Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/267 28.07.2011 (Ausgegeben am 29.07.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hans-Jörg Krause (DIE LINKE) Standort- und Routenzuweisung beim Neonaziaufmarsch am 14. Mai 2011 in Salzwedel Kleine Anfrage - KA 6/7087 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 14. Mai 2011 stellten sich zahlreiche Menschen aus Salzwedel und Umgebung einem von den „Freien Nationalisten Altmark West“ angemeldeten Aufmarsch durch die Stadt mit friedlichen Protesten entgegen. Die ursprünglich angemeldete Demonstrationsstrecke der Neonazis bot ein erhebliches Gefährdungspotenzial für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. 150 als überaus gewalttätig bekannte Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer sollten vom Bahnhof quer durch die Stadt geführt werden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium des Innern 1. Welche Route wurde den Nazis im Vorhinein genehmigt? Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord hat nach § 12 Abs. 3 Landesversammlungsgesetz mit dem Veranstalter Einzelheiten der Durchführung der Versammlung , insbesondere Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit, im Vorhinein erörtert. Im Rahmen dieser Erörterung (Kooperationsgespräch) am 9. Mai 2011 hat der Veranstalter seine ursprünglich angemeldete Aufzugsroute geändert und folgende Auskunft über die Route seiner Veranstaltung gegeben: Kreuzung Vor dem Lüchower Tor/Karl-Marx-Straße - Ernst-Thälmann-Straße - Goethestraße - Schillerstraße - Vor dem Neuperver Tor - Neuperverstraße - Südbockhorn - Jahnstraße - Karl-Marx-Straße - Kreuzung Karl-Marx-Straße/Vor dem Lüchower Tor. 2 2. Warum wurde die Route geheim gehalten? Zur Verhütung von groben Störungen der in Rede stehenden Versammlung (Straftaten nach § 20 Landesversammlungsgesetz) sind nur die Behörden und Stellen über die Aufzugsroute (vgl. Antwort zu Frage 1) informiert worden, für die die Information zur Aufgabenerfüllung erforderlich war. 3. Warum schätzte die jeweilige Genehmigungsbehörde diese Demonstrati- onsstrecke als unbedenklich, aber Gegenkundgebungen der Partei DIE LINKE am Lyzeum, bzw. Informationsveranstaltungen „Am Wasserturm“ dagegen als „…geeignet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden “ ein? Da nach den Lageerkenntnissen der Polizei damit zu rechnen war, dass ansonsten friedliche Gegenkundgebungen in unmittelbarer Nähe der Aufzugsroute durch - insbesondere aus anderen Bundesländern anreisende - gewaltbereite Personen genutzt werden würden, um aus diesen Gegenkundgebungen heraus grobe Störungen im Sinne des § 20 Versammlungsgesetzes herbeizuführen, erschienen Gegenkundgebungen in unmittelbarer Nähe der geplanten Aufzugsroute grundsätzlich geeignet, die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung des in Rede stehenden Aufzuges unmittelbar zu gefährden. Daher wurde vom Landkreis Salzwedel verfügt, dass die Veranstaltung der Partei „DIE LINKE“ an dem ursprünglich angemeldeten Ort und nicht unmittelbar an der Aufzugsstrecke des Erstanmelders durchgeführt werden soll. Dem Veranstalter des Infostandes zum Thema „Vergangenheit und Erinnerung - Nationalsozialismus in Deutschland“ (geplanter Ort der Durchführung: Wasserturm) wurde aufgrund der Nähe zur Aufzugsroute empfohlen, einen anderen Veranstaltungsort zu wählen. Dieser Empfehlung kam er nach und wählte das Kirchengelände an der Gertraudenkirche als Veranstaltungsort. 4. Warum gab es für die Versammlung der Neonazis keine Einschränkungen, obwohl deren Aggressionspotential allgemein bekannt war? Vor der Durchführung der Versammlung waren keine Umstände dafür erkennbar, dass die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Daher war es der zuständigen Versammlungsbehörde nicht möglich, die Versammlung nach § 13 Abs. 1 Versammlungsgesetz zu beschränken oder zu verbieten. 5. Wer führte die Kooperationsgespräche mit den Anmeldern im Vorfeld der Demonstration und welche Behörde war schlussendlich verantwortlich für die gesamte Koordination? Das Landesverwaltungsamt hat nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr (ZustVO SOG) die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord für die (am 31. März 2011 von Kai Belau und Toni Bliesener) angemeldete Versammlung für den 14. Mai 2011 sowie Gegen - und Ersatzversammlungen bestimmt (Verfügung vom 19. April 2011). Daher wurden die Kooperationsgespräche zu diesen Versammlungen von Vertretern der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord bzw. von den für diese Polizeibehörde handelnden Polizeibeamten geführt. 3 Für die übrigen Versammlungen war der Altmarkkreis Salzwedel zuständige Versammlungsbehörde (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZustVO SOG). Die Fachaufsicht über die vorgenannten Versammlungsbehörden oblag dem Landesverwaltungsamt (vgl. § 82 Abs. 2 Nr. 1 und § 85 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt). 6. Wie war die Anreise der Rechten organisiert und wo war der ursprünglich angemeldete Startpunkt der Rechten? Die Versammlungsteilnehmer reisten hauptsächlich mit der Bahn an. Als Startpunkt des Aufzugs wurde in der Anmeldung vom 31. März 2011 der Kulturhausvorplatz angegeben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen . 7. Warum wurde den Neonazis auf einem für sie nicht genehmigten Platz eine Kundgebung gestattet, während die Erstanmelder für diesen Platz von der Polizei ignoriert worden sind? Nach den Angaben des Veranstalters im Kooperationsgespräch am 9. Mai 2011 war beabsichtigt, eine Auftakt- und eine Abschlusskundgebung auf der Kreuzung „Vor dem Lüchower Tor/Karl-Marx-Straße“ und eine Zwischenkundgebung am Rathausturmplatz durchzuführen. Aufgrund der Blockaden auf der beabsichtigten Aufzugsroute am 14. Mai 2011 hat die Polizei gegen 14.30 Uhr ein weiteres Kooperationsgespräch durchgeführt. Danach fand - in Abstimmung mit der Polizei - die Zwischenkundgebung in der Karl-Marx-Straße (Höhe Kreisverkehr) und die die Abschlusskundgebung in der Bahnhofsstraße statt. Im Übrigen ist hier nicht bekannt, welcher Sachverhalt der Frage zugrunde liegt. 8. Warum wurde für die Neonazis eine Route ausgewählt, die direkt an einer Kundgebung zur Jugendarbeit (Erstanmelder) vorbeiführte, während eine Gegenkundgebung demokratischer Kräfte in der Nähe der Nazi-Route im Vorfeld untersagt worden ist? Es lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Vorbeiführen des in Rede stehenden Aufzugs am Infostand zur Jugendarbeit nennenswerte Auswirkungen auf diese Veranstaltung hätte haben können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 9. Warum gab es keine Kooperation zwischen der Versammlungsbehörde (PD Nord) und dem Arbeitskreis für Demokratie und Weltoffenheit in Salzwedel? Für die Aufgabenerledigung der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord als Versammlungsbehörde war es nicht erforderlich, weitere Stellen zu beteiligen.