den rechtlichen Möglichkeiten gehören • die Einflussnahme über den Bundesrat auf die Bundesgesetzgebung, • Anordnungen der zuständigen Behörde im Einzelfall auf der Grundlage von § 62 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, • Vorgaben der zuständigen Behörde über zusätzliche Untersuchungspflich- ten für Boden und Klärschlamm auf Grundlage der Klärschlammverordnung . 4 Auf der Grundlage der beiden letztgenannten Punkte wurde in Sachsen-Anhalt festgelegt, dass Klärschlammerzeuger (oder von diesen beauftragte Dritte), die Klärschlamm abgeben wollen, welcher auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden aufgebracht werden soll oder der für andere bodenbezogene Nutzungen vorgesehen ist, verpflichtet sind, diesen vor der Abgabe auf perfluorierte Tenside (PFT) der ausgewählten Verbindungen von Perfluoroctansäure (PFOA) und Pefluoroctansulfonat (PFOS) untersuchen zu lassen. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Rechtsverordnung der Landesregierung auf der Grundlage von § 11 Absatz 4 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes entfällt, weil die Bundesregierung selbst Gebrauch von der Ermächtigung gemacht hat. 9. Aufgrund des Vorkommens von Schadstoffen und Krankheitserregern bewertet das Umweltbundesamt unter Vorsorgeaspekten die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm als Dünger kritisch und spricht sich für den sukzessiven Verzicht auf diese Art der Verwertung aus. Teilt die Landesregierung diese Auffassung? Die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung kann aus Sicht der Landesregierung gegenwärtig noch weiter akzeptiert werden, wenn insbesondere die Schadstoffregelungen verschärft und an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. Sie teilt die Auffassung des Umweltbundesamtes, wonach parallel zu dem zu erwartenden Rückgang der bodenbezogenen Klärschlammverwertung die erforderlichen Maßnahmen zur Nährstoffrückgewinnung ausgebaut werden müssen. 10. Das Umweltbundesamt sieht wegen der Möglichkeit zur Phosphorrückgewinnung die Verbrennung von Klärschlamm als Vorzugslösung an. Teilt die Landesregierung diese Auffassung? Ist die Errichtung von Monoverbrennungsanlagen in Sachsen-Anhalt geplant? Die Monoverbrennung von Klärschlamm kann als geeignetes Entsorgungsverfahren insbesondere für den Fall angesehen werden, dass eine Phosphorrückgewinnung aus der Klärschlammasche erfolgt. Alternativ können auch Entsorgungslösungen sinnvoll sein, die eine Klärschlammmitverbrennung einschließen . Grundsätzliche Voraussetzung dafür ist, dass eine Phosphorrückgewinnung bereits aus dem Abwasserstrom bzw. aus dem Klärschlamm erfolgt. Konkrete Pläne zur Errichtung von Monoverbrennungsanlagen in SachsenAnhalt sind der Landesregierung nicht bekannt. 11. Existieren in Sachsen-Anhalt Pläne, Monodeponien für Klärschlamm anzulegen ? Nein. 5 12. Welche Erkenntnisse gibt es zur Zersetzung der langkettigen synthe- tischen Polymere, die als Flockungsmittel bei der mechanischen Klärschlammentwässerung eingesetzt werden? Erkenntnisse aus eigenen Untersuchungen des Landes zur Zersetzung langkettiger synthetischer Polymere, die als Flockungshilfsmittel bei der Klärschlammentwässerung eingesetzt werden, liegen nicht vor. Nach Angaben aus der Literatur (z. B. DWA-Regelwerk) werden hochmolekulare Polymerketten nicht in das Grundwasser ausgewaschen und es sind aus der Verwendung von Klärschlamm , der mit organischen Flockungshilfsmitteln konditioniert wurde, keine nachteiligen Effekte für den Boden zu erwarten. 13. In welchem Ausmaß wird in Sachsen-Anhalt Klärschlamm energetisch genutzt , und welche Mengen an nutzbarer Energie werden dabei gewonnen? Bitte Anlagen, Mengen des verwendeten Klärschlamms, verwendete Technologien und Energieausbeute auflisten. In welchem Ausmaß können damit die Mengen verbleibender Reststoffe und deren Problematik für Umwelt und Gesundheit nach Einschätzung der Landesregierung reduziert werden? Nach vorläufigen Ergebnissen des statistischen Landesamtes wurden 2012 in acht Anlagen 245.269 Mg Klärschlamm (Frischmasse) energetisch genutzt: Anlagenart Anzahl Abfallverbrennungsanlagen 5 Feuerungsanlagen 3 In zwei Feuerungsanlagen wurden aus 146.755 Mg Klärschlamm (Frischmasse) 14.412 MWh Strom und 6.378 MWh Wärme erzeugt. Von den anderen sechs Anlagen liegen seitens der amtlichen Statistik keine Daten vor. Innerhalb von Kläranlagen wurden 2012 nach vorläufigen Ergebnissen 21.105 MWh Strom aus Klärgas erzeugt. Die energetische Verwertung von Abfällen kann prinzipiell dann vorteilhaft sein, wenn Primärbrennstoffe substituiert werden. Im Fall der Verbrennung von Klärschlamm hängt die Gesamtenergiebilanz von mehreren Faktoren ab, zum Beispiel von dessen Wassergehalt, vom Aufwand für die Entwässerung/Trocknung und vom Anlagenwirkungsgrad. In Abhängigkeit dieser Randbedingungen ist überwiegend nicht davon auszugehen, dass bei der Klärschlammverbrennung die Energieerzeugung im Vordergrund steht. Insofern sind nach Einschätzung der Landesregierung die möglichen Vorteile aus der Energienutzung begrenzt. 14. Welches Potenzial sieht die Landesregierung für die Gewinnung von Energie aus Klärschlamm, kombiniert mit der Rückgewinnung von Phosphaten ? Die Landesregierung geht von einer insgesamt steigenden energetischen Nutzung des Klärschlamms aus.