Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2981 01.04.2014 (Ausgegeben am 01.04.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aktivitäten und staatliche Unterstützung eines Vereins in Sachsen-Anhalt, der sog. Homo-Heilungen anbietet Kleine Anfrage - KA 6/8199 Vorbemerkung des Fragestellenden: Durch Medienberichte wurde bekannt, dass in Bennungen (Mansfeld-Südharz) seit mehreren Jahren ein Verein aktiv ist, in dem von führenden Vertreterinnen und Vertretern , unter anderem einem ehemaligen Landtagsabgeordneten, die Position vertreten wird, Homosexualität sei eine psychische Krankheit. Der Verein bietet nach Medienberichten Seminare an, in denen Homosexualität als heilbar vorgestellt wird. Vertreter des Vereins sollen entsprechende Service-Leistungen zur „Heilung“ von Homosexualität anbieten. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales 1. Wie beurteilt die Landesregierung sogenannte Therapieangebote von Homosexualität aus wissenschaftlicher, psychotherapeutischer, gesellschaftspolitischer , rechtlicher und ethischer Sicht? 2. Inwiefern vertritt die Landesregierung oder vertreten einzelne Mitglieder der Landesregierung die Auffassung, dass Homosexualität a. einer Therapie bedarf und b. einer Therapie zugänglich ist? 3. Teilt die Landesregierung unsere Auffassung, dass „Therapien“ mit dem Ziel einer Änderung gleichgeschlechtlicher Empfindungen ein diskriminierendes Unwerturteil über Homosexualität zugrunde liegt und dass sie geeignet sind, insbesondere jungen Lesben und Schwulen in ihrer psychosozialen Entwicklung erheblichen Schaden zuzufügen? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 zusammen beantwortet. 2 Nach Auffassung der Landesregierung bedarf Homosexualität weder einer Therapie noch ist sie einer Therapie zugänglich. Bereits seit geraumer Zeit wird Homosexualität von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler, die sich mit diesem Themenbereich befassen, sowie vom Weltärztebund nicht mehr als psychische Erkrankung angesehen. Dementsprechend wurde die Homosexualität aus diversen Diagnoseklassifikationssystemen und 1992 auch aus dem Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation gestrichen. Sogenannte „Konversions- oder Reparations“- Therapien, die auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten oder der homosexuellen Orientierung abzielen, werden von der überwiegenden Mehrheit der Fachwelt abgelehnt. Diese ablehnende Haltung gründet sich auf Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen. Danach zeigten sich bei der Mehrzahl der so therapierten Personen schädliche Effekte und die erhoffte „Heilung“ trat nicht ein. Vielmehr vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass es wichtig ist, homosexuelle Menschen, sofern dies nötig ist, therapeutisch dahingehend zu begleiten, dass sich bei ihnen eine selbstbewusste sexuelle Identität entwickelt. Das unterstützt die Integration und stärkt das Selbstwertgefühl der betroffenen Person. 4. Sind der Landesregierung die Aktivitäten des LEO e. V. aus Bennungen bekannt? Welche Informationen liegen der Landesregierung zum benannten Verein vor? Aufgrund der Informationen aus den vom LEO e. V. gestellten Anträgen und des Internetauftritts des Vereins sind der Landesregierung folgende Tätigkeitsschwerpunkte des LEO e. V. als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe bekannt: Pastoralpsychologische Seminar- und Beratungsarbeit auf Grundlage eines therapeutischen Konzepts. Ein weiterer Arbeitsbereich sind Projekte in den Bereichen Natur und Handwerk. Offene Bildungsangebote wie Ausstellungen , Seminare, Vorträge zu gesellschaftlich relevanten Themen und Konzerte finden in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde statt. 