Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2941 21.03.2014 (Ausgegeben am 24.03.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Ausstattungsgrad und Einsatz von Führungs- und Einsatzmitteln (FEM) bei der Polizei in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8207 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt verfügt über eine Vielzahl von polizeilichen Führungs- und Einsatzmitteln (FEM), die zum einen zur Bewältigung der Aufgaben erforderlich sind und zum anderen zur Erfüllung der Führsorgepflicht des Dienstherren gegenüber den Polizeibeamtinnen und –beamten benötigt werden. Gemäß der in der Polizeidienstvorschrift „PDV 100 - Führung und Einsatz der Polizei“ gefassten Definition, handelt es sich bei den FEM der Polizei um die gesamte Ausstattung. Insofern wird es als sachdienlich erachtet, sich bei der Beantwortung dieser Anfrage auf die wesentlichen FEM der Landespolizei zu beschränken. 1. Wie ist die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt mit Führungs- und Ein- satzmitteln ausgestattet? Welche polizeilichen Führungs- und Einsatzmittel kommen in Sachsen-Anhalt zum Einsatz? Die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt verfügt über die nachstehend aufgeführten und in Kategorien unterteilten FEM:  Fahrzeugtechnik (Kfz, Boote und Luftfahrzeuge), o z. B. Funkstreifenwagen, Stromboote, Hubschrauber  Waffen und Munition, o z.B. Dienstpistole, Maschinenpistolen 2  Verkehrsüberwachungstechnik, o z.B. Geschwindigkeitsmessgeräte, Atemalkoholmessgeräte  Beweis- und Dokumentationstechnik, o z.B. Foto- und Videotechnik  Informations- und Kommunikationstechnik, o z.B. Einsatzleitstellen, Arbeitsplatzcomputer  Digitaler Sprech- und Datenfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben,  CRB-Technik (Chemisch-Radioaktiv-Biologisch), o z.B. radiologische Messgeräte,  Kriminaltechnisches Gerät, o z.B. Labortechnik  Körperschutzausstattung o z.B. ballistische Schutzwesten, Oberkörper-Schlag- und Stich- schutzausrüstung  sonstige FEM o z.B. Sperrtechnik, Hilfsmittel körperlicher Gewalt Der wesentliche Teil der FEM der Landespolizei, wie z.B. die Dienstfahrzeuge, die für Messungen im Straßenverkehr vorgehaltene Verkehrsüberwachungstechnik , die Auswerte-, Analyse- und Beweissicherungstechnik der Schutz- und Kriminalpolizei inklusive der Labortechnik in den kriminalpolizeilichen Laboren und die sehr wichtige Informations- und Kommunikationstechnik, einschließlich des modernen digitalen Sprech- und Datenfunks, dienen den Bediensteten der Landespolizei als Hilfsmittel bei der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sowie der präventiven Arbeit im täglichen Dienstgeschehen. Darüber hinaus werden den Polizeibeamtinnen und -beamten zum eigenen Schutz und zum Schutz für Leib und Leben Dritter, Dienstwaffen nebst der dazugehörenden Munition, Pfeffersprays , Einsatzmehrzweckstöcke und eine vielfältige Köperschutzausstattung zur Verfügung gestellt. Ausgehend von einer zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamten auch in Sachsen-Anhalt wird auf einige spezielle FEM eingegangen. Die im operativen Dienst der Landespolizei tätigen Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten wurden in den zurückliegenden Jahren mit einer persönlichen ballistischen Schutzweste ausgestattet. Bei den ballistischen Schutzwesten handelt es sich um Unterziehschutzwesten, die den technischen Anforderungen entsprechen und den bestmöglichen