Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3056 07.05.2014 (Ausgegeben am 08.05.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Nadine Hampel (SPD) Straßenbegleitende Radwege Kleine Anfrage - KA 6/8286 Vorbemerkung des Fragestellenden: Hohe Geschwindigkeitsdifferenzen im Straßenverkehr sind nachweislich eine häufige Unfallursache. Die Differenz der Geschwindigkeiten zwischen einem Radfahrer und einem PKW ist außerhalb von Ortschaften erheblich und stellt ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für den Radfahrer dar. Straßenbegleitende Radwege sind daher ein aktiver Schutz für die Radfahrer. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung: Grundsätzlich besitzen Radwege im Zuge von Bundes- und Landesstraßen in Sachsen -Anhalt einen hohen Stellenwert. Die Trennung des motorisierten vom nicht motorisierten Verkehr dient der Verbesserung der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer . Auch wenn in den zurückliegenden Jahren bereits eine Vielzahl von straßenbegleitenden Radwegen fertiggestellt werden konnte, besteht weiterhin ein erheblicher Nachholbedarf, so dass auch in den nächsten Jahren große Anstrengungen in dieser Richtung unternommen werden müssen. Die Realisierung der straßenbegleitenden Radwege an Bundes- und Landesstraßen erfolgt auf Basis der im Zuge des Radverkehrsplanes des Landes Sachsen-Anhalt (LRVP) aufgestellten Bedarfspläne und der darin vorgenommenen Einstufungen. Vor Planungsbeginn ist für jeden Radweg ein einzelfallbezogener Bedarfsnachweis, der die spezifischen Randbedingungen der Straße berücksichtigt, zu führen, sofern dieser nicht bereits vorliegt. 2 1. Wie viele km straßenbegleitende Radwege befinden sich derzeit an Landesstraßen ? Zum Stand 1. Januar 2014 sind in Sachsen-Anhalt 553 km Landesstraßen mit einem einseitigen oder beidseitigen straßenbegleitenden Radweg ausgestattet. Die Gesamtlänge der straßenbegleitenden Radwege an Landesstraßen in Sachsen-Anhalt beträgt 616 km. 2. Ist es richtig, dass die Planung für einen straßenbegleitenden Radweg zwischen Martinsrieth-Rio an der L 221 in die 3. Priorität eingestuft wurde ? Ja, der straßenbegleitende Radweg entlang der L 221 zwischen Riethnordhausen und Martinsrieth ist im LRVP im Kapitel 5.1 (Anlage 5.1-9) mit einer Länge von ca. 1,85 km in der Dringlichkeitsstufe (DS) III enthalten. 3. Nach welchen Kriterien erfolgt die Zuordnung in die jeweiligen Prioritäten ? Bitte umfangreich darstellen. Die Notwendigkeit von straßenbegleitenden Radwegen an Bundes- und Landesstraßen wird in Abhängigkeit der Netzbedeutung der Straße und ihrer Verkehrsbelastung sowie anhand weiterer Kriterien ermittelt. Für die im Zuge der Erstellung der Bedarfspläne (Stand 03/2010) erfolgte Einordnung der straßenbegleitenden Radwege an Bundes- und Landesstraßen in die drei Dringlichkeitsstufen I bis III sind im Wesentlichen nachstehende Kriterien angesetzt worden. Dabei erfolgte die Einstufung der einzelnen Radwege vorrangig verbal argumentativ. Bei der Festlegung der Dringlichkeitsstufen wurde zwischen Radwegen auf freier Strecke und Radwegen in Ortsdurchfahrten unterschieden. 3 Dringlichkeitsstufen (DS) Radwege auf freier Strecke (außerhalb der Ortsdurchfahrten)  prognostiziertes Verkehrsaufkommen als Durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge DTV2015 ≥ 5.000 Kfz/24h  Ortsentfernung ≤ 5 km  Bedarfsnachweis liegt vor  wesentliche Kriterien des Be- darfsnachweises sind erfüllt:  kein befahrbarer Alternativweg vorhanden  mehr als 15 Radfahrer pro Spitzenstunde vorhanden (gem. Tab. 4 der Richtlinien für die Anlage von Straßen , Teil: Querschnitte (RAS-Q 96); aufgehoben mit Einführung der Richtlinien für die Anlage von Landstraßen , Ausgabe 2012 (RAL)) oder  mehr als 15 potentielle Radfahrer pro Spitzenstunde (aus Schülerzahlen und sonstigen Radfahrerzielen ermittelt ) vorhanden oder  unzureichende Ausbauparameter der Straße (Verbesserung in den nächsten Jahren nicht zu