Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3322 25.07.2014 (Ausgegeben am 28.07.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Begabungsdiagnostische Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) Kleine Anfrage - KA 6/8404 Antwort der Landesregierung erstellt vom Kultusministerium Frage 1: Welche Ziele verfolgt die Landesregierung mit der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) an der Martin-Luther-Universität? Die Beratungsstelle BRAIN-ST hat eine Mehrfachfunktion. Sie ist ein offenes Angebot an Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte, die Beratung und eine psychologische Fachdiagnostik im Bereich der (Hoch-) Begabung suchen. Im Rahmen ihrer Kapazität wirkt sie darüber hinaus bei der Fortbildung von Lehrkräften an Schulen mit. BRAIN-ST berät und begleitet die staatlichen Fachinstitutionen, wie das Kultusministerium und das Landesschulamt bei der Entscheidungsfindung für eine Schullaufbahn im Einzelfall und bei der Unterbreitung von pädagogischen Förderangeboten . BRAIN-ST führt keine weiterführende Behandlung im Sinne einer Psychotherapie oder langzeitlich angelegten Erziehungsberatung durch. Außerdem bietet BRAIN-ST keine Förderkurse, Trainings oder Ähnliches an. Bei gravierenden Problemen von Schulkindern unterstützt BRAIN-ST Elternhaus und Schule jedoch dabei, qualifizierte Anlaufstellen zu finden, die eine entsprechende Förderung Betreuung oder gegebenenfalls Behandlung anbieten können. Frage 2: Wie ist die Begabungsdiagnostische Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) aufgebaut? Die Beratungsstelle ist fachlich als auch organisatorisch eingegliedert in die Philosophische Fakultät III Erziehungswissenschaften am Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie des Instituts für Pädagogik. Sie wird geleitet von Prof. Dr. Christoph Gallschütz. Mit einem Arbeits- und einem Beratungsraum befindet sie sich im Hans- 2 Ahrbeck-Haus (Haus 31) der Franckeschen Stiftungen. Die Diagnostik- und Beratungstätigkeit wird von zwei Diplompsychologinnen durchgeführt, die mit je einer halben Vollzeitstelle beschäftigt sind. Diese Mitarbeiterinnen wurden in der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle der Philipps-Universität Marburg, dem Kooperationspartner von BRAIN-ST, ausgebildet und eingearbeitet um eine hochwertige psychologische Diagnostik und Beratung zu gewährleisten. Die Anbindung an die MartinLuther -Universität Halle/Wittenberg garantiert die Unabhängigkeit und die grundsätzliche Orientierung an aktuellen wissenschaftlichen Standards. Der Kooperationsvertrag mit der Universität Marburg - BRAIN Hessen stellt sicher, dass von den langjährigen Erfahrungen profitiert werden kann (u. a. durch Hospitationen, Fachreferate, Nutzung dortiger Studienergebnisse). BRAIN-ST arbeitet nach dem Vorbild von Hessen und wendet ein gestuftes Vorgehen in der Einzelfallberatung an. Nach einer ersten Einschätzung des konkreten Falls in der Telefonsprechstunde werden Eltern und Kind, wenn eine Diagnostik angeraten scheint, zu einem Erstgespräch in die Beratungsstelle gebeten. Die eigentliche Diagnostik findet an einem zweiten Termin statt. Das zu begutachtende Kind verbringt dann einen ganzen Vormittag bei BRAIN-ST. Abschließend werden die Eltern zu einem ausführlichen Auswertungs-und Beratungsgespräch eingeladen. Sie erhalten außerdem ein umfassendes schriftliches Gutachten über die Ergebnisse der Diagnostik . Anfragen von Lehrkräften, Eltern oder anderen Personen beantwortet BRAIN-ST telefonisch , per Mail oder im persönlichen Gespräch nach Vereinbarung. Gleiches gilt für Fortbildungen und Fachvorträge. Frage 3: Wie beurteilt die Landesregierung die Arbeit der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN- ST)? Die Landesregierung schätzt BRAIN-ST als unverzichtbar ein, da sich in verschiedenen Einzelfallberatungen und Diagnostiken gezeigt hat, dass durch die Tätigkeit von BRAIN-ST unabhängige und wissenschaftlich anerkannte Gutachten und differenzierte Beratungsergebnisse zu Fragen der (Hoch-) Begabung entstehen. Eltern nehmen das unabhängige, kostenfreie und außerhalb von Ämtern befindliche Angebot zur Beratung oder Überprüfung einer vermuteten oder anderweitig festgestellten Hochbegabung an. Sie erlangen dadurch mehr Sicherheit für zu treffende Entscheidungen bezüglich der Schullaufbahn ihres Kindes, der Auswahl und Nutzung von Fördermöglichkeiten u. a. m. Das Landesschulamt nutzt die Empfehlungen von BRAIN-ST bei der Entscheidung in Einzelfallfragen, zum Beispiel bei der individuellen Lernplanung, bei Fragen des Überspringens, der vorzeitigen Einschulung usw. Mit BRAIN-ST wurde eine „Lücke“ zwischen Beratung, Fortbildung, Diagnostik und Förderung geschlossen. Frage 4: Wie viele Beratungen wurden seit der Einrichtung der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) durchgeführt? Woher kamen die Beratungssuchenden, welches war die Zielsetzung der Beratungen (z. B. Hochbegabungsdiagnostik, therapeutische Begleitung bei Schulproblemen ) und welche Erfolge erzielten die Beratungen? Bitte getrennt pro Jahr seit der Eröffnung der BRAIN-ST angeben. 3 Seit Bestehen von BRAIN-ST wurden 161 Beratungen von anfragenden Eltern durchgeführt (siehe anliegende Übersicht). Mit jeder Beratung verbinden sich Folgetermine , die nicht als neue Beratungsanfrage bewertet werden. Die Beratungssuchenden kamen wegen verschiedenster Fragen. Die Zielsetzungen bei den Beratungen waren unterschiedlich und lagen neben der Diagnostik einer (Hoch-) Begabung bei Beratungen zu Schullaufbahnen, zu Entwicklungsproblemen etc. Die therapeutische Begleitung bei Schulproblemen gehört nicht zu den Aufgaben von BRAINST und war daher kein Gegenstand (siehe Antwort zu Frage 1). Eine Erfolgsmessung ist direkt nach den Beratungen nur in Hinsicht auf die Zufriedenheit der Beratungssuchenden möglich. Langfristige Auswirkungen zum Beispiel auf die schulische Laufbahn lassen sich nicht im direkten Zusammenhang und in zeitlicher Nähe darstellen (siehe dazu auch Antwort zu Frage 5). Tabelle: Beratungen der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) seit der Eröffnung im September 2012 bis zum Schuljahr 2013/2014 Jahr An- zahl Bera ratun - gen Woher ? Ziele der Beratungen (Beratungsanlässe) Maßnahmen 2012 (ab Septem - ber) 15 Aus Sachsen - Anhalt: 100 % schulische Leistungsprobleme 9 % Beratung am Telefon ausreichend : 27 % Informationsmaterial zugeschickt : 27 % Diagnostik bei BRAIN-ST: 46 % Verweis an andere Stelle: 9 % Probleme mit Lehrkräften 9 % soziale Probleme (Peers) 9 % präventiv 9 % Langeweile/Unterforderung bei guter schulischer Leistung 18 % Diskrepante Entwicklung (intellektuell/sozioemotional ) 9 % Suche nach Fördermöglichkeiten 18 % Bescheinigung der Hochbegabung zur Vorlage 9 % internalisierendes Verhalten 9 % externalisierendes Verhalten 55 % Schullaufbahnberatung /Schultypwechsel 9 % 2013 86 Aus Sachsen - Anhalt: 97,5 % Langeweile/Unterforderung bei guter schulischer Leistung 20 % Beratung am Telefon ausreichend : 59 % Informationsmaterial zugeschickt : 10 % schulische Leistungsprobleme 13 % Probleme mit Lehrkräften 1 % soziale Probleme (Peers) 15 % Verhaltensauffälligkeiten 3 % 4 Schullaufbahnberatung 4 % Diagnostik bei BRAIN-ST: 36 % Verweis an andere Stelle: 9 % präventiv 10 % Diskrepante Entwicklung (intellektuell/sozioemotional ) 7 % Suche nach Fördermöglichkeiten 25 % Überforderung der Eltern 6 % Erziehungsprobleme 1 % Bescheinigung der HB zur Vorlage 9 % Absicherung Diagnose 1 % internalisierendes Verhalten 10 % externalisierendes Verhalten 6 % Überspringen 15 % vorzeitige Einschulung 12 % Schule für HB 10 % Schullaufbahnberatung /Schultypwechsel 4 % 2014 (bis 1. Juli) 56 Aus Sachsen - Anhalt: 96 % Langeweile/Unterforderung bei guter schulischer Leistung 28 % Beratung am Telefon ausreichend : 48 % Informationsmaterial zugeschickt : 6 % Diagnostik bei BRAIN-ST: 46 % Verweis an andere Stelle: 23 % Frage 5: Wie wird die Beratung der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen -Anhalt (BRAIN-ST) von den Familien bewertet? Liegen hierzu der Landesregierung Erkenntnisse vor? Bei BRAIN‐ST wird auf eine kontinuierliche Dokumentierung der Anfragen und Beratungsfälle geachtet. Die Familien, deren Kinder bei BRAIN-ST getestet worden, werden postalisch dazu aufgefordert die Qualität des Beratungsangebotes einzuschätzen . Hierfür erhalten sie zwei Wochen nach Abschluss des Begutachtungsprozesses sowie nach einem halben Jahr einen Evaluationsfragebogen, um kurzfristige und mittelfristige Effekte der Empfehlungen und die Zufriedenheit mit der Beratung zu erfassen . Die bisherigen eingegangenen Rückmeldungen waren durchweg positiv. Alle Eltern gaben an, inhaltlich zufrieden bis sehr zufrieden mit der Beratung zu sein und empfanden diese als zielführend, informativ und verständlich. Darüber hinaus waren 96 % der Eltern zufrieden bis vollkommen zufrieden mit der Arbeit der Beraterinnen. In der Wahrnehmung der Beratungssuchenden konnten sich 5 die Mitarbeiterinnen gut in die Situation der Familie einfühlen, waren freundlich, gingen auf alle Probleme/Fragen ein und wirkten kompetent. Mittelfristig trat bei allen Kindern/Jugendlichen der antwortenden Eltern eine Besserung ein und die Eltern bewerteten die Beratung weiterhin als zufriedenstellend. Zudem berichteten die Eltern von einem aufgeklärteren Umgang mit dem Thema Begabung allgemein und der Begabung des eigenen Kindes. Frage 6: Wie ist die Zusammenarbeit der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) mit anderen psychologischen Diensten im Lande organisiert? Die Begabungsdiagnostische Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) steht in kontinuierlichem Austausch mit den Mitarbeiterinnen der Landesweiten Koordinierungs - und Beratungsstelle des Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) und unterstützt diese in ihrer Beratungsarbeit mit fachlicher Expertise. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen (z. B. dem Staatliches Seminar für Lehrämter, dem Landesschulamt, Beratungsstellen zu verwandten Themen) fortwährend durch Vorträge, Bereitstellung von Flyern und E-Mailkontakt aufgebaut und gefestigt. Schulpsychologische Referentinnen und Referenten wenden sich an BRAIN-ST mit Beratungsanfragen oder zu fachlichen Diskussionen. Von ihnen vorgenommenen Begutachtungen fließen, wenn Eltern diese zur Verfügung stellen, in die Gesamtbetrachtung von Einzelfällen ein. Von niedergelassenen Gutachtern, Psychologen oder (Kinder-) Ärzten vorgenommenen Begutachtungen bleiben im Falle einer Diagnostik bei BRAIN-ST außer Betracht um die unabhängige Sichtweise unter Einsatz der festgelegten Testverfahren nicht zu beeinträchtigen. Frage 7: Wie viele und welche Publikationen wurden bisher von der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) herausgegeben? Bitte genaue Literaturangaben inklusive Publikationsjahr und Publikationsorgan. Es wurden bisher keine Publikationen herausgegeben. Dies ist nicht vorrangige Zielstellung von BRAIN-ST (siehe Antwort zu Frage 1). BRAIN-ST bearbeitet im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit Themen und Anfragen in den Universitätsnewslettern, gestaltet Fachvorträge oder Fortbildungen. Am 10.10.2013 wurde zum einjährigen Bestehen der Beratungsstelle und im Rahmen der „Pädagogischen Woche“ der Philosophischen Fakultät III ein landesweiter Fachtag „Begabtenförderung in SachsenAnhalt “ organisiert, auf dem sich inhaltlich mit den wissenschaftlichen Grundlagen von (Hoch-) Begabung und den sich daraus ableitbaren Konsequenzen und Herausforderungen für die pädagogische Praxis beschäftigt wurde. 