Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2938 21.03.2014 (Ausgegeben am 24.03.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Uwe Loos (DIE LINKE) Maßnahmen gegen Homophobie im Sport Kleine Anfrage - KA 6/8191 Vorbemerkung des Fragestellenden: Sport steht für Werte wie Toleranz, Respekt und Fairness. Er kann Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft, Kultur oder Glaubensrichtungen zusammenbringen und dem Abbau von Vorurteilen dienen. Gleichwohl ist Sport heute nicht frei von Ausgrenzungen und Diskriminierungen, wenn es um Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität geht. Da ein großer Teil der Gesellschaft Vorbehalte gegenüber dem Thema Homosexualität hat, wird es häufig entweder totgeschwiegen oder als Sensation behandelt. Das vor kurzem öffentlich gewordene Bekenntnis von Thomas Hitzlsperger (langjähriger Fußballprofi und ehemaliger deutscher Nationalspieler) zu seiner Homosexualität und die daraufhin geführte gesellschaftliche Debatte machen dies deutlich. Von einem offenen und selbstverständlichen Umgang ist man vielerorts noch weit entfernt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Da die Kleine Anfrage explizit auf den Sportbereich abgestellt ist, wurde der Landessportbund Sachsen-Anhalt e. V. (LSB) um Unterstützung gebeten. Er hat die gestellten Fragen, soweit es ihm möglich ist, beantwortet. Die Antworten des LSB sind im nachfolgenden Text gekennzeichnet. Seine Stellungnahme zu den Fragen 4 und 5 liegt noch nicht vor. Die vollständige Beantwortung dieser Teilfragen erfolgt im Rahmen der Antwort auf die Große Anfra- 2 ge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, LT-Drs. 6/2704 „Rassismus, Antisemitismus , Homophobie und Gewalt im (Fußball-)Sport in Sachsen-Anhalt“. 1. Wie schätzt die Landesregierung die vorhandenen Einstellungen bei Akti- ven und Funktionären in den Sportvereinen und -verbänden ein, wenn es um Fragen von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität geht? Wie begründet sie ihre Einschätzung? Die Landesregierung hält Statistiken über diskriminierende, ablehnende oder abwertende Äußerungen in Bezug auf Homo-, Bi-, Trans- oder Intersexualität nicht vor. Demzufolge kann sie zu dieser Frage keine Einschätzung abgeben. LSB: „Der organisierte Sport in Sachsen-Anhalt ist breit und generationenübergreifend aufgestellt. Mit aktuell über 336.000 Mitgliedern, die in 3.151 Vereinen Sport treiben, ist der LSB die größte Bürgervereinigung in Sachsen-Anhalt. Allein in der offiziellen Datenbank des LSB sind im Rahmen der Bestandserhebung mehr als 15.400 Ehrenamtliche im Bereich der Vereinsführung sowie über 10.200 tätige lizenzierte Übungsleiter/innen und Trainer/innen erfasst. Zu diesen über 25.600 vom LSB erfassten Ehrenamtlichen kommen weitere freiwillig Engagierte hinzu, wie z. B. Abteilungsleiter, Trainerassistenten, Schieds- und Kampfrichter, Spielbeobachter, Sportrichter sowie sonstige Betreuer und Helfer, die den Sport- und Wettkampfbetrieb sowie das Vereinsleben aufrecht erhalten. Inoffizielle Schätzungen gehen davon aus, dass sich im organisierten Sport in Sachsen-Anhalt zwischen 60.000 und 80.000 Personen regelmäßig engagieren . Somit bilden die Mitglieder des LSB sowie die aktiven Funktionäre und Ehrenamtlichen auch einen Querschnitt der Gesellschaft Sachsen-Anhalts ab. Es kann daher aus Sicht des LSB davon ausgegangen werden, dass alle in der Bevölkerung Sachsen-Anhalts vorhandenen Einstellungen auch unter den Mitgliedern des LSB vorhanden sind. Aufgrund der Vielzahl unserer Mitglieder und der hohen Zahl an ehrenamtlichen Funktionären im organisierten Sport ist es uns verständlicherweise - auch rechtlich - nicht möglich, persönliche Einstellungen zu diesem Thema zu erfassen oder zu bewerten.“ 2. Welche Beratungs- und Hilfsangebote gibt es für homo-, bi-, trans- und in- tersexuelle Sportler und Sportlerinnen in Sachsen-Anhalt, wenn sie von Diskriminierungen betroffen sind? Beratungs-, Informations- und Hilfsangebote zum Abbau von Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen werden von folgenden Trägern angeboten : - Caritasverband für das Bistum Magdeburg e. V., - Verein „Dornrosa e. V.“ Halle, - Lesben- und Schwulenverband, LV Sachsen-Anhalt e. V. (LSVD), - Beratungs- und Begegnungszentrum „lebensart e. V.“ Halle, - Dachverein Reichenstraße e. V. Quedlinburg. 