Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3098 16.05.2014 (Ausgegeben am 16.05.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Geplanter Großschlachthof Bernburg Kleine Anfrage - KA 6/8302 Vorbemerkung des Fragestellenden: Gemäß diverser Presseveröffentlichungen plant das italienische Schlacht- und Fleischwarenunternehmen Bresaole Pini die Errichtung eines Großschlachthofes in Bernburg. Die Ansiedelung ist im Gewerbegebiet unweit des Autobahnkreuzes A 14 und B 6n vorgesehen. Geplant sei die Schlachtung von 1000 Schweinen pro Stunde. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: Welche Kenntnis hat die Landesregierung zu dem oben genannten Vorhaben? Ist ein Schlachthof, ein Schlachthof mit Zerlegebetrieb oder ist nur ein Zerlegebetrieb geplant? Bitte das geplante Vorhaben beschreiben. Ist weiterhin eine Fleisch- und Wurstwarenverarbeitung geplant? Geplant ist laut den der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt GmbH (IMG) und der Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB) vorliegenden Unterlagen ein Schlachthof mit Zerlegbetrieb. Eine über die Zerlegung und Portionierung der Schlachttiere hinausgehende Fleischverarbeitung sowie eine Wurstwarenverarbeitung sind nicht geplant. Frage 2: Falls ein Schlachthof geplant ist, welche Tiere sollen dort in welchem Umfang geschlachtet werden? Bitte stündliche, tägliche und jährliche Schlachtungen angeben. Wie viele Stunden am Tag und wie viele Tage in der Woche soll geschlachtet werden? Wie bewertet die Landesregierung die entsprechende Schlachtkapazität vor dem Hintergrund, dass selbst der bereits bestehende 2 Großschlachthof der Firma Tönnies am Standort Weißenfels mit zurzeit durchschnittlich 15.000 Schweineschlachtungen pro Tag nicht ausgelastet sein soll? Der Investor hat der IMG am 5. Mai 2014 mitgeteilt, dass die maximale Schlachtkapazität 26.000 Schweine pro Tag betragen soll. Über die geplante Schlachtintensität pro Stunde und die Gesamtzahl der jährlichen Schlachtungen liegen keine Angaben vor. Geschlachtet werden soll an fünf Tagen pro Woche im Zweischichtbetrieb. Im Förderantragsverfahren der IB nach der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) wird das Unternehmenskonzept auf Schlüssigkeit geprüft. Dazu gehört neben der geschlossenen Gesamtfinanzierung die Prüfung der ausreichenden Versorgungsmöglichkeit des Vorhabens mit zu schlachtenden Schweinen einerseits und die ausreichende Marktnachfrage andererseits . Der Investor ist von der IB unter Fristsetzung bis zum 30. April 2014 aufgefordert worden, hierzu schlüssige Unterlagen vorzulegen. Diese wurden vom Investor nicht eingereicht. Auch deshalb ist der GRW-Förderantrag mit Schreiben vom 6. Mai 2014 von der IB abgelehnt worden. Frage 3: Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass die derzeit in SachsenAnhalt vorgehaltenen Kapazitäten zur Zucht und Mast von Schweinen bei Weitem nicht den Bedarf des geplanten Schlachthofes decken kann (s. Volksstimme vom 28. März 2014)? Aus welchen Regionen und Ländern werden die Tiere kommen, die in Bernburg geschlachtet werden sollen? Bitte möglichst auch die zeitliche Dauer der Tiertransporte angeben? Werden die zu erwartenden Tiertransporte mit der TierschutzschlachtVO in Einklang zu bringen sein? Der Investor hat auf Nachfrage der IMG und der IB als Herkunftsland der Schweine Deutschland benannt und eine konkretisierende Liste mit Schweinezuchtbetrieben aus Nord- und Mitteldeutschland eingereicht. Angebote oder Absichtserklärungen zur Belieferung wurden nicht vorgelegt. