Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/276 03.08.2011 (Ausgegeben am 08.08.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Guido Henke (DIE LINKE) Geplantes Mietrechtsänderungsgesetz des Bundes Kleine Anfrage - KA 6/7065 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Bundesregierung plant zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebestand und zur Erreichung von Klimaschutzzielen eine Novellierung des Mietrechts. Die Novelle ist umstritten. Während Verbraucherschützer und der Deutsche Mieterbund steigende Mieten befürchten und den Entwurf wegen Verletzung der Ausgewogenheit des Mietrechts ablehnen, ist der Novellierungsvorschlag in der Immobilienwirtschaft überwiegend auf Zustimmung gestoßen. Die Länder sind über den Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung: Vorab wird darauf hingewiesen, dass der Referentenentwurf des oben angeführten Mietrechtsänderungsgesetzes (MietRÄndG) mit Stand 12. Mai 2011 sich gegenwärtig noch in der Abstimmung der zuständigen Bundesressorts befindet. Er liegt den Ländern deshalb noch nicht vor. Dies vorausgeschickt, werden die Fragen aus fachlicher Sicht wie folgt beantwortet: 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass zur Umsetzung der klima- politischen Zielstellungen eine Änderung des geltenden Mietrechts notwendig ist und wie begründet sie ihre diesbezügliche Position? Durch Änderung des Mietrechts sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Hürden im Mietrecht für eine energetische Sanierung zum gemeinsamen Vorteil von Mietern und Eigentümern gesenkt und die bestehenden Möglichkeiten 2 der gewerblichen Wärmelieferung (Energiecontracting) im Mietwohnungsbereich erweitert werden. Auch nach der Koalitionsvereinbarung zur sechsten Legislaturperiode kann das Umsteuern in der Energieversorgung nur gelingen, wenn die energetischen Potenziale im Gebäudebestand gehoben werden. Zur Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele der Landesregierung, die im Klimaschutzprogramm des Landes fixiert sind, ist es notwendig, die Emissionsminderungspotenziale des Gebäudebestands zu erschließen. Dazu gehören Investitionen in die Gebäudesanierung, in effiziente Heizungsanlagen und dezentrale Energieversorgung. Wenn mit den vorgesehenen Änderungen des Mietrechts diese Klimaschutzziele sozialverträglich erreicht werden können, wird dies auch von der Landesregierung unterstützt. 2. Sieht die Landesregierung die derzeit geltenden Mietrechtsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch als Hemmnis für energetische Modernisierungen an? Leitet sie daraus Handlungsbedarf zur Änderung des Mietrechts ab und wie begründet sie ihre Auffassung? Die Gesetzgebungszuständigkeit für das Mietrecht liegt nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes beim Bund. Ob die von der Bundesregierung derzeit angestellten Überlegungen geeignet sind, durch Änderungen im Mietrecht energetische Modernisierungen zu unterstützen und ob dabei Vermieter- und Mieterinteressen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können, kann erst beurteilt werden, wenn der zwischen den Bundesressorts abgestimmte Regierungsentwurf für ein Mietrechtsänderungsgesetz vorliegt. 3. Wie bewertet die Landesregierung die einzelnen Änderungstatbestände, insbesondere die Erweiterung des Modernisierungsbegriffs, der künftig auch Maßnahmen umfassen soll, die zu keiner der Betriebskostensenkung führen? Da noch kein abgestimmter Gesetzentwurf auf Bundesebene vorliegt, kann auch nicht zu einzelnen - möglicherweise - vorgesehenen Änderungstatbeständen Stellung genommen werden. 4. Inwieweit hält die Landesregierung diese Änderungen für geeignet, Investitionsanreize für energetische Modernisierungen zu schaffen und/oder sieht sie diesbezüglich anderweitigen Handlungsbedarf, beispielsweise durch zielgerichtete öffentliche Förderprogramme? Grundsätzlich begrüßt die Landesregierung das Vorhaben der Bundesregierung, steuerliche Anreize zur energetischen Sanierung an Wohngebäuden zu setzen. Sie weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass sich die Koalitionspartner auf Landesebene darin einig sind, dass die Haushaltskonsolidierung Priorität hat. Die Landesregierung unterstützt daher keine Steuersenkung des Bundes, die den Ausgleich des Landeshaushaltes erschwert. 