6 Frage 8: Wie ist das Drittmittelaufkommen der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST)? Wie viele Drittmittelanträge wurden bisher eingereicht? Wie hoch war das Volumina, bei wem wurden sie eingereicht und wie waren die Erfolge? Die Begabungsdiagnostische Beratungsstelle Sachsen-Anhalt (BRAIN-ST) verfügt nicht über Drittmittelaufkommen. Die Finanzierung von BRAIN-ST erfolgt vom Kultusministerium mit dem im Haushalt ausgewiesenen Finanzvolumen in Höhe von 70 T€ pro Jahr. BRAIN-ST ist berechtigt, von Beratungssuchenden freiwillige Spenden in der von den Spendenden selbst festzulegenden Höhe einzunehmen. Vonseiten der Eltern kamen BRAIN-ST Spendengelder in Höhe von insgesamt € 1.381,88 zu. Diese Einnahmen werden auf einem Spendenkonto angesammelt und dienen der ergänzenden Ausstattung von BRAIN-ST (Materialien; Literatur; Hilfskräfte etc.) sowie der Bezahlung von Kosten, die sich aus der Kooperation zwischen BRAIN Marburg und BRAIN-ST ergeben und die nicht durch die vom Kultusministerium Sachsen -Anhalt bewilligten Mittel gedeckt sind. Frage 9: Wie wird die Arbeit der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle SachsenAnhalt (BRAIN-ST) evaluiert? Hat es in der Vergangenheit eine Evaluation gegeben ? Ist für die Zukunft eine solche geplant? Falls ja, wann und wenn nicht, warum nicht? BRAIN-ST legt gemäß Vereinbarung jährlich einen Sachbericht vor, in dem die wichtigsten Tätigkeitsbereiche dargestellt werden. Derzeit liegen der Sachbericht 2012 bis Januar 2013 und der Sachbericht 2013 vor. Dazu werden alle Beratungsgesuche und Gespräche, telefonisch oder per E-Mail, in standardisierter Weise dokumentiert, Informationen über den Beratungsanlass, den/die Beratungssuchenden, das betreffende Kind und nachfolgende Maßnahmen erfasst und anonymisiert gespeichert. Im Sachbericht sind diese Daten aufbereitet dargestellt. Außerdem beinhaltet dieser Bericht Informationen zum Personal bzw. zur Personalentwicklung, zu Anschaffungen, Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationen und Anpassungen in den Arbeitsabläufen. Er wird mit dem Kultusministerium ausgewertet und dient der internen Evaluation. Konzeptionell orientiert sich BRAIN-ST an dem Vorbild aus Hessen, der dortigen begabungsdiagnostischen Beratungsstelle BRAIN Marburg, die seit 15 Jahren unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Detlef Rost von der Philipps-Universität Marburg geführt wird. Sachsen-Anhalt verfügt über einen Kooperationsvertrag mit BRAIN Marburg, der unter anderem regelt, dass eine interne Qualitätssicherung durch die Mitarbeiterinnen der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle in Marburg stattfindet. Hierzu gehören unter anderem das regelmäßige, stichprobenartige Supervidieren der schriftlichen Gutachten und entsprechende Rückmeldungen. Des Weiteren stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von BRAIN Marburg mit ihrer langjährigen Erfahrung für Fragen bezüglich Beratungstätigkeit, Diagnostik und allgemeiner Arbeitsabläufe zur Verfügung. Darüber hinausgehende Evaluierungen werden derzeit als nicht notwendig erachtet und sind daher nicht geplant.