Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2833 25.02.2014 (Ausgegeben am 25.02.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stadtbahnprogramm in Halle (Saale) Kleine Anfrage - KA 6/8208 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Stadt Halle wird seit mehreren Jahren das sogenannte „Stadtbahnprogramm“ zur Ertüchtigung der städtischen ÖPNV- und Straßeninfrastruktur umgesetzt, welches von Bund und Land nach Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und Entflechtungsgesetz (EntflechtG) gefördert wird. Im November hat der Stadtrat über die Zustimmung zum Gestaltungsbeschluss für das ca. 1 km lange Teilprojekt Böllberger Weg Nord, 2. Bauabschnitt beraten. Dieses ist in einem Umsetzungsdetail besonders strittig, weil die von der Stadtverwaltung Halle vorgeschlagene Vorzugsvariante den Abriss der mehr als 120-jährigen denkmalgeschützten ehemaligen Weingärtenschule (und heute als „Künstlerhaus 188“ genutzten Immobilie) gleich zu Beginn der Strecke vorsieht. Nach der von der Stadtverwaltung Halle vorgebrachten Argumentation würden die Förderbedingungen für das Stadtbahnprogramm zwingend besondere Bahnkörper auf dem gesamten Abschnitt vorschreiben, welche zusammen mit den Mindestbreiten für Straßen und Nebenanlagen den an der Engstelle besagten Denkmals verfügbaren Platz überschreiten würden und einen Abriss unumgänglich machten. Zuletzt wurde daher in der Debatte in Halle stark hinterfragt, ob nicht zu Beginn der Ausbaustrecke für ca. 100 bis 150 m entweder auf den gesonderten Bahnkörper verzichtet werden oder diese Teilstrecke aus der Antragstellung komplett herausgelöst werden könne. Diese Fragestellung bezieht sich insbesondere auch auf den Punkt 2.10 der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von § 3 Abs. 1 des Entflechtungsgesetzes (VV-EntflechtG/Verkehr), wonach die geforderte Bevorrechtigung von Straßenbahnen „auch durch verkehrslenkende Maßnahmen gewährleistet werden“ könne. Die Stadtverwaltung Halle behauptete nun jedoch jüngst gegenüber dem Stadtrat, ohne dies bisher schriftlich belegt zu haben, dass das Land für den Fall einer solchen Verkürzung oder Abänderung der Strecke die Förderfähigkeit für den gesamten Projektabschnitt verneint hätte. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung: Die Kleine Anfrage fokussiert sich sowohl in ihrer Einleitung als auch in ihrer gezielten Fragestellung auf den beabsichtigten Abriss des Künstlerhauses in Halle und damit auf eine Teilmaßnahme eines Großvorhabens der Straßenbahninfrastruktur in der Stadt Halle. Der Abriss eines Baudenkmales bzw. der Bau der Straßenbahntrasse auf dem Böllberger Weg kann jedoch nicht losgelöst als Einzelmaßnahme, sondern nur im Zusammenhang mit der Gesamtmaßnahme „Stadtbahnprojekt Halle“ (Vorhaben des Bundesprogramms nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ) betrachtet werden. Die in der Vorbemerkung dargestellte kontroverse Diskussion zwischen Stadtverwaltung und Stadtrat bzw. einzelner Fraktionen innerhalb des Stadtrates sowie in der Presse ist dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr (MLV) grundsätzlich bekannt. Nach hiesiger Kenntnis hat der Stadtrat Ende November 2013 über die Realisierung der Vorzugsvariante bei der Teilmaßnahme „Böllberger Weg“ entschieden. Die Position des MLV wurde sowohl im Rahmen von Anfragen der lokalen Presse, von einzelnen Stadträten der Stadt Halle als auch von Bürgern dargelegt. Der Verweis auf Nr. 2.10 der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von § 3 Abs. 1 des Entflechtungsgesetzes (VV-EntflechtG/Verkehr) ist bei dem Vorhaben „Stadtbahnprojekt Halle“ nicht einschlägig. Diese Vorschrift findet Anwendung für Maßnahmen der Straßenbahninfrastruktur, die