Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3241 30.06.2014 (Ausgegeben am 30.06.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hochwasserschutzmaßnahmen an der Ilse in Osterwieck Kleine Anfrage - KA 6/8351 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Durchgängigkeit oberirdischer Gewässer im Bereich von Stauanlagen soll nach § 34 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) wiederhergestellt werden, soweit die Durchgängigkeit nicht bereits vorher gegeben war. Entsprechend dieser gesetzlichen Forderung wurde im Jahr 2012 im Rahmen von Hochwasserschutzmaßnahmen an der Ilse im Auftrag des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW), Flussbereich Halberstadt, in Osterwieck die alte Wehranlage „Großes Schütt“ abgerissen und durch eine Sohlgleite ersetzt. Mit diesen Baumaßnahmen wurde dieser Bereich der Ilse für wandernde Fischarten passierbar gemacht und auch die Hochwassergefahr für die Stadt Osterwieck verringert. Früher sicherte das Wehr bei Niedrigwasser durch Anstauen den weiteren Zufluss von Wasser aus der Ilse in die Mühlenilse . Der Zufluss zur Mühlenilse wurde im Zuge der Baumaßnahmen mit einem Schieber ausgestattet. Bei der besagten Baumaßnahme bekam die Mühlenilse einen neuen Zufluss. Im ersten Abschnitt vom Zufluss zur Mühlenilse bis zur alten Mühle war und ist die Mühlenilse verrohrt. Laut Berichten der Halberstädter Volksstimme vom 19. Oktober 2012 und vom 27. November 2012 liegt der neue Kanal der Mühlenilse dort etwa 60 cm tiefer als der alte. Nach diesem Zeitungsbericht sollen 10 l pro Sekunde als Mindestmenge Wasser gelten, die auch bei sommerlichen Wasserständen von der Ilse in die Mühlenilse fließen muss. Offenbar handelt es sich bei dieser Abflussmenge um die Mindestwasserführung im Sinne des § 33 WHG. Ortsansässige Bürger haben bereits im Jahr 2012 befürchtet, dass bei niedrigen Ilsewasserpegeln zu wenig Wasser in den Zulauf zur Mühlenilse kommt und die Mühlenilse trocken bleibt. Der Wasserstand in der Mühlenilse ist auch für den Tourismus in der Altstadt Osterwieck von Bedeutung. Diesen Befürchtungen wurde laut Zeitungsbericht von Seiten des LHW entgegnet, dass das Problem für die Mühlenilse weniger der Ilse-Zulauf sei, sondern die fehlende Grundberäumung der Mühlenilse. 2 Im November 2013 erfolgte im Altstadtbereich Osterwieck eine Grundberäumung der Mühlenilse durch den Unterhaltungsverband Ilse-Holtemme. Augenscheinlich hat die Mühlenilse gegenwärtig dennoch eine deutlich geringere Wasserführung als vor dem Abriss des alten Wehrs. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Nach Zeitungsbericht der Halberstädter Volksstimme vom 25. Juli 2013 wurde für die Baumaßnahmen ein Plangenehmigungsverfahren durch das Landesverwaltungsamt durchgeführt, das mit Genehmigung vom 8. Juni 2010 beendet wurde. Wurden in diesem Genehmigungsverfahren für den Bereich Osterwieck die Abflussmengen für die Mindestwasserführung von Ilse und Mühlenilse festgelegt? Wenn ja, durch welche Behörde und zu welchen Zeitpunkten erfolgte dies? Falls die Mindestabflussmengen in einem anderen Genehmigungsverfahren festgelegt wurden, in welchem? Für das Vorhaben „Hochwasserschutzplanung Ilse, Stadtdurchgang Osterwieck , BA IV Wehranlage Osterwieck“ hat die obere Wasserbehörde ein nichtförmliches wasserrechtliches Verfahren zur Außerbetriebsetzung der Wehranlage und Errichtung einer Sohlgleite durchgeführt. Im Genehmigungsbescheid ist der Mindestabfluss für die Ilse mit 200 l/s festgelegt . Für das Gewässer „Mühlenilse“ ist eine dauerhafte Bespannung vorgeschrieben und im Verfahren mit einem mittleren Abfluss von Q = 85 l/s rechnerisch nachgewiesen. Eine Mindestwassermenge ist nicht festgelegt. 2. Auf welche Weise und durch wen wurde die im Sinne des § 33 WHG erfor- derliche Mindestwasserführung für Mühlenilse und Ilse ermittelt und überprüft? Die Mindestwasserführung wurde im Rahmen der Planung ermittelt und durch den Gewässerkundlichen Landesdienst im Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) geprüft. 3. Wurden an dem mit Frage 1 erfragten Genehmigungsverfahren Denkmal- schutzbehörden (obere und untere Behörde, Fachamt) beteiligt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, auf welche Weise? Nein. Es lagen keine Hinweise auf Betroffenheiten in den Genehmigungsunterlagen oder den Stellungnahmen der beteiligten Behörden vor. 4. Hält die Landesregierung es für möglich, dass bei dauerhaft niedrigerer Wasserführung der Mühlenilse in deren räumlicher Nähe der vor der Durchführung der Baumaßnahme existierende durchschnittliche Grundwasserspiegel sinkt? Nein. Es ist nicht zu erwarten, dass der durchschnittliche Grundwasserspiegel durch die niedrigere Wasserführung in der Mühlenilse absinkt. 