Schutz bei Geringhaltung des Gewichtes garantieren. Zudem wurde für diese Weste eine taktische Wechselhülle entwickelt , die dem Träger die Möglichkeit des Tragens der Weste über das Uniformhemd oder das Poloshirt ermöglicht. Des Weiteren steht allen, bei geschlossenen Einsätzen zum Einsatz kommenden Polizeibeamtinnen und –beamten, eine persönliche Oberkörper- Stich- und Schlagschutzausrüstung, bestehend aus:  Oberkörper-Stich - und Schlagschutzweste mit Schulterschutz  Knie- und Beinprotektoren  Ellenbogen und Armschutz  Suspensorium  Schutzhelm mit Visier, zur Verfügung. 3 Auch im Bereich der Fahrzeugtechnik wurde in den letzten Jahren einiges getan , um die Sicherheit der Beamtinnen und Beamten durch Innovationen zu verbessern. So wurde vor 2 Jahren damit begonnen, die Halbgruppenkraftwagen, die zum Transport bei geschlossenen Einsätzen genutzt werden, mit einer Teilschutzausstattung , bestehend aus Durchstichschutz rund um das Kfz, durchwurfhemmende Verglasung und einem zusätzlichen Ausstieg auf der anderen Fahrzeugseite , auszustatten. Auch im Bereich der Funkstreifenwagen wurde etwas zur Verbesserung der Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen getan. So wurden die neubeschafften Funkstreifenwagen mit einer zusätzlichen retroreflektierenden gelben Folie beklebt , die die Erkennbarkeit des Fahrzeuges erheblich verbessert. Gerade bei widrigen Witterungsverhältnissen kann ein eine Unfallstelle absicherndes Fahrzeug schnell übersehen werden. Mittlerweile werden auch die Verkehrsunfallwagen mit einer derartigen Beklebung versehen. Hier kommt Sachsen-Anhalt eine deutliche Vorreiterrolle zu. 2. Wie schätzt die Landesregierung die Ausstattung mit Führungs- und Ein- satzmitteln im Vergleich mit anderen Bundesländern ein? Unsere Polizei verfügt heute über eine technische Ausstattung, die sich keineswegs hinter der anderer Bundesländer verstecken muss. Alle Polizeidienststellen sind mit moderner Technik - sei es beim Fahrzeugpark, beim kriminaltechnischen Gerät, in der Informations- und Kommunikationstechnik oder der persönlichen Ausstattung der Beamten - gut ausgerüstet. Die gesamte Ausstattung der Polizei wird ständig im Rahmen der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel mit entsprechender Prioritätenfestlegung auf dem neuesten Stand gehalten, ergänzt und fortgeschrieben. 3. Wann kommen welche polizeilichen Führungs- und Einsatzmittel durch wen zum Einsatz? Welche Gefahrenprognosen rechtfertigen den Einsatz bestimmter Führungs- und Einsatzmittel? Wann welche polizeilichen Führungs- und Einsatzmittel durch wen zum Einsatz kommen, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unter strikter Beachtung der der Polizei obliegenden Befugnisse zur Erforschung und Verfolgung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schwerpunktmäßig seien genannt: Die Strafprozessordnung, das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) und das Landesversammlungsgesetz bestimmen für einzelne Führungs- und Einsatzmittel - insbesondere auch in Abhängigkeit von der Erkennbarkeit ihrer Anwendung - die Tatbestandsmerkmale bei deren Vorliegen ein Einsatz zulässig ist. So ist z. B. der Einsatz von technischen Mitteln zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen in den §§ 16, 17, 21, 39 Abs. 4 SOG LSA, § 18 Landesversammlungsgesetz sowie §§ 81b und 100h StPO besonders geregelt. 