Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2783 12.02.2014 (Ausgegeben am 13.02.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Ermittlungs- und Strafverfahren gegen einen Neonazi aus Sachsen-Anhalt durch österreichische Sicherheitsbehörden Kleine Anfrage - KA 6/8164 Vorbemerkung des Fragestellenden: Seit Oktober 2013 muss sich eine Gruppe Neonazis vor dem Landgericht Wels in Österreich u. a. wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verantworten. Der Gruppe, die dem Neonazi-Netzwerk rund um den „Freizeit- und Kulturverein Objekt 21“ entstammt, wird darüber hinaus die Bildung einer kriminellen Bande, Körperverletzung , Brandstiftung, Erpressung, Drogenhandel und Förderung der Prostitution vorgeworfen. Außerdem ist in der Anklage von illegalem Waffenbesitz die Rede. Die Waffenfunde - neben Maschinenpistolen und Faustfeuerwaffen wurden auch zehn Kilo Sprengstoff gefunden - und die Verbindungen nach Deutschland könnten auf ein verzweigtes Netzwerk mit rechtsterroristischem Charakter hindeuten. Neben österreichischen Staatsbürgern wird auch gegen deutsche Neonazis ermittelt. Drei Bundesbürger sind zwischenzeitlich in diesem Zusammenhang verhaftet worden. Unter den Festgenommenen befindet sich Philip T. aus Sachsen-Anhalt, der auch als neonazistischer Liedermacher „Reichstrunkenbold“ bekannt ist. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Rolle des Philip T. im Rahmen des „Objekt 21“ bzw. im Zusammenhang mit Straftaten in Österreich? Welche Erkenntnisse über Philip T. liegen der Landesregierung generell vor und stehen deutsche Sicherheitsbehörden deshalb im Kontakt mit den österreichischen Behörden? 2 Wenn ja, welche Behörden stehen seit wann miteinander in Kontakt? Die Rolle des Philipp T. im Rahmen des „Objekt 21“ wurde im Gerichtsverfahren vor dem Landgericht in Wels, Österreich, erörtert. Dort ist er, nach vorliegenden Informationen, wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung angeklagt . Der Landesregierung ist Philip T. als langjähriger Angehöriger der rechtsextremistischen Szene bekannt. Seit Mai 2013 stehen das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt und das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Zusammenhang mit den Ermittlungen in Österreich in Kontakt. Weiterhin liegen der Landesregierung Informationen vor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seit März 2012 mit dem BVT und das Bundeskriminalamt (BKA) seit August 2012 mit österreichischen Sicherheitsbehörden in Kontakt stehen. 2. Ist der Neonazi Philip T. bereits in der Bundesrepublik Deutschland bzw. im speziellen in Sachsen-Anhalt strafrechtlich in Erscheinung getreten? Wenn ja, welche Straftaten wurden ihm wann vorgeworfen, und welchen Ausgang nahmen die jeweiligen Ermittlungen? Philip T. ist in der Bundesrepublik Deutschland und im speziellen in SachsenAnhalt mit Straftaten aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität - rechts - sowie aus dem Bereich der sogenannten Allgemeinkriminalität in Erscheinung getreten. In der Antwort auf den zweiten Teil der Frage finden sich Auskünfte aus dem Bundeszentralregister wieder, für deren Aufnahme in ein zur Veröffentlichung bestimmtes Parlamentsdokument keine gesetzliche Grundlage besteht. Weiterhin sind hier gegebenenfalls Persönlichkeitsrechte des Herrn T. betroffen. Die deshalb als „Verschlusssache - Vertraulich" eingestufte Antwort der Landesregierung auf den zweiten Teil der Frage wird in der Geheimschutzstelle des Landtages von Sachsen-Anhalt zur Einsichtnahme hinterlegt. 3. Inwieweit unterstützen Sicherheitsbehörden aus Sachsen-Anhalt die Strafverfolgungsbehörden in Österreich z. B. durch Bereitstellung von Informationen und Unterlagen? Der Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt übermittelt dem BfV im Rahmen der gesetzlichen Zusammenarbeitspflicht Informationen. Das BfV steht im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit im engen Informationsaustausch mit den Sicherheitsbehörden in Österreich. Weiterhin tauschen das LKA Sachsen -Anhalt und die österreichischen Sicherheitsbehörden im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften entsprechende Informationen aus. 4. Inwieweit liegen den Sicherheitsbehörden aus Sachsen-Anhalt zu dem verhafteten bundesdeutschen Neonazi Informationen aus Ermittlungsakten in Österreich vor? Den Sicherheitsbehörden aus Sachsen-Anhalt liegen einzelne Informationen aus den Ermittlungsakten in Österreich vor. 3 5. Beobachtet die Landesregierung bzw. eine