im Rahmen des Landesprogramms nach dem EntflechtG gefördert werden. Bei Vorhaben, für die eine Förderung des GVFG-Bundesprogramms in Anspruch genommen werden soll, gelten die Fördervoraussetzungen des Bundes. Diese ergeben sich aus § 6 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz). „ … können folgende Vorhaben durch Zuwendungen fördern: … 2. Bau oder Ausbau von Verkehrswegen der … a) Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen sowie Bahnen besonderer Bauart … … soweit sie dem öffentlichen Personennahverkehr dienen und auf besonderem Bahnkörper geführt werden.“ Die Forderung gilt für alle Vorhaben des GVFG-Bundesprogramms in allen Bundesländern und wird sehr streng ausgelegt. Für den Bund und die dieses Programm ausführenden Länder bestehen insoweit grundsätzlich keine Handlungsspielräume. 1. Seit wann stehen Land und Stadt bezüglich der konkreten Ausgestaltung des Teilprojekts Böllberger Weg Nord, 2. BA, in Kontakt? Zum „Stadtbahnprojekt Halle“ als Gesamtmaßnahme wurden seit 2009 Gespräche zwischen HAVAG, Stadt Halle sowie den Verkehrsministerien von Bund und Land geführt mit dem Ziel der Erarbeitung eines Rahmenantrages zur Aufnahme in das Bundesprogramm für die Vorhaben des öffentlichen Perso- 3 nennahverkehrs nach § 6 Abs. 1 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Eine Erörterung der Teilmaßnahme „Böllberger Weg“ erfolgte im Rahmen der Erarbeitung des Finanzierungsantrages zur Stufe 1, Phase 1, des „Stadtbahnprojektes Halle“ vom 13.02.2013. Die Teilmaßnahme wurde zur Förderung durch das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) über das MLV eingereicht. Die gesamte Antragstellung wurde durch einen Arbeitskreis begleitet, der sich aus Vertretern des MLV, der Stadt Halle, der Halleschen Verkehrs AG (HAVAG), dem beauftragten Projektbetreuer und zeitweise des BMVBS zusammensetzt . In diesem Arbeitskreis wurde der Abriss des Künstlerhauses von den Vertretern der Stadt Halle und der HAVAG als unproblematisch dargestellt. Es wurde auch auf erste Gespräche mit der unteren Denkmalschutzbehörde verwiesen. 2. Wie ist der Status dieser Kontakte zu definieren? Hat die Stadtverwaltung erste Voranfragen diskutiert oder wurde bereits ein Förderantrag mit einer konkret umzusetzenden Variante eingereicht? Falls ja, wann erfolgte dies? Wie bereits zu Frage 1 ausgeführt, hat ein Arbeitskreis die Antragstellung des Projektes begleitet. In diesem Arbeitskreis hat die Stadtverwaltung / HAVAG regelmäßig von der Befassung der Ausschüsse des Stadtrates (Planungs-, Finanz- und Hauptausschuss ) mit den verschiedenen Varianten berichtet. Die letztendliche Entscheidung zur Vorzugsvariante hat nicht das Land, sondern haben die HAVAG und die Stadt Halle als Vorhaben- bzw. Planungsträger getroffen. Die Antragsunterlagen werden mit dem jeweils aktuellen Planungsstand eingereicht . Die Teilmaßnahme „Böllberger Weg“ wurde mit dem Finanzierungsantrag vom 13.02.2013 zu Stufe 1, Phase 1, in der Vorzugsvariante beantragt, vorbehaltlich der Beschlussfassung im Stadtrat (Gestaltungsbeschluss) sowie des Planfeststellungsbeschlusses. Ein Vergleich der Varianten und Wahl der Linie wurde im Erläuterungsbericht mit entsprechender Übersicht dargestellt. 3. Welche Planungsvarianten wurden durch die Stadt Halle dem Land zu Prüfung der Förderfähigkeit vorgelegt? Wurde dabei insbesondere des angedachten Abrisses des Künstlerhauses 188 kommuniziert und die sich in der Fachdebatte des Stadtrates deutlich abzeichnende Unzufriedenheit mit diesem Vorschlag? Das MLV als Zuwendungsgeber entscheidet nicht über die Umsetzung der Planungsvarianten . Entscheidungen über die Planung, die bauliche Ausführung, die Trassenführung und die Variantenauswahl für das Gesamtvorhaben und auch für deren Einzelmaßnahmen trifft die Stadtverwaltung als Planfeststellungsbehörde im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. 