Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3277 15.07.2014 Hinweis: Die Anlage ist als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick im Netz den Acrobat Reader. (Ausgegeben am 15.07.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ralf Bergmann (SPD) Bebauungspläne in Überflutungsgebieten Kleine Anfrage - KA 6/8383 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung hinsichtlich des Vorha- bens der Stadt Gommern, auf dem ehemaligen Gelände der Roten Schule ein Gebiet für die Wohnbebauung auszuweisen, obwohl diese Fläche entsprechend eines HQ 100 ein Überflutungsgebiet ist? Dem Landesverwaltungsamt (LVwA) wurde der Vorentwurf des Bebauungsplanes Nr. 01-2010 „Große Gartenstraße“ der Stadt Gommern - Stand März 2012 - bekannt. In der Folge gab das LVwA der Stadt mit Schreiben vom 21.03.2012 den Hinweis, dass sich das Plangebiet in einem Überschwemmungsgebiet nach § 76 Abs. 3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) befindet. Gem. § 76 Abs. 3 WHG sind noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern. Im Anschluss erfolgte die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes durch Rechtsverordnung. Das Baugebiet „Große Gartenstraße“ befindet sich zum Teil in diesem festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Ehle. Nach § 78 Abs. 1 Nummer 1 WHG ist die Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch grundsätzlich untersagt. Nach § 78 Abs. 2 WHG kann die zuständige Behörde abweichend die Ausweisung neuer Baugebiete im Einzelfall zulassen, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt und keine baulichen Schäden zu erwarten sind. Dem LVwA wurde der Entwurf des o. g. Bebauungsplanes am 11.06.2014 zur Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange vorgelegt . Eine Stellungnahme wurde bisher nicht abgegeben. 2 Zwischenzeitlich hat der Landkreis als zuständige untere Wasserbehörde die erforderliche Ausnahmegenehmigung am 19.05.2014 für den in Rede stehenden Bebauungsplan nach § 78 Abs. 2 und 3 WHG erteilt (vgl. Anlage). Die Landesregierung sieht, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden, aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Planungshoheit der Kommune, keine Eingriffsmöglichkeit. 2. Wie sollte sich der Landkreis in seiner Funktion als Genehmigungsbehör- de für den Bebauungsplan für das Baugebiet an der Großen Gartenstraße in Gommern nach Ansicht der Landesregierung verhalten? Antwort bitte begründen. Der Bebauungsplan „Große Gartenstraße“ wird auf der Grundlage des § 13a Baugesetzbuch (BauGB) als „Bebauungsplan der Innenentwicklung“ aufgestellt. Damit entfällt eine Genehmigung durch den Landkreis, da diese nur in den in § 10 Abs. 2 BauGB genannten Fällen erforderlich ist. Der Flächennutzungsplan ist auf dem Wege der Berichtigung anzupassen. Der Landkreis sollte darauf hinweisen, dass im Bebauungsplan Überschwemmungsgebiete nach § 9 Abs. 5 BauGB gekennzeichnet werden sollen. Zusätzlich sollte auf dem Bebauungsplan ein Hinweis angebracht werden, dass Bauvorhaben einer Ausnahmegenehmigung der zuständigen Wasserbehörde (Landkreis) nach § 78 Abs. 3 WHG i. V. m. § 101 Abs. 2 des Wassergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (WG LSA) bedürfen. Diese Genehmigung ist auch dann erforderlich, wenn die Bauvorhaben nach § 61 Abs. 2 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) (bau-)genehmigungsfrei gestellt sind. 3. Hält es die Landesregierung für angemessen, wenn Vertreter des LHW gegenüber dem Stadtrat von Gommern noch einmal auf die Probleme der Bebauung in Überflutungsgebieten hinweisen? Die Landesregierung hält es durchaus für angemessen, wenn Vertreter des LHW gegenüber dem Stadtrat von Gommern auf die Probleme der Bebauung in festgesetzten Überschwemmungsgebieten hinweisen. Allerdings trifft die Stadt die endgültige Entscheidung über den Bebauungsplan im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungshoheit. Landkreis Jerichower Land 74 Ii 1117 Genthin, 19.05. 