Sicherheitsbehörde aus Sachsen -Anhalt den Prozess in Österreich und sind diese regelmäßig vor Ort vertreten? Ein Vertreter des LKA Sachsen-Anhalt beobachtete den Gerichtsprozess am Landgericht in der österreichischen Stadt Wels gegen Philip T. wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung. 6. Sind der Landesregierung weitere Personen bekannt, gegen die im Zu- sammenhang mit den Maßnahmen gegen das „Objekt 21“ ermittelt wird? Wenn ja, welche Straftaten werden diesen zur Last gelegt, wann wurden die Straftaten begangen, und woher stammen die Beschuldigten? Die österreichischen Behörden ermitteln im Rahmen des Strafverfahrens zum „Objekt 21“ gegen mehrere Personen. Informationen zu weiteren Personen außer Philip T., zu deren Straftaten sowie zu deren Herkunft liegen der Landesregierung nicht vor. 7. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Beziehungen sachsen- anhaltinischer Neonazigruppen und Personen der extremen Rechten zum „Objekt 21“ bzw. zu dem jetzt in Österreich angeklagten Philip T.? Das „Objekt 21“ ist als rechtes Szeneobjekt und als Veranstaltungsort von Konzerten der rechten Szene, auch unter Beteiligung deutscher Staatsangehöriger, bekannt. Der Landesregierung liegen Erkenntnisse über Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Philip T. vor. Die Beziehungen der in Österreich angeklagten Personen zum Objekt 21 bzw. nach Sachsen-Anhalt sind im Landgerichtsprozess im österreichischen Wels thematisiert worden. 8. Hat es im Vorfeld der Festnahmen einen Austausch deutscher und öster- reichischer Sicherheitsbehörden zu den grenzüberschreitenden Aktivitäten von Neonazigruppen aus beiden Ländern gegeben und gibt es einen generellen und regelmäßigen Austausch zum Thema extreme Rechte? Seitens des LKA Sachsen-Anhalt bestand schon im Vorfeld der Festnahmen ein Informationsaustausch mit den zuständigen Ermittlungsbehörden in Österreich . Einen generellen und regelmäßigen Kontakt zwischen Sicherheitsbehörden aus Sachsen-Anhalt und Österreich gibt es nicht. Zum Informationsaustausch auf Bundesebene wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag mit Titel „Ermittlungs - und Strafverfahren gegen bundesdeutsche Neonazis durch österreichische Sicherheitsbehörden“, Drucksache 18/103 verwiesen. 9. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über mögliche strafrecht- liche Konsequenzen bzw. Vorgehen von Sicherheitsbehörden in SachsenAnhalt gegen Philip T. als Liedermacher „Reichstrunkenbold“? Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien stufte im Jahr 2011 zwei veröffentlichte Tonträger des Liedermachers „Reichstrunkenbold“ als jugendgefährdend ein. Der Verdacht, dass es sich bei dem Liedermacher „Reichstrunkenbold “ um Philip T. handelt, bestand seit einiger Zeit. Das Landgericht im 4 österreichischen Wels stellte fest, dass Herr T. als Liedermacher „Reichstrunkenbold “ agierte. Die Texte der Lieder des Liedermachers „Reichstrunkenbold“ werden auf mögliche strafrechtliche Relevanz hin überprüft. 10. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass Mitglieder aus dem Umfeld der neonazistischen Gruppierungen „Honour & Pride“, „White Youth “, „Hammerskins“ oder „Blood & Honour“ Kontakte zum „Objekt 21“ in Österreich haben? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Mitglieder aus dem Umfeld der neonazistischen Gruppierungen „Honour & Pride“, „White Youth“, „Hammerskins“ oder „Blood & Honour“ Kontakte zum „Objekt 21“ in Österreich haben. 11. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zu Auftritten neonazisti- scher Musikgruppen und Einzelinterpreten aus Sachsen-Anhalt in Österreich in den Jahren 2007 bis 2013? Bitte unter Angabe des Namens der Band bzw. des Interpreten, Ort des Konzertes, Datum, Teilnehmerzahl und ggf. polizeiliche/ordnungspolitische Maßnahmen, ggf. Konzert bzw. Teilnehmer . Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse zu Auftritten neonazistischer Musikgruppen und Einzelinterpreten aus Sachsen-Anhalt in Österreich in den Jahren 2007 bis 2013 vor. 12. Inwieweit liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass Neonazis in Sachsen-Anhalt, die mit dem „Objekt 21“ oder österreichischen neonazistischen Personen oder Gruppierungen in Kontakt stehen, auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts in Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität verwickelt sind? Bitte unter Nennung der Straftat, Ort und Datum der Straftatbegehung. Der Landesregierung liegen dazu keine entsprechenden Informationen vor.