4 Die Anwendung von Führungs- und Einsatzmitteln im Rahmen der Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Gefahrenabwehr ist in den §§ 61 bis 68 SOG LSA geregelt. Diese Vorschriften finden hinsichtlich der Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwangs bei der Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ebenfalls Anwendung (vgl. § 4 Abs. 2 SOG LSA). 4. Wer entscheidet über den Einsatz bestimmter polizeilicher Führungs- und Einsatzmittel? Wer definiert bestimmte Einsatzaufgaben und die Mittel für Ihre Realisierung bzw. Durchsetzbarkeit? Die Polizeibeamten entscheiden auf der Grundlage der gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich eigenständig über den Einsatz von FEM. Bei bestimmten Einsatzlagen , bei denen ein Polizeiführer das Handeln von zahlreichen Polizeikräften (z.B. Geiselnahmen oder Fußballeinsätzen) koordinieren muss, kann sich der Polizeiführer die Entscheidung zum Einsatz von bestimmten FEM, z.B. Wasserwerfer , vorbehalten oder an andere delegieren (§ 61 Abs.1 SOG LSA). Auch der Einsatz von Hilfsmitteln, z.B. Einsatzmehrzweckstock, kann je nach Einsatzlage unter den Entscheidungsvorbehalt eines Polizeiführers fallen. Dieser Entscheidungsvorbehalt gilt, solange es nicht zu Situationen, z.B. Gefahren für Leib und Leben, kommt, die ein unmittelbares Handeln erfordern, um die Gefahrenlage zu beseitigen bzw. Schäden zu minimieren. Darüber hinaus existieren Einsatzmittel, z.B. gem. § 17 SOG LSA, bei denen bereits vom Gesetzgeber die Anordnungsbefugnis festgelegt worden ist. Bei den Polizeieinsätzen im Rahmen der Allgemeinen Aufbauorganisation haben die Einsatzaufgaben einen wesentlich geringeren Umfang. In diesem Fall legt der Verantwortliche der Funkwagenbesatzung die Einsatzaufgaben fest, ggf. werden bei der Auftragserteilung durch die Lage- und Führungszentren bereits Einsatzaufgaben (z.B. Sperrung einer Straße aufgrund eines Verkehrsunfalls ) formuliert. Grundsätzliche Einsatzaufgaben werden bei größeren Einsätzen durch den Polizeiführer festgelegt. Auf der Grundlage dieser Aufgaben erhalten die einzelnen Einsatzabschnitte die jeweiligen Aufträge. Die Bestimmung der Mittel zur Realisierung bzw. Durchsetzbarkeit liegt entweder beim Polizeiführer oder dem Führer des Einsatzabschnittes. Die Mittel für die Realisierung von Einsatzaufgaben ist abhängig von der jeweiligen Lagebeurteilung unter Beachtung der Gefahrenlage . 5. Welche Vorschriften (Verwaltungsvorschriften, Richtlinien, Erlasse, Dienstvorschriften etc.) bestimmen neben den (bzw. auf der Grundlage der) Regelungen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt den Einsatz von polizeilichen Führungs - und Einsatzmitteln, definieren Einsatzaufgaben, regeln organisatorische Abläufe für deren Anforderungen zu Soforteinsätzen oder geplanten Einsätzen sowie formulieren Kriterien für die Zweckmäßigkeit, Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit eines Einsatzes? 5 Ausgehend von der weitreichenden Definition der PDV 100 geht die Landesregierung davon aus, dass die Frage nahezu die gesamte Ausstattung der Polizei umfasst. Folgende grundlegende Vorschriften bestimmen, neben den Regelungen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes SachsenAnhalt und den Ausführungsbestimmungen zum SOG LSA, den Einsatz von polizeilichen FEM. Darin werden die Einsatzaufgaben definiert, organisatorische Abläufe für deren Anforderung zu Soforteinsätzen oder geplanten Einsätzen beschrieben sowie Kriterien für die Zweckmäßigkeit, Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit eines Einsatzes formuliert. - Bestimmungen, Richtlinien, Anweisungen und Sammlungen von Katalogen und Nachschlagewerken (BRAS) 140.1 und 140.2 (VS-NfD) - PDV 100 - Führung und Einsatz der Polizei - PDV 102 - Taktische Zeichen - PDV 122 - Einsatz von Wasserwerfern und Wasserarmaturen - PDV 129 - Personen- und Objektschutz - PDV 130 - Einsatz der Polizei bei Staatsbesuchen und sonstigen Besuchen - PDV 131 - Einsatz bei Entführungen - PDV 132 - Einsatz bei Geiselnahmen - PDV 133 - Einsatz bei herausragenden Erpressungen - PDV 145 - Transporte von Einsatzeinheiten und Führungs- und Einsatzmit- teln - Leitfaden (LF) 150 - Versorgung der Polizei im Einsatz - PDV 171 - Haltung, Ausbildung und Einsatz von Diensthunden - PDV 201 - Aus- und Fortbildung für die Verwendung in Einsatzeinheiten - PDV 202 - Aus- und Fortbildung an Führungs- und Einsatzmitteln der Ein- satzeinheiten - PDV 211 - Schießtraining in der Aus- und Fortbildung - PDV 230 - Übungen - PDV 382 - Bearbeitung von Jugendsachen - PDV 384.1 - Fahndung - PDV 384.2 - Polizeiliche Beobachtung - PDV 386 - Informationsaustausch Rauschgiftkriminalität - PDV 389 - Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen - PDV 403 - Sprengen 6 - PDV 415 - Tauchdienst - LF 450 - Gefahren durch chemische, radioaktive und biologische Stoffe - PDV 800 - Fernmeldeeinsatz - PDV 810.1 - Formelle elektronische Kommunikation (Elektronische Post) - PDV 810.3 - Sprechfunkverkehr - LF 371 – Eigensicherung - RdErl. des MI vom 17.8.2010 – 24/23-123 „Verwaltungsvorschriften für die Polizei“ in der jeweils aktuellen Fassung (zuletzt geändert durch RdErl. des MI vom 11.09.2013 (MBl. LSA 2013, S. 499))1 - RdErl. des MI vom 6.3.2009 - 23.3-12320, Grundsätze für die Verkehrsüberwachung durch Polizei und Kommunen (Verkehrsüberwachungserlass) (MBl. LSA. 2009, Seite 208) - Erlass des MI vom 17.06.1998 - 23.2-12363 „Aufgaben und Einsatz der Polizeihubschrauberstaffel des Landes Sachsen-Anhalt“ (MBl. LSA. 1998, Seite 1217) Neben den grundlegenden Vorschriften gibt es Einzelfälle und herausragende Ereignisse, z.B. Bewältigung der Hochwasserlage 2013, die eine gesonderte zeitlich befristete Regelungslage erforderlich machen, um den effektiven Einsatz der FEM zu gewährleisten. Im Zeitraum des Hochwassers in SachsenAnhalt galten z.B. besondere Regelungslagen für die Polizeihubschrauber. 6. Welche grundlegenden Kriterien und Gründe sind es, die für die Ergrei- fung konkreter polizeilicher Maßnahmen und den Einsatz von bestimmten polizeilichen Führungs- und Einsatzmitteln letztendlich entscheidend sind? Als grundlegendes Kriterium für die Ergreifung von polizeilichen Maßnahmen ist das Vorhandensein einer Rechtsvorschrift, die der Polizei eine Zuständigkeit überträgt und die Polizei zum Handeln verpflichtet bzw. ermächtigt. Der Einsatz der FEM beim Handeln der Polizei ist vom Grund der Maßnahmen, von der Zielrichtung der polizeilichen Maßnahme und der Beurteilung der Lage abhängig . Die Wahl des Einsatzmittels bei einer konkreten Maßnahme erfolgt immer nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß § 5 SOG LSA. Die Wahl des Einsatzmittels ist auch davon abhängig, welche Einsatzmittel dem handelnden Polizeibeamten vor Ort zur Verfügung stehen und ob ggf. erforderliche weitergehende Führungs- und Einsatzmittel zeitgerecht vor Ort gebracht werden können, ohne dadurch den Einsatzerfolg zu gefährden. 1 Es handelt sich um einen Sammelerlass.