2014 7402/ Frau Lipfert Maßnahme Bauleitplanung der Stadt Gommern Bebauungsplanes Nr. 01-2010 „Große Gartenstraße" Ort: Gommern, Große Gartenstraße Stellungnahme: Das Vorhaben befindet sich im festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Ehle. Gemäß § 101 Abs. 2 WG LSA entscheidet für einen Bauleitplan oder ein Einzelvorhaben im Überschwemmungsgebiet gemäß § 78 Abs.2 Wasserhaushaltgesetz die zuständige Behörde (Baubehörde) im Benehmen mit der Wasserbehörde. Folgt die zuständige Behörde der Stellungnahme der Wasserbehörde nicht, hat sie dies der Wasserbehörde schriftlich zu begründen. Das Benehmen ist mit folgender Ausnahmegenehmigung hergestellt: Ausnahmegenehmigung für den Bebauungsplan Nr.1-2010„Große Gartenstraße" in der Stadt Gommern gemäß § 78 Abs. 2,3 WHG i. V. m. § 101 Abs. 2 Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt (WG LSA) Gemarkung: Gommern, Flur 3, Flurstücke 260/29, 695/29, 10025, 10226,10227, 10228, 29/14, 29/12, 29/11, 706/29, 705/29, 29/9 MTBL Nr.3836 h: ca. 5786190 r.ca: 4481 374 Gauß- Krüger- Koordinatensystem RD 83, Bessel- Ellipsoid, LS 110 2. Nebenbestimmungen 2.1 Die Genehmigung erlischt, wenn mit der Ausführung der Planungen nicht binnen 2 Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen oder wenn die Ausführung mehr als 2 Jahre unterbrochen wird. Die Genehmigung kann auf Antrag verlängert werden. 2.2 Bei der Errichtung der Anlagen hat der Bauherr die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten und die im Bauwesen erforderliche Sorgfalt anzuwenden. 2.3 Einschränkungen des Überschwemmungsgebietes durch sonstige das Abflussgeschehen beeinträchtigende Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Grundstücke sind dem Landkreis Jerichower Land zur Entscheidung vorzulegen. 2.4 Der Bauherr hat sich eigenständig über die Entwicklung eines Niederschlags- und Hochwasserereignisse zu informieren und dementsprechende Vorkehrungen für sich und Dritte zu treffen (Verhaltensvorsorge). 1. Örtliche Lage Land: Landkreis Sachsen-Anhalt Jerichower Land 2.5 Der Bauherr ist für eine hochwasserangepasste Bebauung (Bauvorsorge) verantwortlich. Als wichtige Planungshilfe für Bauherren, Planer und Architekten ist die Hochwasserschutzfibel des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung von 2013 zur Vermeidung von Hochwasserschutzschäden zu nutzen. 2.6 Der Bauherr hat bei einem Hochwasserereignis Maßnahmen zur Sicherung der auf dem Grundstück vorhandener Anlagen vorzunehmen. 2.7 Der Bauherr hat Risikovorsorge durch Eigenvorsorge zu treffen. Es besteht Haftungsausschiuss gegenüber Dritten wie dem Landkreis Jerichower Land. 2.8 Der Bauherr ist für den ordnungsgemäßen Zustand und die Funktionsfähigkeit des Bauwerkes verantwortlich. Er haftet für alle Schäden, die aus der Errichtung, dem Bestehen, dem Betrieb und der Unterhaltung derselben entstehen. 2.9 Der Bauherr haftet für Hochwasserschäden, die infolge der Maßnahme bei Dritten entstehen können. 