3 Die Koalitionspartner sprechen sich weiterhin dafür aus, dass das Umsteuern in der Energieversorgung nur gelingen kann, wenn die energetischen Potentiale im Gebäudebestand behoben werden. Nach der Koalitionsvereinbarung wird die Koalition prüfen, ob durch ein entsprechendes Anreizprogramm in diesem Bereich wirksame Beiträge zur Klimapolitik geleistet werden können. Soweit der Bund nunmehr Anreize zur Erleichterung der energetischen Sanierung setzt, kommt dies dem Land entgegen. 5. Welche klimapolitischen Zielsetzungen verfolgt die Landesregierung bei Gebäudesanierungen? Wie hoch schätzt die Landesregierung den gesamten Investitionsumfang ein, um diese Klimaziele für Gebäude zu erreichen? Bitte differenziert nach Wohngebäuden, öffentlichen Gebäuden und Nichtwohngebäuden im Land angeben. Die klimapolitischen Zielsetzungen der Landesregierung sind im „Energiekonzept der Landesregierung von Sachsen-Anhalt für den Zeitraum zwischen 2007 und 2020“ und im „Klimaschutzprogramm des Landes Sachsen-Anhalt bis 2020“ dargelegt . Hier wird auf die Aussagen im Klimaschutzkonzept Punkt 8.4.4 verwiesen. Des Weiteren werden auch in Sachsen-Anhalt die klimapolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung im Rahmen der bestehenden Gesetze umgesetzt. Zu einer Einschätzung des gesamten Investitionsumfangs können aus fachlicher Sicht keine Angaben gemacht werden. Die Landesregierung hat sich die Aufgabe gestellt, die Ziele der Bundesregierung beim Klimaschutz bis 2020 wie: • eine CO 2 –Emissionsminderung in Höhe von 40 % zum Basisjahr 1990 zu erreichen, • Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 20 % am Energieverbrauch, • Senkung des Energieverbrauchs um 20 % des voraussichtlichen Niveaus von 2020 durch Verbesserung der Energieeffizienz umzusetzen. Baufachliche Maßnahmen zur Verbesserung des Klimaschutzes werden durch die Staatshochbauverwaltung selbstständig ergriffen. Bei Landesbau- und Bundesbaumaßnahmen kommen die energierelevanten gesetzlichen Regelungen wie die Energieeinspar-Verordnung (EnEV 2009 ff) und das ErneuerbareEnergien -Wärmegesetz (EEWärmeG) zur Anwendung. Darüber hinaus existiert seit dem HH-Jahr 1993 im Einzelplan 20 ein Titel (714) für „Maßnahmen zur Energieeinsparung und Umweltentlastung“. Mit diesem „Energietitel“ wurden bis zum HH-Jahr 2010 Investitionen in Höhe von über 20 Millionen € in verschlissene technische Anlagen bzw. Maßnahmen zur Einführung eines zentralen Energiemanagement getätigt. Für die folgenden Haushaltsjahre ist geplant, diesen „Energietitel“ auf jährlich 3 Millionen € aufzustocken, um die energetische/bauphysikalische Sanierung für die landeseigenen Gebäude schneller voranzutreiben. 4 Einen Investitionsumfang zur Umsetzung der oben genannten klimapolitischen Ziele der Landesregierung für die energetische Sanierung der landeseigenen Gebäude im Zusammenhang mit der Umsetzung der EnEV 2009 ff bzw. des EEWärmeG zu prognostizieren, ist nicht möglich. 6. Sind der Landesregierung Berechnungsmodelle oder vergleichbare Prognosen bekannt, in welcher Höhe mit Mieterhöhungen nach energetischer Sanierung im Durchschnitt zu rechnen ist? In welcher Höhe könnten danach bei diesen Mieterhöhungen Einsparungen bei den Betriebskosten gegenüber stehen? Es liegen noch keine allgemeingültigen Berechnungsmodelle vor, mit deren Hilfe die durchschnittlichen Mieterhöhungen nach energetischer Sanierung berechnet werden könnten. Verschiedene Studien haben sich bisher mit dieser Thematik beschäftigt. Im Ergebnis ist immer der Einzelfall entscheidend, da das Alter und der Zustand des jeweiligen Gebäudes und damit der Sanierungsumfang letztendlich ausschlaggebend für die Mieterhöhung sind. 7. Welche Position vertritt die Landesregierung zur Forderung von Mietvereinen und Mieterbund, die die Modernisierungsumlage an die Betriebskostenersparnis gekoppelt wissen bzw. die Erhöhung auf den Betrag begrenzen möchten, der sich durch die Maßnahme konkret einsparen lässt (Stichwort : Warmmietenneutralität)? Werden die Mieten warmmietenneutral erhöht, bleibt für die Mieter die Warmmiete (Nettokaltmiete plus Energiekosten) im Jahr der Maßnahme im Vergleich zur Situation vor Durchführung der Maßnahme konstant. Die warmmietenneutrale Mieterhöhung entspricht somit genau der Energiekostenersparnis im Jahr der Maßnahme bei heutigen Energiepreisen. In der Realität wird eine solche Forderung mit den Aspekten des Klimaschutzes in Konflikt geraten können, weil im Einzelfall der Sanierungsaufwand und die jeweils dadurch erzielte Einsparung für die Neuberechnung der Miete ausschlaggebend ist. Hier gilt es, bundesrechtlich eine ausgewogene Balance zu erreichen (s. o. zu Pkt. 4). 