5. Wann und durch wen wurde der Verein gegründet? Was ist der satzungsmäßige Zweck des Vereins? Welche Informationen liegen der Landesregierung über Anzahl von Mitgliedern, Vorstand etc. vor? Der Verein wurde am 23.03.1991 gegründet. Informationen zum LEO e. V. wie Vereinsvorstand, Ziele oder Veranstaltungen sind auf der Internetseite des Vereins unter www.leo-ev-bennungen.de verfügbar. Über die Anzahl der Mitglieder des Vereins können keine Aussagen gemacht werden. Erkenntnisse, die über die im Internet zugänglichen Informationen zum Verein hinausgehen, liegen nicht vor. 6. Nach Eigendarstellung des Vereins ist dieser gemeinnützig und anerkannter Träger der Jugendhilfe. Wann und durch wen wurde die Gemeinnützigkeit des Vereins festgestellt? Wann wurde diese zuletzt geprüft? Wann und durch wen wurde der Verein als Träger der Jugendhilfe anerkannt? Wann wurde diese Anerkennung das letzte Mal überprüft? 3 Der Verein wurde 1995 als Träger der freien Jugendhilfe durch den zuständigen Landkreis anerkannt. Er ist jedoch kein gemäß § 75 Abs.1 SGB VIII i. V. m. § 14 Kinder- und Jugendhilfegesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KJHG LSA) landesweit anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Eine Überprüfung der Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe findet derzeit statt. Mit den Fragen zur Gemeinnützigkeit des Vereins sollen vermutlich die gesellschaftsrechtlichen Strukturen des LEO e. V., dessen Satzungszweck sowie seine bisherige steuerliche Behandlung hinterfragt werden. Die Beantwortung dieser Fragen dient jedoch nicht der Durchführung eines steuerlichen Verfahrens und der Verein als Betroffener hat einer Offenbarung auch offensichtlich nicht zugestimmt. Aufgrund der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses i. S. d. § 30 Abgabenordnung (AO) kann deshalb zu diesen Fragen keine konkrete Stellungnahme abgegeben werden. Allgemein wird darauf hingewiesen, dass die Feststellung der Gemeinnützigkeit und somit die Befreiung von der Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer durch das zuständige Finanzamt mit Freistellungsbescheid erfolgt. Aus diesem Bescheid ergeben sich das Ausstellungsdatum sowie der Zeitraum der Prüfung. Gesetzliche Grundlagen sind § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG), § 3 Nr. 6 Gewerbesteuergesetz (GewStG) sowie die §§ 51 bis 68 AO. 7. Hat der Verein in der Vergangenheit Fördermittel erhalten: a. über das Land? b. von kommunalen Gebietskörperschaften? Bitte im Detail ausführen, welche Fördermittel über welches Programm in welcher Höhe in welchem Jahr ausgereicht wurden. Kann die Landesregierung ausschließen, dass mit Landesmitteln „Therapien" zur „Heilung" von Homosexualität bezahlt oder bezuschusst wurden? a) Landesmittel Im Zeitraum von 1995 bis 2006 erfolgte folgende Förderung des Vereins aus dem Programm Dorferneuerung/ Dorfentwicklung: Zuwendungsbescheid Ausz.- Maßnahme Förderbetr. betrag Antrag vom vom bis in € in € Birkenhof Wirtschaftsgebäude Dach - u. Fachwerksanierung 21.08.95 10.01.96 24.05.96 20.451 20.195 Birkenhof Wohnhaus Erneuerung Fachwerk, Fenster u. Türen 17.07.95 08.01.96 24.05.96 20.451 20.451 Rittergut Mühlgasse103, Fassadensanierung , einschl. Fachwerk 09.04.98 15.06.98 15.04.99 18.783 18.783 Einfriedung Birkenhof, Instandsetzung Mauer u. Tor 22.04.99 07.05.99 19.11.99 2.777 2.777 Instandsetzung Birkenhof, Förderung trad. Handwerk 01.07.02 15.07.02 15.11.02 50.000 45.730 Rittergut, Instandsetzung Trep- 03.07.03 01.09.03 31.03.04 50.000 50.000 4 penhaus u. Kaminzimmer Sanierung Eingangsbereich (Mauer, Tor) Mühlgasse 103 07.06.06 09.06.06 30.11.06 4.400 2.340 166.862 160.276 Von der Lotto-Toto GmbH erhielt der Verein von September 1997 bis August 2001 folgende Summen: Antrag vom Maßnahme Antragssumme in € Bescheid vom Zuwendung in € Zahlung in € 16.05.1997 Ausmauern und Verputzen des Westgiebels Birkenhof 1.647,11 03.09.1997 1.022,58 1.022,58 25.09.1997 Substanzerhaltende