Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/286 08.08.2011 Hinweis: Mit Schreiben des Ministeriums für Inneres und Sport vom 17.10.2011 wurde ein Nachtrag eingereicht. Der Nachtrag ist im Anschluss an die Antwort beigefügt. (Ausgegeben am 10.08.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hans-Jörg Krause (DIE LINKE) Einsatz der Polizei gegen demokratische Kräfte beim Neonaziaufmarsch am 14. Mai 2011 in Salzwedel Kleine Anfrage - KA 6/7104 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 14. Mai 2011 stellten sich zahlreiche Menschen aus Salzwedel und Umgebung einem von den „Freien Nationalisten Altmark West“ angemeldeten Aufmarsch durch die Stadt mit friedlichen Protesten entgegen. Dabei waren Betroffene und Augenzeugen geradezu schockiert über das aus ihrer Sicht unverhältnismäßig harte und nicht gerechtfertigte Vorgehen der Polizei gegen friedliche Gegendemonstrantinnen und -demonstranten. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium des Innern Vorbemerkung: Durch die Kleine Anfrage des Herrn Abgeordneten Hans-Jörg Krause wurden strafrechtlich relevante Sachverhalte bekannt, welche bis zur Anfrage nicht bekannt waren . Die Landesregierung ist entschlossen, alle strafrechtlich relevanten Sachverhalte in vollem Umfang aufzuklären, damit derartiges Handeln entsprechend strafrechtlich und ggf. disziplinarisch sanktioniert werden kann. Die erforderlichen umfangreichen Ermittlungen zu einigen Sachverhalten konnten bis zum Termin der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht abgeschlossen werden. Aus diesem Grund wird nach Abschluss der Ermittlungen voraussichtlich im September 2011 eine ergänzende Berichterstattung seitens der Landesregierung erfolgen. 2 1. Wie kam es dazu, dass ein 13-jähriger Junge eine schwere Beinverletzung durch einen Polizisten erlitt und hat die Polizei hierzu Ermittlungen eingeleitet ? Unmittelbar nach Kenntnis des strafrechtlich relevanten Sachverhaltes wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aufgrund der gegenwärtigen Ermittlungen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 2. Ist es nach den Dienstvorschriften zulässig, dass als Zwangsmittel bei Blo- ckaderäumung männliche Polizeibeamte weibliche Demonstrationsteilnehmerinnen im Bereich des Oberkörpers unsittlich berühren oder - wie bei einer weiteren jungen Frau - das Brustbein mit der Faust - bearbeiteten? Weder das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen -Anhalt (SOG LSA) noch entsprechende Dienstvorschriften enthalten Regelungen , wonach die Anwendung unmittelbaren Zwangs nur gegenüber Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen werden darf. Es ist aber darauf zu achten, dass die Menschenwürde und das Schamgefühl nicht absichtlich verletzt werden. Bei so genannten Blockaderäumungen kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass es zu unabsichtlichen Berührungen kommt, die sich unmittelbar aus der Situation (zum Beispiel Abwehr- oder Ausweichverhalten des/der Betroffenen) ergeben. 3. Liegen der Polizeiführung Erkenntnisse vor, demnach einzelne Beamte eine gehbehinderte Frau gestoßen und verbal hinsichtlich ihrer Behinderung beleidigt haben? Wenn ja, sind hierzu disziplinar- oder strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden? Bis zur Kleinen Anfrage KA 6/7104 war der Sachverhalt nicht bekannt. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 4. Wie kam es dazu, dass durch den gezielten Schlag einer Polizeibeamtin mit ihrem Helm in der Hand einem Demonstranten das Nasenbein gebrochen wurde? Unmittelbar nach Kenntnisnahme dieser Darstellung wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Ist es zulässig, dass Polizeibeamte pausenlos beim „Schieben" mit ihren Stöcken (Tonfas) auf ungeschützte Körperteile von Gegendemonstrantinnen und -demonstranten einstechen? Hinsichtlich der Wortwahl „einstechen“ wird darauf hingewiesen, dass die vor Ort eingesetzten Einsatzmehrzweckstöcke (EMS) der Polizei keine Spitzen haben. Die EMS werden als Räum- und Abdrängmittel eingesetzt. Darüber hinaus kann der Vorwurf des pausenlosen Einsatzes von EMS gegen Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten nicht nachvollzogen werden. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erfolgt unter den Voraussetzungen des SOG LSA unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 3 6. Wie kam es dazu, dass weit vor dem Demonstrationszug der Neonazis in der Karl-Marx-Straße zwei Polizeibeamte einen Gegendemonstranten an den Armen und Beinen haltend schaukelten, und „bei drei" gegen eine Mauer schleuderten? Erst durch die Kleine Anfrage KA 6/7104 wurde dieser Vorwurf zur Kenntnis genommen . Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Hinsichtlich der Ermittlungen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7. In welchen Situationen ist ein solches Vorgehen (Menschen gegen eine Mauer schleudern) gerechtfertigt? In keinen. Auf die Beantwortung der Frage 6 wird verwiesen. 8. Liegen zu diesem Sachverhalt polizeiliche Aussagen vor und wie sind die Vorkommnisse am 14. Mai 2011 in Salzwedel insgesamt dokumentiert worden ? Für den gesamten Einsatz wurde ein Einsatzprotokoll durch den Führungsstab gefertigt . Zu einzelnen Sachverhalten, bei denen ein Anfangsverdacht bestand, wurden Strafverfahren eingeleitet. Sofern rechtlich zulässig, wurden einige Störungen auch mittels Videotechnik dokumentiert. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 6 verwiesen. Landtag von Sachsen-Anhalt Nachtrag zu Drucksache 6/286 17.10.2011 (Ausgegeben am 18.10.2011) Nachtrag (zu Drucksache 6/286) Abgeordneter Hans-Jörg Krause (DIE LINKE) Einsatz der Polizei gegen demokratische Kräfte beim Neonaziaufmarsch am 14. Mai 2011 in Salzwedel Kleine Anfrage - KA 6/7104 Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung - Drs. 6/286 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 14. Mai 2011 stellten sich zahlreiche Menschen aus Salzwedel und Umgebung einem von den „Freien Nationalisten Altmark West“ angemeldeten Aufmarsch durch die Stadt mit friedlichen Protesten entgegen. Dabei waren Betroffene und Augenzeugen geradezu schockiert über das aus ihrer Sicht unverhältnismäßig harte und nicht gerechtfertigte Vorgehen der Polizei gegen friedliche Gegendemonstrantinnen und -demonstranten. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Vorbemerkung: In der Antwort der Landesregierung zu der o. g. Kleinen Anfrage wurde zu den Fragen 1, 3, 4 und 6 auf laufende Ermittlungen verwiesen und eine ergänzende Berichterstattung angekündigt. Aufgrund des derzeitigen Ermittlungsstandes kann die Antwort der Landesregierung zu den Fragen 1, 3, 4 und 6 wie folgt ergänzt werden: 1. Wie kam es dazu, dass ein 13-jähriger Junge eine schwere Beinverletzung durch einen Polizisten erlitt und hat die Polizei hierzu Ermittlungen eingeleitet ? 2 Unmittelbar nach Kenntnis des strafrechtlich relevanten Sachverhaltes wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde das Kind mit einem Erziehungsberechtigten mehrfach vorgeladen. Auch die Wohnanschrift wurde mehrfach aufgesucht und Termine mit der Mutter des Kindes vereinbart. Trotz der Bemühungen sind die Erziehungsberechtigten mit ihrem Kind nicht zu den Terminen bei der Polizei erschienen. Weitere Erkenntnisse zu diesem Vorfall konnten nicht erlangt werden. 3. Liegen der Polizeiführung Erkenntnisse vor, demnach einzelne Beamte eine gehbehinderte Frau gestoßen und verbal hinsichtlich ihrer Behinderung beleidigt haben? Wenn ja, sind hierzu disziplinar- oder strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden? Bis zur Kleinen Anfrage KA 6/7104 war der Sachverhalt nicht bekannt. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Durch die Sichtung des vorhandenen Beweissicherungs- und Dokumentationsmaterials wurde festgestellt, dass ein Polizeivollzugsbeamter eine augenscheinlich ältere Frau kräftig gestoßen hat. Die Frau kam durch den Stoß zu Fall. Das vorliegende Beweismaterial lässt jedoch weder eine Gehbehinderung der Frau noch eine verbale Beleidigung durch den Polizeivollzugsbeamten erkennen. Gegen den Polizeibeamten wird strafrechtlich ermittelt. In Abhängigkeit vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens werden sich ggf. weitere disziplinarrechtliche Entscheidungen anschließen. 4. Wie kam es dazu, dass durch den gezielten Schlag einer Polizeibeamtin mit ihrem Helm in der Hand einem Demonstranten das Nasenbein gebrochen wurde? Eine derartige Handlung durch eine Polizeibeamtin konnte nicht ermittelt werden . Durch die Sichtung des vorhandenen Beweissicherungs- und Dokumentationsmaterials wurde festgestellt, dass ein männlicher Polizeibeamter möglicherweise eine derartige Handlung begangen haben könnte. Diesbezüglich wird das Ermittlungsverfahren fortgesetzt. Eine geschädigte Person hat sich weder bei der Polizei gemeldet noch konnte diese bisher ermittelt werden. 6. Wie kam es dazu, dass weit vor dem Demonstrationszug der Neonazis in der Karl-Marx-Straße zwei Polizeibeamte einen Gegendemonstranten an den Armen und Beinen haltend schaukelten, und „bei drei“ gegen eine Mauer schleuderten? Im Rahmen der Ermittlungsverfahren konnten keine Hinweise gewonnen werden , dass sich ein derartiger Vorfall ereignet hat. Auch die Sichtung des Beweissicherungs - und Dokumentationsmaterials erbrachte keine weiteren Hinweise auf diesen Vorfall. Eine möglicherweise geschädigte Person hat sich weder bei der Polizei gemeldet noch konnte diese bisher ermittelt werden.