3 Darüber hinausgehende Beratungsstellen können bei den vorgen. Stellen erfragt werden bzw. sind im SchwuLesbischen Quartalsblatt „homo sum“ und im monatlich herausgegebenen Newsletter des LSVD Sachsen-Anhalt verzeichnet. Der LSVD betreibt zudem das Schwule Überfalltelefon. Dessen Mitarbeiter beraten und begleiten Betroffene, dokumentieren den Vorfall und informieren ggf. die zuständigen Ermittlungsbehörden. Die Beratungsleistungen können auch von betroffenen Sportlerinnen und Sportlern in Anspruch genommen werden. Spezielle Beratungs- und Hilfsangebote ausschließlich für homo-, bi-, trans- und intersexuelle Sportlerinnen und Sportler sind nicht bekannt. LSB: „Das Projekt „Menschlichkeit und Toleranz im Sport“ (MuT) des LSB befasst sich mit allen Formen der Diskriminierung. Betroffene, aber auch Beobachter diskriminierender Vorkommnisse können sich an die Projektmitarbeiter wenden. Ziel des Projektes ist nicht „Opferberatung“, sondern gemeinsam mit dem betroffenen Verein bzw. den Sportlerinnen und Sportlern eine Lösung für ein aufgetretenes Problem zu finden und für das Thema insgesamt zu sensibilisieren. Vereine und ihre aktiven Funktionäre sollen in die Lage versetzt werden, selbst jeglichen Diskriminierungsformen entgegenwirken zu können.“ Das Projekt „MuT“ (gestartet im November 2011) wird seit dem Jahr 2012 wie folgt finanziert: 2012 Bund: 190.000 € Land: 20.000 € 2013 Bund: 150.000 € Land: 46.000 € 2014 (geplant) Bund: 225.000 € Land: 30.000 € 3. Fördert das Land Sachsen-Anhalt die wissenschaftliche Forschung über die Mechanismen von „Homophobie im Sport“ und gesellschaftlichen Gegenstrategien ? Falls ja, bitte den Forschungsstandort, Forschungsgegenstand und ggf. Höhe der finanziellen Förderung benennen. Wenn nein, welche Notwendigkeit und welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung , solche Forschungsansätze zu fördern? An das Land sind bisher keine Förderanträge zu diesem Thema gestellt worden . Eine mögliche künftige Förderung hängt von wissenschaftlich hochwertigen Forschungsanträgen und von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln ab. 4. Welche Erfolge gibt es aus Sicht der Landesregierung im Bemühen ho- mophoben Erscheinungen im Sport Sachsen-Anhalts entgegenzutreten und welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung in SachsenAnhalt ? Welche Aufgaben und welche Rolle könnten zukünftig das Land, der Landessportbund, die Kreis- und Stadtsportbünde sowie weitere Partner wie beispielsweise die Landeszentrale für politische Bildung übernehmen ? 4 Die unter Frage Nr. 2 genannten Beratungsstellen setzen sich - wie ausgeführt - intensiv mit dem Thema „Homophobie“ auseinander und stehen den Betroffenen beratend zur Seite. Eine Erfolgskontrolle seitens der Landesregierung erfolgt nicht. Da der Sport (die Sportorgane sind juristische Personen des Privatrechts ) in seinen Handlungen autonom ist, sind die Möglichkeiten der Einflussnahme seitens des Landes begrenzt. Allenthalben könnte die Förderung einschlägiger Projekte eine gewisse Steuerung ermöglichen. Eine solche Förderung ist jedoch abhängig von den seitens des Landes zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln. LSB: Stellungnahme angefordert, s. Vorbemerkung. 5. Welche Ergebnisse könnten aus Sicht der Landesregierung durch eine in- tensivere Bildung- und Jugendarbeit in den Sportvereinen im Kampf gegen Homophobie im Sport erzielt werden und welche positiven Erfahrungen aus der Antirassismusarbeit von Fanprojekten lassen sich dafür nutzen ? Ziel ist und bleibt, Gewaltbereitschaft und extremistische Einstellungen abzubauen . Dafür können die Erfahrungen der sozialpädagogisch orientierten Fanarbeit hilfreich sein, die auf der Erkenntnis basieren, dass gewalttätigem Verhalten jugendlicher Fußballfans nicht allein mit repressiven Maßnahmen begegnet werden kann. Die Arbeit der Fanprojekte orientiert sich an der Lebenswelt der Fans und findet u. a. im Stadion, auf Auswärtsfahrten, in Fantreffs und bei Fanturnieren statt. Fanprojekte selbst stärken die kreative Fankultur und bieten alternative Freizeit- und Bildungsangebote für jugendliche Fans an. Gerade dafür ist die Vernetzung der Fanprojekte mit pädagogischen Einrichtungen und anderen Akteuren außerhalb des Fußballs von großer Bedeutung. LSB: Stellungnahme angefordert, s. Vorbemerkung. 6. Welchen Chancen könnte die Umsetzung eines gesamtgesellschaftlichen Aktionsplans (vgl. Landtagsdrucksache 6/2100) und die Förderung von Kooperationsvorhaben zwischen Lesben- und Schwulenverbänden sowie Sportvereinen und Fanprojekten haben, um Homophobie im Sport nachhaltig zurückzudrängen? Ein gesamtgesellschaftlicher Aktionsplan könnte dazu beitragen, Homophobie im Sport nachhaltig zurückzudrängen bzw. abzubauen, allerdings kaum mit kurzfristig messbaren Erfolgen. Tiefer liegende homophobe Einstellungen bzw. Vorurteile der Menschen und daraus resultierende Verhaltensweisen lassen sich nur über einen längeren Zeitraum ändern bzw. beseitigen. LSB: „Im Rahmen des Projektes MuT wurden bereits Kontakte zu Lesben- und Schwulenverbänden geknüpft, Interesse zur Zusammenarbeit besteht beiderseits . Im Rahmen des oben erwähnten Praxisprojektes könnte eine erste konkrete Kooperation angeschoben werden.“