Maßnahmen am Rittergut Bennungen 51.129,19 11.12.1997 38.346,89 38.346,89 22.01.2000 Sanierung des Birkenhofs , Finanzierung einer ABM 51.129,19 23.06.2000 51.129,19 51.129,19 05.06.2001 Instandsetzung des Birkenhofs in Bennungen 40.000,00 13.12.2002 40.000,00 35.275,00 05.06.2001 Ausstellung in der Johanneskirche Bennungen „Lust auf Farben“ 3.067,75 21.08.2001 0,00 (Ablehnung) Bis 2012 konnten Mittel aus der Jugendpauschale des Landes über das Finanzausgleichsgesetz (FAG) letztlich zu Mitteln des Landkreises werden und somit zur Kofinanzierung von Projekten in der Jugendarbeit verwendet werden. Eine direkte Förderung des Vereins aus der Jugendpauschale gab und gibt es daher nicht. b) Kommunale Gebietskörperschaften Lt. Mitteilung des Landkreises Mansfeld-Südharz wurden folgende finanziellen Mittel an den LEO e. V. durch den Landkreis Mansfeld-Südharz gezahlt: 2008 Bundesprogramm “Vielfalt tut gut - …“ 779,50 EUR (ausschließlich Bundesmittel, keine Beteiligung des Landkreises) 2010 Jugendpauschale 250,00 EUR 2011 Jugendpauschale 250,00 EUR 2012 Jugendpauschale 800,00 EUR In den Jahren 2009 und 2013 hat der Verein keine finanziellen Mittel von kommunalen Gebietskörperschaften erhalten. Die Zweckbestimmung der vorgenannten Zuwendungen lässt eine anderweitige Nutzung der Gelder nicht zu. Im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung wird die ordnungsgemäße Verwendung überprüft. Aus diesem Grund kann die 5 Landesregierung eine Verwendung von Landesgeldern für „Therapien“ zur „Heilung “ von Homosexualität ausschließen. 8. Liegen der Landesregierung zum Verein Erkenntnisse der Verfassungs- schutzbehörde vor? Ist der Landesregierung bekannt, dass im wissenschaftlichen Beirat des Vereins Personen als Mitglied geführt werden, die in der Vergangenheit bei Jürgen Riegers nationalsozialistischer Artgemeinschaft vorgetragen haben sollen? Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 9. Welche anderen Vereinigungen, die eine „Heilung“ oder „Veränderung“ von Homosexualität propagieren oder entsprechende „Therapien“ anbieten , sind der Landesregierung in Sachsen-Anhalt bekannt? Der Landesregierung sind keine derartigen Vereinigungen bekannt. 10. Sind die in vorgenannter Frage genannten Institutionen ggf. als gemein- nützig und/oder als freie Träger der Jugendhilfe anerkannt und/oder erhalten sie staatliche Unterstützung? Es wird auf die Antwort zu Frage Nr. 9 verwiesen. 11. In welcher Weise wird die Landesregierung künftig dafür Sorge tragen, dass eine Unterstützung von Vereinigungen durch staatliche Stellen unterbleibt, die auf die „Überwindung“ von Homosexualität abzielen? Durch die Anwendung der zuwendungsrechtlichen Vorschriften (§§ 23, 44 Landeshaushalts -ordnung) ist gewährleistet, dass Vereinigungen in SachsenAnhalt , die Projekte bzw. Maßnahmen mit dem Ziel der „Heilung“ von Homosexualität durchführen, von der Landesregierung keine Unterstützung dafür erhalten . 12. Was tut die Landesregierung, um über fundamentalistische „Heilungs“- Scharlatane aufzuklären und vor ihren fragwürdigen Methoden zu warnen, um insbesondere homosexuelle Jugendliche vor Beeinträchtigungen zu bewahren? Damit unseriösen, unwissenschaftlichen und schädlichen Therapieangeboten entgegengewirkt werden kann, fördert und unterstützt das Land Träger von Beratungsstellen und Maßnahmen, die das homosexuelle „Coming Out“, die homosexuelle Persönlichkeitsentwicklung, gesundheitliche Aufklärung und die gesellschaftliche Akzeptanz zum Ziel haben. Hinzu kommen Angebote, die der Persönlichkeitsentwicklung dienen in der Kinder- und Jugendhilfe, z. B. in der Jugendverbandsarbeit. Das Thema geschlechtliche Orientierung wird in verschiedenen Unterrichtsfächern der einzelnen Schulformen behandelt. Unterstützend wirkt dabei der Erlass zur Sexualerziehung an den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt.