Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2752 04.02.2014 (Ausgegeben am 04.02.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Zur Situation der Abschiebungshaft in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8129 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen befanden sich zum Stichtag 1. Dezember 2011, zum Stichtag 1. Dezember 2012 sowie zum Stichtag 1. Dezember 2013 in Sachsen -Anhalt in Abschiebungshaft? Bitte auflisten nach Jahren, Geschlecht sowie Altersgruppen in folgender Gliederung: bis 16 Jahre, 16 bis 18 Jahre , 18 bis 59 Jahre, 60 Jahre und älter. Zu den jeweiligen Stichtagen befanden sich 2011 2, 2012 8 und 2013 5 Personen in Sachsen-Anhalt in Abschiebungshaft. Es handelte sich ausschließlich um Männer der Altersgruppe 19 bis 59 Jahre. 2. Wie viele Personen saßen in den Jahren 2011 bis 2013 a) länger als drei Monate, b) länger als sechs Monate, c) länger als zwölf Monate in einer Abschiebungshaftanstalt in Sachsen-Anhalt? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Geschlecht und Altersgruppen in folgender Gliederung: bis 16 Jahre, 16 bis 18 Jahre, 18 bis 59 Jahre, 60 Jahre und älter. In den Jahren 2011 bis 2013 befand sich jeweils eine Person länger als 3 Monate in einer Abschiebungshaftanstalt in Sachsen-Anhalt. Es handelte sich ausschließlich um Männer der Altersgruppe 19 bis 59 Jahre. 2 3. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2011 bis 2013 a) Vorbereitungshaft (§ 62 Absatz 2 AufenthG), b) Sicherungshaft (§ 62 Absatz 3 AufenthG), c) Zurückweisungshaft (§ 15 Absatz 5 AufenthG), d) Zurückschiebungshaft richterlich angeordnet? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Statistisch werden die Fälle der Vorbereitungs- und Sicherungshaft (§ 62 Absatz 2 und 3 AufenthG) nicht separat erfasst, sodass nur eine Gesamtzahl angegeben werden kann. Demnach handelte es sich im Jahr 2011 um 76 Fälle, im Jahr 2012 um 62 Fälle und im Jahr 2013 um 63 Fälle. Zurückweisungshaft (§ 15 Absatz 5 AufenthG) findet in Sachsen-Anhalt keine Anwendung , da keine unmittelbare Berührung zu Außengrenzen der Bundesrepublik Deutschland gegeben ist. Fälle der Zurückschiebungshaft werden erst seit dem Jahr 2013 statistisch erfasst. Demnach handelte es sich um 29 Fälle. 4. Wie vielen Abschiebungen ging in den Jahren 2011 bis 2013 die Verhän- gung von Abschiebungshaft voraus? Wie viele Abschiebungen erfolgten ohne vorherige Verhängung von Abschiebungshaft ? Bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln. Es wird auf die nachfolgende Übersicht verwiesen. Abschiebungen Jahr aus Abschiebungshaft ohne Abschiebungshaft 2011 62 170 2012 50 153 2013 51 274 5. In wie vielen Fällen befanden sich in den Jahren 2011 bis 2013 Schwange- re, Eltern mit minderjährigen Kindern, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderung bzw. Opfer schwerer physischer und psychischer Gewalt, insbesondere traumatisierte Personen, wie lange in einer Abschiebungshaftanstalt in Sachsen-Anhalt? Bitte nach Jahren aufschlüsseln . In den Jahren 2011 bis 2013 befanden sich in Sachsen-Anhalt keine Personen aus den in der Fragestellung genannten Gruppen in Abschiebungshaft. 3 6. Wie wird in Sachsen-Anhalt sichergestellt, dass vor jeder Anordnung von Abschiebungshaft geprüft wird, ob keine anderen ausreichenden, jedoch weniger einschneidenden Zwangsmaßnahmen angewandt werden können ? Die Beantragung von Abschiebungshaft kommt als ultima ratio nur dann in Betracht, wenn ein milderes Mittel nicht gegeben ist und die Durchführung der Aufenthaltsbeendigung ohne die Anordnung von Abschiebungshaft gefährdet ist. Da die Entscheidung über die Anordnung der Abschiebungshaft als freiheitsentziehende Maßnahme nach Artikel 104 Absatz 2 Grundgesetz in Verbindung mit § 62 Absatz 2 AufenthG dem Richter vorbehalten ist, ist eine eingehende Prüfung des Vorliegens der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft - insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - in jedem Einzelfall gewährleistet . 7. Inwieweit hält die Landesregierung eine gemeinsame Unterbringung von Abschiebungs- und Strafgefangenen für vereinbar mit Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG? Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 2008/115/EG (sogenannte Rückführungsrichtlinie) wurde durch den Bundesgesetzgeber in § 62a Absatz 1 Satz 1 und 2 AufenthG nach Überzeugung der Landesregierung richtlinienkonform dahingehend umgesetzt, dass die Abschiebungshaft in Ländern, die nicht über spezielle Abschiebungshafteinrichtungen verfügen, in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden kann. In diesem Fall sind die Abschiebungsgefangenen getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Da in Sachsen-Anhalt keine spezielle Abschiebungshafteinrichtung vorhanden ist, wird hier die Abschiebungshaft im Einklang mit diesen rechtlichen Vorgaben in Justizvollzugsanstalten vollzogen, wobei die Abschiebungshäftlinge dort räumlich getrennt von sonstigen Häftlingen untergebracht sind. 8. Durch welche konkreten Maßnahmen wird in Sachsen-Anhalt die strikte Trennung von Abschiebungs- und Strafgefangenen bei Unterbringung innerhalb derselben Einrichtung gemäß Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG sichergestellt? Die Abschiebungshaft wird in Amtshilfe für das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt in Justizvollzugsanstalten vollzogen. Männliche Abschiebungsgefangene werden in der JVA Volkstedt in einem gesonderten Hafthaus getrennt von Strafgefangenen untergebracht. Weibliche Abschiebungsgefangene werden im Bereich des geschlossenen Vollzuges für Frauen in der JVA Halle untergebracht. Sie sind dort einzeln und während der Ruhezeit getrennt von weiblichen Strafgefangenen untergebracht. Um der Isolation der wenigen weiblichen Abschiebungsgefangenen entgegenzuwirken, können sie mit ihrem Einverständnis an gemeinschaftlichen Veranstaltungen mit weiblichen Strafgefangenen teilnehmen. 4 9. Inwieweit wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass bis zu einer klärenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Abschiebungsgefangene , die in gewöhnlichen Haftanstalten untergebracht sind, einstweilen freigelassen werden, wie es der mit den Freiheitsrechten der Betroffenen argumentierende Beschluss des Landgerichts München II vom 16. Oktober 2013 (6 T 4334/13) verlangt hat, weil die Inhaftierung der Betroffenen nach Ansicht des BGH wahrscheinlich gegen EU-Recht verstößt ? Wie in der Antwort zu Frage 7 näher ausgeführt, geht die Landesregierung davon aus, dass der Vollzug der Abschiebungshaft in Sachsen-Anhalt dem EU-Recht entspricht . Daher besteht zu dem in der Frage beschriebenen Vorgehen zurzeit keine Veranlassung.