3 5. Wurde bei der Festlegung der Mindestwasserführung für die Mühlenilse berücksichtigt, dass womöglich das Gründungsholz von denkmalgeschützten Gebäuden in der Altstadt von Osterwieck verrotten kann, wenn es nicht durch konstante Bodenfeuchtigkeit gegen Austrocknen geschützt wird? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welcher Weise und mit welchem Ergebnis? Nein. Der Grundwasserspiegel liegt unterhalb der Gewässersohle der Mühlenilse . 6. Welche Abflussmengen wurden im Bereich Osterwieck für die Mindest- wasserführungen von Ilse und Mühlenilse festgelegt? Wie unterscheiden sich diese Abflussmengen von den tatsächlichen Abflussmengen der beiden Gewässer vor dem Abriss der Wehranlage „Großes Schütt“? Zur Festlegung der Mindestwassermenge wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Vor dem Abriss der Wehranlage „Großes Schütt“ war die Wehrtafel der Anlage „Großes Schütt“ überwiegend gesetzt und das Wehr im Einlaufbauwerk zur Mühlenilse gezogen. Hierdurch wurde der Einlaufbereich überstaut und ein permanenter Abschlag in die Mühlenilse erzeugt. Dies führte im Niedrigwasserfall dazu, dass die Ilse zwischen dem „Großen Schütt“ und dem Zulauf der Mühlenilse trocken fiel. In den Wintermonaten musste zur Verhinderung des Einfrierens der Anlage das „Große Schütt“ zeitweise gezogen werden. Aufgrund der damaligen Sohllagen konnte in diesem Fall kein Ilsewasser in die Mühlenilse abgeschlagen werden. Durch die nun realisierte Maßnahme mit gleichen Sohlhöhen der Sohlgleite und des Einlaufbauwerkes ist eine permanente Bespannung der Mühlenilse mit einem mittleren Abfluss von Q = 85 l/s gegeben. 7. Wurde die Einhaltung der festgelegten Mindestwasserführung der Mühle- nilse nach Fertigstellung der Baumaßnahme durch Messungen vor Ort überprüft? Wenn ja, zu welchen Zeitpunkten? Wenn nein, warum nicht? Die Bauabnahme der Sohlgleite Osterwieck erfolgte am 13. Dezember 2012 und 19. Dezember 2012 mit dem Ergebnis, dass die Sohlgleite entsprechend der Genehmigung errichtet worden ist. Der LHW hat am 12. Mai 2014 und 6. Juni 2014 Stichtagsmessungen in der Mühlenilse und dem angeschlossenen Umflutgraben durchgeführt, die die Funktionalität der Bauwerke bestätigt haben. 8. Sieht die Landesregierung mögliche Beeinträchtigungen des Zuflusses in die Mühlenilse durch Treibgut an der Schiebertafel am Zufluss in die Mühlenilse ? Wenn ja, lassen sich diese Beeinträchtigungen des Zuflusses in die Mühlenilse durch bauliche Veränderungen des Rechens vor dem Schieber oder des Schiebers selbst wesentlich reduzieren? 4 Zur Verhinderung einer möglichen Beeinträchtigung des Zuflusses in die Mühlenilse durch Treibgut an der Schiebertafel am Einlaufbauwerk der Mühlenilse wurde ein Rechen installiert. Dieser wird durch den LHW wöchentlich beräumt. 9. Kann die geringe Wasserführung der Mühlenilse bei niedrigen Ilsewas- serpegeln nach Auffassung der Landesregierung dadurch verbessert werden, dass in Osterwieck weniger Wasser von der Mühlenilse in den Umflutgraben um die Altstadt geleitet wird? Falls ja, bei welcher Stelle liegt hierfür die Verantwortung? Messungen des LHW an der Mühlenilse belegen, dass die Steuerung des Zuflusses in den Umflutgraben den Abfluss in der Mühlenilse beeinflusst. Wenn der Abfluss in den Umflutgraben gedrosselt wird, fließt im Bereich der Altstadt mehr Wasser durch die Mühlenilse. Der Zufluss wird durch die Stadt gesteuert. 10. Welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Landesregierung möglich, um die Wasserführung der Mühlenilse wieder deutlich anzuheben, ohne gleichzeitig die Mindestwasserführung der Ilse im Parallelabschnitt zu gefährden ? Welche Stellen wären ggf. für die Umsetzung dieser Maßnahmen verantwortlich? Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation im Niedrigwasserfall sind: ‐ Regelmäßige Sohlberäumung der Mühlenilse ‐ Anpassung des Gewässerbettes der Mühlenilse (Niedrigwasserrinne, Ber- men, Störsteine etc.) ‐ Einbau von weiteren Staustufen (garantierter Wasserstand auch bei geringen Abflüssen) ‐ Drosselung der Abflussmenge in den Umflutgraben Für die Umsetzung der Maßnahmen des ersten Anstrichs wäre der Unterhaltungsverband Ilse-Holtemme zuständig, für die Drosselung der Abflussmenge in den Umflutgraben die Stadt Osterwieck und für die übrigen der jeweilige Antragsteller .