4 Der bei der Vorzugsvariante der HAVAG / Stadt Halle notwendig werdende Abriss des Künstlerhauses 188 wurde in den Arbeitskreissitzungen kommuniziert, war aber zum Zeitpunkt der Einreichung des Finanzierungsantrages vom 13.02.2013 als spezielle Problematik noch nicht aktuell. Die Fachdebatte des Stadtrates wurde nach hiesiger Kenntnis erst im Herbst letzten Jahres geführt. 4. Welche Varianten wurden vom Land geprüft? Für welche Varianten wurde der Stadt Halle eine Genehmigungsfähigkeit in Aussicht gestellt? Siehe Antwort zu Frage 3. Zur zweiten Teilfrage erübrigt sich damit eine Beantwortung . 5. Laut Aussage der Stadtverwaltung Halle hat das Land die Förderfähigkeit von Alternativvarianten des Teilprojekts Böllberger Weg Nord, 2. BA, (d. h. Realisierung der Strecke ohne gesonderten Bahnkörper bzw. Herausnahme des kurzen Streckenabschnittes am Künstlerhaus 188 aus der Förderung) verneint. Ist diese Aussage zutreffend? Wenn ja, wie begründet die Landesregierung, dass für den betreffenden Abschnitt die Förderfähigkeit nicht auch durch verkehrslenkende Maßnahmen ermöglicht werden kann? Das Land hat bezüglich der Förderfähigkeit die Fördervoraussetzungen von Bund und Land erläutert und im Gesamtzusammenhang darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem Verzicht auf den besonderen Bahnkörper ggf. Fördermittel von Bund und Land verloren gehen könnten. Darüber hinaus wird die Gefahr gesehen, dass sich die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens bzw. der Stufe 1 bei Verlangen nach weiteren Ausnahmen verschlechtern und damit die Förderfähigkeit des Gesamtprojektes gefährdet werden könnten. Wie bereits ausgeführt, ist eine Förderung aus dem GVFG-Bundesprogramm nur mit der Ausbildung eines besonderen Bahnkörpers möglich. Die vorgegebenen Förderrichtlinien sind einzuhalten. Letztendlich haben BMVBS und MLV die von der HAVAG / Stadtverwaltung Halle beantragte Vorzugsvariante aufgrund der maßgeblichen Förderrichtlinie antragsgemäß entschieden. Zur letzten Teilfrage wird auf die Ausführungen zur Vorbemerkung verwiesen. 6. Wie beurteilt das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr die För- derfähigkeit einer möglichen Bauvariante bzw. Alternative ohne gesonderten Bahnkörper? Hält das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr es für möglich, ein Teilstück der Strecke aus dem Förderantrag auszunehmen , ohne die Förderfähigkeit des Gesamtprojektes infrage zu stellen ? Ergeben sich aus den Vorgaben des Bundes Hinweise darauf, dass für die Förderungen im Stadtbahnprogramm zwingend ein gesonderter Bahnkörper herzustellen ist? Wie bereits ausgeführt, ist eine Förderung aus dem GVFG-Bundesprogramm nur möglich, wenn der Gleisbau in Form eines besonderen Bahnkörpers erfolgt. 5 Eine Bauvariante / Alternative ist ohne Ausbildung eines besonderen Bahnkörpers nicht zuwendungsfähig. Eine Herauslösung der Teilmaßnahme „Böllberger Weg“ aus der Bundesförderung ist grundsätzlich möglich, die Herauslösung eines Teilstückes nur dann, wenn die übrige Maßnahme danach noch eine eigene Verkehrsbedeutung aufweist . Auf die möglichen Auswirkungen bezüglich der Wirtschaftlichkeit der Gesamtmaßnahme wurde bereits in der Beantwortung zu Frage 5 hingewiesen. Für eine Prüfung der Förderfähigkeit durch den Zuwendungsempfänger bedarf es einer konkreten Antragstellung zu einer anderen Variante. Wie bereits mehrfach ausgeführt, obliegt die Entscheidung über eine Herauslösung eines Teilstücks bzw. der Teilmaßnahme „Böllberger Weg“ der Stadtverwaltung / HAVAG .