2.10 Bei Eigentümerwechsel gehen die Bestimmungen der Genehmigung auf den neuen Eigentümer über. 2.11 Werden Änderungen erforderlich, sind diese vor Beginn der Bausausführung bei der Genehmigungsbehörde zu beantragen. Begründung: Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes ist es beabsichtigt nach dem mittlerweile erfolgten Abriss des Gymnasiums „Rote Schule" zeitnah ein Wohngebiet zu realisieren, um in der innerstädtischen, gut integrierten Lage, den städtebaulichen Missstand zu beseitigen. Grundlage der Entscheidung sind die Planungsunterlagen mit Stand März 2014 (Auslegungsbeschluss Nr. 34/2014) bestehend aus Begründung, Bebauungsplan, textlichen Festlegungen und Flächenbilanz. Nach den vorliegenden Überschwemmungskarten des festgesetzten Überschwemmungsgebietes sind große Teile des Bebauungsplanes betroffen. Die Ausweisung des Baugebietes kann entsprechend § 78 Abs.2 zugelassen werden, weil: 1. Der Bebauungsplan bezieht sich auf die Nachnutzung und den Wechsel der Bebauung des zuvor bereits bebauten Geländes insbesondere mit dem Gymnasium „Rote Schüfe" und mit ihren baulichen Nebenanlagen. Mit der festgelegten Grundflächenzahl von 0,3 wird der Versieglungsgrad gegenüber der Altbebauung verringert. Die Möglichkeit eine so gute Nachnutzung zu erreichen, besteht an keiner anderen Stelle in der Stadt. 2. Das auszuweisende Gebiet grenzt an bestehende Baugebiete. 3. Entsprechend dem Hochwasserschutzplan der Ehle würde bei einem HQ100 eine Wassertiefe von 0 m- 0,5 m über dem vorhandenen Gelände anstehen (Angaben ohne Gewähr). Bei einer vorhandenen mittleren Geiändehöhe von 51,00 m entspräche das einem Wasserstand von 51,50 m. . Mit der Festlegung der Mindesthöhe des fertigen Erdgeschossfußbodens auf 52,00 m. ü. DHHN 92 wäre ein Freibord von 0,50 m gegeben. Durch das ansteigende Gelände von der Hagenstraße zur Gartenstraße erhöht sich der Freibord bis zu 1,00 m. Ein Freibord von 0,50 m wird als angemessen eingeschätzt Wind- und Wellenschlag können bei einem Hochwasserereignis hier vernachlässigt werden. Diese würden nur bei Extrem Wetterlagen notwenig werden. Eine Gefährdung von Leben oder erhebliche Gesundheits- oder Sachschäden sind unter diesen Voraussetzungen nicht zu erwarten. 4 . Der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes werden nicht nachteilig beeinflusst, da an dem Standort bereits eine Bebauung mit einem Versiegelungsgrad mit einer Grundflächenzahl von 0,3 vorhanden war. 5. Resultierend durch den Wechsel von Alt- zur Neubebauung ist die Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich der Begrenzung des Versiegelungsgrades von einer zulässigen Grundflächenzahl von 0,3 ist der Verlust von verlorengehendem Rückhalteraum nicht gegeben. Die Notwendigkeit eines Ausgleichs ist damit nicht erforderlich. 6. Hochwasserschutzanlagen sind in diesem Gebiet nicht vorhanden. Demzufolge kann ein Solcher nicht beeinträchtigt werden. 7. Resultierend durch den Wechsel von Alt- zur Neubebauung und hinsichtlich der Begrenzung des Versiegelungsgrades von einer zulässigen Grundflächenzahl von 0,3 sind keine nachteiligen Auswirkungen auf Oberlieger und Unterlieger zu erwarten. 8. Die Belange der Hochwasservorsorge sind dahingehend berücksichtigt, dass der Bezugspunkt für die Höhe der Oberkante Fertiger Fußboden mit min. 52,00 m ü. HN festgesetzt ist. Der Höhenfestpunkt mit 52,41 m. ü. HN ist vorhanden. Mit der Festsetzung eines Gewässerrandstreifens entlang der Alten Ehle (Mühlengraben) ohne Bebauung und Bepflanzung als Retentionsfläche und ein Spielplatz als weitere öffentliche Fläche werden Schutzmaßnahmen geschaffen und der private Nutzungsdruck ausgeschlossen. Dadurch ist auch Platz für mögliche Hochwasserschutzmaßnahmen wie Sandsackverbau gegeben. 9. Mit den textlichen Festlegungen zu dem Bau von Kellern sind bauliche Schäden nicht zu erwarten Zum Schutz vor einer Gefahr ist die Forderung der Verhaltensvorsorge, Bauvorsorge und Risikovorsorge durch Eigenvorsorge gerechtfertigt. Sie ist angemessen und verhältnismäßig. Hinweise: Die Genehmigung enthält nicht die Zusicherung, dass im Hochwasserfall an dem genehmigten Vorhaben kein Schaden eintreten wird. Ein Hochwasserereignis und dementsprechend die Höhe des Wasserstandes kann nicht vorher gesagt werden.