8. Inwieweit bzw. in welcher Größenordnung hält die Landesregierung höhere Mieten, beispielsweise im Zuge der energetischen Sanierung und folgender Modernisierungsumlage in Sachsen-Anhalt, für sozial verträglich und wie begründet sie ihre Auffassung? Insgesamt ist darauf zu achten, dass Mietrechtsänderungen sozial ausgewogen gestaltet werden. 5 9. Wie soll aus Sicht der Landesregierung sichergestellt werden, das Hartz IVEmpfängerinnen - und Empfänger nach energetischer Sanierung in ihrer Wohnung verbleiben können und die Kommunen im Rahmen der zu erstattenden Kosten für die Unterkunft und Heizung finanziell entlastet statt belastet werden? Für Leistungsberechtigte nach dem SGB II werden nach § 22 Abs. 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt , soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einer vom Vermieter veranlassten energetischen Sanierung die Kosten der Unterkunft, bleiben jedoch unterhalb der örtlich bestimmten Angemessenheitsgrenze , so werden die neuen Kosten der Unterkunft durch den kommunalen Träger übernommen, da die bzw. der Betroffene die Modernisierung regelmäßig nach § 554 Abs. 2 BGB zu dulden bzw. den höheren Mietzins nach § 559 Abs. 1 BGB hinzunehmen hat. Ist zwar eine Überschreitung der angemessenen Kosten für die Unterkunft festzustellen , ist diese jedoch gering, so kann der kommunale Träger von seiner Einzelfallkompetenz Gebrauch machen und die höheren Aufwendungen dauerhaft übernehmen. Dies wird insbesondere bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II in Betracht kommen, wenn die andernfalls notwendigen Umzugskosten in unwirtschaftlichem Verhältnis zum unangemessenen Teil der Aufwendungen für die Unterkunft stehen. Ein weiterer Spielraum für den kommunalen Träger ergibt sich aus der durch die energetische Sanierung zu erwartenden Senkung der Heizkosten. Zwar sind nach der bisherigen Rechtsprechung bei der Prüfung der Angemessenheit die Kosten der Unterkunft und die Heizkosten jeweils getrennt voneinander zu betrachten . Nach der seit 1. April 2011 geltenden Neuregelung des § 22b Abs. 1 Satz 3 SGB II kann jedoch in einer Satzung künftig als Obergrenze auf eine Bruttowarmmiete abgestellt werden. Mit dieser Flexibilisierung der kommunalen Handlungsmöglichkeiten sollen auch Anreize für die energetische Sanierung geschaffen werden. Der Erlass von Satzungen nach §§ 22a - 22c SGB II ist in Sachsen-Anhalt derzeit zwar noch nicht möglich. Die Landesregierung ist jedoch der Rechtsansicht, dass aus Gründen der Gleichbehandlung das Bruttowarmmietenkonzept künftig nicht nur für die Festlegung der Angemessenheitsgrenzen in Satzungen, sondern auch in den bislang praktizierten Richtlinien zulässig ist. Ergibt sich im Ergebnis der energetischen Sanierung hingegen eine deutlich über der Angemessenheitsgrenze liegende Kaltmiete, die auch durch die Einsparung bei den Heizkosten nicht ausreichend kompensiert werden kann, und sind andere Einsparmöglichkeiten nicht vorhanden bzw. bereits ausgeschöpft, so wird der kommunale Träger letztlich die Senkung der Kosten der Unterkunft verlangen, wodurch der Umzug der Bedarfsgemeinschaft notwendig wird. Notwendige Wohnungsbeschaffungs - und Umzugskosten wird der kommunale Träger nach § 22 Abs. 6 SGB II bei vorheriger Zusicherung übernehmen. 6 10. Welche eigenen bzw. mit anderen Bundesländern abgestimmten Positionen hat die Landesregierung bisher im eingangs erwähnten Gesetzgebungsverfahren eingebracht bzw. welche wird sie einbringen und wie werden diese begründet? Da sich der Referentenentwurf in der Abstimmung der zuständigen Bundesressorts befindet, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussage zu Frage 10 getroffen werden.