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu Frage 2. Frage 4: Mit wie vielen täglichen Tiertransporten zum Schlachthof muss gerechnet werden (Angabe in Tonnen-LKW-Transporte pro Tag)? Mit wie vielen täglichen Abtransporten (Angabe in Tonnen-LKW-Transporte pro Tag) vom Schlachthof, vom Zerlegebetrieb oder von einer Fleisch- und Wurstwarenverarbeitung muss gerechnet werden? Ist der Landesregierung bekannt, ob Straßen für die zu erwartende Transportkapazität ertüchtigt werden müssen? Wie sollen die Grenzwerte für die zu erwartenden Lärmbelästigungen eingehalten werden - insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass beim derzeitigen Weiterbau der B 6n für den Stadtbereich Bernburg nur in sehr geringem Umfang Schallschutzmaßnahmen vorgesehen sind? Der IMG sind vom Investor 130 LKW-Transporte pro Tag mit jeweils rund 180 bis 200 Schweinen benannt worden. Tonnen-Angaben für die Tiertransporte und zu den Abtransporten liegen nicht vor. Der geplante Ansiedlungsstandort in Bernburg ist unmittelbar an die A 14 angebunden. Die Zufahrt zum vom Investor geplanten Standort liegt rd. 600 m von der nächsten Wohnbebauung und fast 4 km von Bernburg entfernt, unmittelbar an der B6n und am Autobahnzubringer. Die Einhaltung von 3 Lärmgrenzwerten muss im Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geprüft werden; ein Genehmigungsantrag liegt noch nicht vor. Frage 5: Welche Haltungskapazitäten sollen für wie viele Tiere vor der Schlachtung bereitgestellt werden? Stehen die Tiere vor der Schlachtung auf Vollspalten oder planbefestigt auf Stroh? Wird der Schlachthof die Möglichkeit bieten, dass Tierbetreuer bis zum Tötungsprozess das Tier begleiten können? Der IMG wurden Haltungskapazitäten (Stallungen) für insgesamt 2.800 Tiere benannt . Nähere Informationen liegen nicht vor. Frage 6: Welche Betäubungs- und Tötungsverfahren sollen im Schlachthof zur Anwendung kommen? Ausweislich der bei der IMG vom Investor eingereichten Vorhabenbeschreibung ist unter Verwendung von Kohlendioxid eine tierschutzgerechte, für die Schweine stressfreie Betäubung mit sich daran unmittelbar anschließender schmerzfreier Tötung geplant. Frage 7: Gibt es bereits Genehmigungsanträge zum unter Frage 1 genannten Vorhaben ? Wenn ja, welche Verwaltungen haben was beschieden? Nein. Frage 8: Laut Auskunft von Wirtschaftsminister Möllring am 26. März 2014 (Landtagsplenum ) liegt vom italienischen Fleischwarenunternehmen Bresaole Pini ein Fördermittelantrag in Höhe von rund 7,3 Millionen Euro vor, den das Land Sachsen-Anhalt nicht bewilligt hat, da Schlachtbetriebe nicht gefördert werden. In der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sind Schlachthöfe gemäß Punkt 2.4.1 nicht generell von der GRW-Förderung ausgeschlossen . Ausgeschlossen sind allerdings gemäß Punkt 2.4.2 Unternehmen mit mehr als 20 % Leiharbeiteranteil. Wie begründet die Landesregierung die generelle Ablehnung einer Förderung für einen Schlachthof? Ist der Landesregierung bekannt, ob das Unternehmen weitere Förderanträge für das unter Frage 1 genannte Vorhaben - ggf. auch außerhalb der Landesebene (z. B. beim Bund oder bei der EU) - gestellt hat? Wenn ja, in welcher Höhe und für welche Investitionsmaßnahmen? Liegen bereits Bewilligungen vor oder wurden solche in Aussicht gestellt? Nach Ziffer 3.1.1 des Koordinierungsrahmens des Bundes über die GRW vom 11. August 2009 ist die Landwirtschaft, zu der auch die Schlachtung gehört, von der Förderung nach der GRW ausgeschlossen. Förderfähig ist allein die der Schlachtung folgende Verarbeitung. Bei der IB wurde eine Vorhabenförderung daher ausschließlich dafür geprüft. Anderweitige Fördermittelantragstellungen sind der Landesregierung nicht bekannt. 