erwarten) und verkehrliche Besonderheiten bedingen hohe Gefährdung der Radfahrer  prognostiziertes Verkehrsaufkommen DTV2015 < 5.000 Kfz/24h  Bedarfsnachweis ist aufgrund des hohen Radverkehrsauf- kommens (≥ 30 Radfahrer pro Spitzenstunde gem. Tab. 4 RAS-Q 96) gegeben I  Prüfung, ob Anlage eines Radweges in Verbindung mit anstehender Um- und Ausbaumaßnahme der Straße (gemeinsame U/A-Maßnahme) möglich ist  Bedarfsnachweis liegt vor (siehe oben) II  Ortsentfernung > 5 km  Bedarfsnachweis liegt vor (Kriterien wie bei DS I) oder kann geführt werden  Sicherheitsaspekte sind erkennbar, jedoch weniger zwingend, da Fahrbahnbreite der Straße regelgerecht ist, Haltesichtweiten ausreichend sind und kein Schülerverkehr vorhanden ist  der Radwege-Netzfunktion kommt im Einzelfall nur geringe (touristische) Bedeutung zu III  prognostiziertes Verkehrsaufkommen DTV2015 ≤ 2.500 Kfz/24h  Orte mit geringen Einwohnerzahlen  Bedarfsnachweis unsicher 4 Dringlichkeitsstufen (DS) Radwege in Ortsdurchfahrten I  Um- und Ausbaumaßname der Straße steht an  prognostiziertes Verkehrsaufkommen mit DTV2015 ≥ 2.500 Kfz/24h  Bedarfsnachweis liegt vor  wesentliche Kriterien des Be- darfsnachweises sind erfüllt:  kein befahrbarer Alternativweg vorhanden  Radverkehrsanlage aufgrund Streckencharakteristik (Straßenbreite, Kurvigkeit, Krümmengestaltung, Sichtweiten ) erforderlich oder  Schülerverkehr ist vorhanden oder  infrastrukturelle Ziele (z. B. Sportstätten) für Radverkehr sind vorhanden II  Um- und Ausbaumaßname der Straße steht an  prognostiziertes Verkehrsaufkommen mit DTV2015 < 2.500 Kfz/24h  Bedarfsnachweis liegt vor (Kriterien wie bei DS I) oder kann geführt werden  Sicherheitsaspekte sind erkennbar, jedoch weniger zwingend, da Ausbau der Straße bereits regelgerecht III  geringes Verkehrsaufkommen  Bedarfsnachweis unsicher 4. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Bauvorhaben von Priorität 3 in eine höhere Priorität höhergestuft werden? Grundsätzlich kann eine Höherstufung bei der Fortschreibung der Bedarfspläne für Radwege an Bundes- und Landesstraßen des LRVP erfolgen. Die Voraussetzung für die Zuordnung eines Radweges von der DS III in eine höhere DS ist eine entsprechend positive Bedarfsnachweisführung. In Einzelfällen besteht bei geänderten Randbedingungen, wie z. B. der Erhöhung des Verkehrsaufkommens oder signifikantem Unfallgeschehen, das Erfordernis , bereits vor der Fortschreibung der Bedarfspläne einen einzelfallbezogenen Bedarfsnachweis für die Anlage eines straßenbegleitenden Radweges zu führen. 5. Kann eine Höherstufung beantragt werden, und wer wäre antragsberech- tigt? Eine Höherstufung kann bei der Straßenbauverwaltung beantragt werden; antragsberechtigt sind die Träger öffentlicher Belange (z. B. Landkreis oder Gemeinde ). 5 6. Wann soll der Landesradwegeplan bezüglich der Prioritätensetzung und Bauvorhaben überarbeitet werden? Die Fortschreibung der derzeit gültigen Bedarfspläne für Radwege an Bundesund Landesstraßen (Stand 03/2010) erfolgt ausweislich des LRVP turnusmäßig alle 5 Jahre; d. h. erstmalig im Jahr 2015. In diesem Zusammenhang sollen auch die Bewertungsfaktoren und Gewichtungen bei der Dringlichkeitsreihung unter Berücksichtigung der aktuellen Regelwerke überarbeitet werden. Bei der anstehenden Fortschreibung der Bedarfspläne werden alle noch nicht realisierten Radwege der Bedarfspläne, mit Ausnahme derer, die bereits einen weit fortgeschrittenen Planungsstand haben, überprüft und einer Prioritätenreihung unterzogen. 7. Welche rechtlichen Hindernisse stehen generell einem gesondert markier- ten Fahrradweg am Fahrbahnrand entgegen? Markierte Radverkehrsführungen am Fahrbahnrand erfolgen in Form von Radfahrstreifen und Schutzstreifen. Im Wesentlichen ist die Wahl der Führungsform von der Stärke und der Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugverkehrs abhängig. Ein Radfahrstreifen ist in der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) zu § 2 StVO (Straßenbenutzung durch Fahrzeuge) näher definiert . Demnach ist ein Radfahrstreifen ein mit Zeichen 237 (Radweg) gekennzeichneter und durch Zeichen 295 (Fahrbahnbegrenzung) von der Fahrbahn abgetrennter Sonderweg. Das Zeichen 295 ist in der Regel in Breitstrich (0,25 m) auszuführen. Zur besseren Erkennbarkeit des Radfahrstreifens kann in seinem Verlauf das Zeichen 237 in regelmäßigen Abständen markiert werden. Der Radfahrstreifen ist benutzungspflichtig und darf nicht vom Kraftfahrzeugverkehr in Längsrichtung befahren werden. Ferner ist in den VwV-StVO zu § 2 StVO geregelt, dass Radfahrstreifen eine Mindestbreite von 1,50 m haben müssen. In Abhängigkeit der Kfz- bzw. Radverkehrsstärken sowie der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten ist die Breite des Radfahrstreifens entsprechend zu erhöhen. Die Breite der angrenzenden Fahrstreifen des Kraftfahrzeugverkehrs soll mindestens 2,75 m betragen; die Regelbreite nach RAL entspricht 3,50 m. Die Anlage eines Radfahrstreifens ist folglich nur dann rechtlich zulässig, wenn die in den technischen Regelwerken geforderten Mindestbreiten der Fahrbahn für den übrigen Fahrzeugverkehr eingehalten werden. Radfahrstreifen sind in Kreisverkehren nicht zulässig. Diese Regelungen korrespondieren mit den Vorschriften zur Radwegebenutzungspflicht nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 StVO und den hierzu getroffenen Regelungen zur Rechtsanwendung in den VwV-StVO. So darf die Radwegebenutzungspflicht nach § 45 Abs. 9 StVO nur angeordnet werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist und aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs erheblich übersteigt. Von einer sol- 6 chen Gefahrenlage kann außerorts grundsätzlich dann ausgegangen werden, wenn die Straße ein erhöhtes Verkehrsaufkommen des übrigen Fahrzeugverkehrs aufweist. Zur innerörtlichen Anordnung von Radfahrstreifen gibt es eine einschlägige gefestigte Rechtsprechung, die die Anordnung nur ausnahmsweise erlaubt. Kommt nach den vorstehenden Regelungen die Anordnung eines Radfahrstreifens nicht in Betracht, ist zur Begegnung innerörtlicher Gefahrenlagen die Anordnung eines Schutzstreifens möglich. Gemäß VwV-StVO zu § 2 StVO ist der Schutzstreifen ein durch Zeichen 340 (unterbrochene Leitlinie) gekennzeichneter und zusätzlich in regelmäßigen Abständen mit dem Sinnbild „Fahrradfahrer“ markierter Teil der Fahrbahn. Er kann innerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 50 km/h markiert werden, wenn die Verkehrszusammensetzung eine Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nur in seltenen Fällen erfordert. Er muss so breit sein, dass er einschließlich des Sicherheitsraumes einen hinreichenden Bewegungsraum für den Radfahrer bietet . Die Breite eines Schutzstreifens beträgt in der Regel 1,50 m, mindestens 1,25 m. Der verbleibende Fahrbahnteil muss so breit sein, dass sich zwei Pkw gefahrlos begegnen können. Gemäß der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen , Ausgabe 2006 (RASt 06) soll die verbleibende Breite der Fahrbahn zwischen den Schutzstreifen mindestens 4,50 m betragen. Auch Schutzstreifen sind in Kreisverkehren rechtlich nicht zulässig; ebenso die Anlage von Schutzstreifen außerorts. Die Einsatzkriterien zur Wahl der Führungsform des Radverkehrs sowie die Gestaltung von Radverkehrsanlagen, so auch Radfahrstreifen und Schutzstreifen , werden in den nachstehenden aktuellen Vorschriftenwerken geregelt:  Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, Ausgabe 2010 (ERA) - eingeführt mit Erlass des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr (MLV) vom 29.08.2011 im Ministerialblatt des Landes Sachsen-Anhalt (MBl. LSA) Nr. 43/2011,  Richtlinien für die Anlage von Landstraßen, Ausgabe 2012 (RAL) - eingeführt mit Erlass MLV vom 01.08.2013 im MBl. LSA Nr. 29/2013,  Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 (RASt 06) - eingeführt mit Erlass MLV vom 18.11.2008 im MBl. LSA Nr. 44/2008.