4 Frage 9: In den Medien wird immer wieder berichtet, dass gerade im Bereich von großen Schlachthöfen in großem Umfange osteuropäische Akkordarbeiter zum Einsatz kommen. Laut Auskunft von Wirtschaftsminister Möllring am 26. März 2014 (Landtagsplenum) will das italienische Fleischwarenunternehmen Bresaole Pini 140 Dauerarbeitsplätze am Standort Bernburg schaffen. Sollen neben diesen 140 Dauerarbeitsplätzen weitere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingesetzt werden? Wenn ja, wie viele und welche Form von Vertragskonstruktionen bezüglich der Beschäftigungsverhältnisse sind vorgesehen (z. B. Werkverträge , Leiharbeit)? Im Antrag auf eine GRW-Förderung gab der Investor an, 140 Dauerarbeitsplätze schaffen zu wollen. Gegenüber der IMG hat der Investor am 5. Mai 2014 rd. 2.200 Arbeitskräfte angegeben. Die Vermutung, dass am Standort Bernburg mehr als 20 Prozent Leiharbeitnehmer eingesetzt werden sollen, wurde vom Investor nicht ausgeräumt. Auch aus diesem Grund wurde der GRW-Förderantrag durch die IB abgelehnt . Frage 10: Der Verkauf der benötigten Gewerbefläche über 10 Hektar wurde in einer nichtöffentlichen Stadtratssitzung schon Ende Dezember 2013 beschlossen. Wurde bzw. wird das Grundstück zu dessen gegenwärtigem Bodenrichtwert verkauft? Falls dies nicht der Fall sein sollte: Wird der gegenwärtige Bodenrichtwert durch den Verkaufspreis über- oder unterschritten? Falls der gegenwärtige Bodenrichtwert durch den Verkaufspreis unterschritten wird: Entspricht der vereinbarte Kaufpreis den Anforderungen des § 105 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt, Vermögensgegenstände der Gemeinde in der Regel nur zu ihrem vollen Wert zu veräußern? Falls der gegenwärtige Bodenrichtwert durch den Verkaufspreis unterschritten wird: Stellt dies nach Auffassung der Landesregierung eine europarechtlich genehmigungspflichtige Beihilfe für den Investor dar? Der Kaufvertrag wurde noch nicht abgeschlossen. Ob ein Verkauf zum Bodenrichtwert erfolgen wird, kann erst nach Abschluss des Entscheidungsprozesses der Kommune sowie nach Vorliegen eines Kaufvertragsentwurfes und Prüfung seiner Einzelheiten abschließend bewertet werden. Frage 11: Der geplante Schlachthof soll möglicherweise auf Flächen des alten Autobahnzubringers (B 185n) errichtet werden. Der Straßenkörper des alten Autobahnzubringers wurde in diesem Abschnitt bereits zurückgebaut. Dieser alte Autobahnzubringer wurde zusammen mit dem anschließenden Abschnitt des Neubaus der A 14 Halle - Magdeburg planfestgestellt. Mit der Planfeststellung wurden als Kompensationsmaßnahmen straßenbegleitende Baumpflanzungen entlang des alten Autobahnzubringers festgelegt. Wurden diese planfestgestellten Anpflanzungen von Bäumen in einem Änderungsverfahren aus der Planfeststellung entlassen oder auf andere Weise rechtswirksam überplant? Wenn ja, auf welche Weise, wenn nein, warum nicht? An welcher Stelle sind zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang Ersatzpflanzungen für die planfestgestellten Bäume vorgesehen? 5 Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. Frage 12: Werden nach dem Stand der Technik in Schlachthöfen in einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Größe in der Regel Stoffe verwendet oder gelagert, die in der Stoffliste in Anhang I der Störfallverordnung aufgeführt sind? Welchen Informationsstand hat die Landesregierung diesbezüglich zu dem geplanten Schlachthof in Bernburg? Bitte möglichst auch die Stoffe und die Mengen angeben, die für diesen Schlachthof gelagert und eingesetzt werden sollen. Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen des Investors vor. Frage 13: Werden nach dem Stand der Technik in Schlachthöfen in einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Größe in der Regel Stoffe verwendet oder gelagert, die in Anhang 2 des Leitfadens „Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG“ (Fassung 2010) der Arbeitsgruppe „Überwachung der Ansiedlung“ der Störfallkommission (SFK) und des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit (TAA) aufgeführt sind? Welchen Informationsstand hat die Landesregierung diesbezüglich zu dem geplanten Schlachthof in Bernburg? Bitte möglichst auch die Stoffe und die Mengen angeben, die für diesen Schlachthof gelagert und eingesetzt werden sollen. Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen des Investors vor. Frage 14: Welchen wirtschaftlichen oder finanziellen Nutzen (z. B. durch Gewerbesteuern ) hätte die Stadt Bernburg (Saale) von dem unter Frage 1 geplanten Vorhaben ? Die Stadt Bernburg würde bei einer Ansiedlung von Gewerbesteueraufkommen, der anteiligen Lohnsteuer, Grundsteuer sowie vom Grundstückskaufpreis profitieren. Es würden zudem neue Arbeitsplätze in Bernburg entstehen. Frage 15: Wer zahlt bei der Realisierung eines Schlachthofes für den erforderlichen Ausbau der Infrastruktur wie der Erweiterung der Kläranlage, der Trinkwasserleitung und dem Ausbau der Straßen? Ist der Landesregierung bekannt, mit welcher Kostenhöhe für den Ausbau der Infrastruktur gerechnet wird und ob dafür mit Unterstützungen durch das Land oder andere Fördermittelgeber gerechnet werden kann? Nach erster Einschätzung des zuständigen Wasserzweckverbandes könnten für eine Erweiterung der Kläranlage Bernburg Kosten von etwa 15 Millionen Euro und für die Trinkwasserversorgung einschließlich der Verlegung einer Trinkwasserleitung Kosten von rd. drei Millionen Euro entstehen. 6 Nach von der Presse veröffentlichten Auskünften der Stadt Bernburg hat der Investor signalisiert, dass er sich eine vollständige Übernahme der Kosten für die erforderliche Infrastruktur vorstellen könne. Es liegt in der Selbstverwaltungshoheit der Kommune, die dafür erforderlichen Regelungen mit dem Unternehmen zu vereinbaren . Eine Infrastrukturförderung aus der GRW wegen des für die Schlachtung benötigten Wasser- und anfallenden Abwasseraufkommens scheidet aus. Frage 16: Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass Großvorhaben, über die im Vorfeld nicht ausreichend kommuniziert wurde, in der Vergangenheit immer wieder zu unüberhörbaren Bürgerprotesten geführt haben, die Tatsache , dass die Entscheidung zugunsten eines die Stadt Bernburg und alle ihre Einwohnerinnen und Einwohner beträchtlich tangierenden Großprojektes in nicht öffentlicher Sitzung gefällt wurde und dass zudem mit Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht nach GO des Landes-Sachsen-Anhalt die Stadträte und –rätinnen zur Verschwiegenheit verpflichtet werden sollten? Es ist kommunalrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei der Beschlussfassung des Stadtrates der Stadt Bernburg (Saale) am 12. Dezember 2013 über den Verkauf der Ansiedlungsfläche die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist. Bei Grundstücksverkäufen an Private ist dies durch die obergerichtliche Rechtsprechung anerkannt, da die Verhandlungsposition der Gemeinde gegenüber dem Käufer gegebenenfalls geschwächt werden könnte.