Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3323 28.07.2014 (Ausgegeben am 29.07.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Postüberwachung bei Ermittlungsverfahren Kleine Anfrage - KA 6/8385 Vorbemerkung des Fragestellenden: In einem Artikel vom 9. Januar 2013 berichtete die Berliner Zeitung, dass aus Akten, die dem 2. Untersuchungsausschuss im Bundestag zur Verfügung stehen, hervorgeht , dass die Staatsanwaltschaft Berlin in Ermittlungsverfahren den Verfassungsschutz beauftragt hat, Briefe von Beschuldigten zu öffnen und zu kopieren. Es handelte sich um ein Verfahren nach § 129 Strafgesetzbuch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der Zeitung liegt in dem Zusammenhang ein Vermerk der Bundesanwaltschaft vom 18. April 2001 über ein Telefonat mit einem Berliner Oberstaatsanwalt vor, worin der Beamte mitteilt, „dass nach der in Berlin üblichen Praxis die Öffnung der eingehenden Post durch Beamte des Landesamtes für Verfassungsschutz erfolgt, die Sendung abgelichtet und der Briefumschlag umgehend wieder verschlossen wird. Die wieder verschlossene Sendung wird daraufhin dem zuständigen Staatsanwalt nebst Ablichtung vorgelegt, welcher nach Sichtung über die Beschlagnahme entscheidet (...).“ Das Verfassungsschutzamt sei deswegen eingeschaltet worden, da nur dort Post unauffällig geöffnet und wieder verschlossen werden könne. „Im Übrigen sei eine persönliche Überwachung der Öffnung durch einen Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft organisatorisch und zeitlich nicht möglich“, heißt es weiter. Die Zeitung berichtet weiter, dass ein solches Vorgehen gegen die Strafprozessordnung verstoße, denn darin heißt es in § 100: „Die Öffnung (...) steht dem Gericht zu. Es kann diese Befugnis der Staatsanwaltschaft übertragen.“ Die Staatsanwaltschaft könne „ihre im Polizeidienst tätigen Hilfsbeamten“ damit beauftragen, muss dies aber beaufsichtigen . Die Berliner Senatsjustizverwaltung hatte zunächst die Praxis bestritten, aus der Innenverwaltung wurde jedoch bestätigt, dass es in der Vergangenheit derartige Fälle gegeben hat. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Auf welcher Rechtsgrundlage werden in Sachsen-Anhalt Postkontrollen durchgeführt? Die Kontrolle der Post von Beschuldigten kann auf einer Postbeschlagnahme gemäß § 99 der Strafprozessordnung (StPO) beruhen. Befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft , richtet sich die Postkontrolle nach § 119 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO. Daneben kommen weitere Rechtsgrundlagen in Betracht. Im Einzelnen: a) Nach § 99 Satz 1 StPO ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Postsendungen und Telegramme, die sich im Gewahrsam von Personen oder Unternehmen befinden, die geschäftsmäßig Post oder Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zulässig. Nach § 99 Satz 2 StPO ist eine Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen zulässig, bei denen aus vorliegenden Tatsachen zu schließen ist, dass sie von dem Beschuldigten herrühren oder für ihn bestimmt sind und dass ihr Inhalt für die Untersuchung Bedeutung hat. Der Verkehr mit Verteidigern (§§ 148, 148a StPO) ist von der Postbeschlagnahme grundsätzlich ausgenommen. Der Schutz der Berufsgeheimnisträger ist in § 160a StPO geregelt. b) Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 StPO können einem inhaftierten Beschuldigten, soweit dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist, Beschränkungen auferlegt werden. Nach § 119 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO kann insbesondere angeordnet werden, dass der Schrift- und Paketverkehr zu überwachen sind. Nach § 37 des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt (UVollzG LSA) werden ein- und ausgehende Schreiben von Untersuchungsgefangenen auf verbotene Gegenstände überwacht. Der Anstaltsleiter kann die Textkontrolle anordnen, wenn sie aus Gründen der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Pakete, die an einen Untersuchungsgefangenen gerichtet sind, sind in Gegenwart des Untersuchungsgefangenen , an den sie adressiert sind, zu öffnen (§ 41 Abs. 2 Satz 1 UVollzG LSA). Die Anstalt kann den Inhalt von Paketen, die der Untersuchungsgefangene versendet, aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen (§ 41 Abs. 4 Satz 2 UVollzG LSA). Von der Überwachung ausgenommen ist der Schriftwechsel des Untersuchungsgefangenen grundsätzlich mit seinen Verteidigern (§ 119 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit §§ 148, 148a StPO; § 37 Abs. 2 UVollzG LSA) sowie mit Volksvertretungen des Bundes und der Länder, deren Mitgliedern sowie bestimmten anderen Personen und Einrichtungen (§ 119 Abs. 4 Satz 2 StPO; § 37 Abs. 3 UVollzG LSA). c) Weitere Rechtsgrundlagen für 3  die Überwachung des Schriftwechsels von Gefangenen nach dem Strafvollzugsgesetz (§ 29 StVollzG), dem Jugendstrafvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt (§ 59 JStVollzG LSA) und dem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz SachsenAnhalt (§ 29 SVVollzG LSA) sowie  die Öffnung von und die Einsichtnahme in dem Brief - oder Postgeheimnis unterliegende Sendungen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) betreffen nicht Postkontrollen in Ermittlungsverfahren. 2. Wie ist in Sachsen-Anhalt nach Kenntnissen der Landesregierung die übli- che Praxis bei der Kontrolle von Postsendungen von Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren? a) Die Postbeschlagnahme nach § 99 StPO bedarf grundsätzlich der gerichtlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug ist auch die Staatsanwaltschaft dazu befugt (§ 100 Abs. 1 StPO). Die von der Staatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen gerichtlich bestätigt wird (§ 100 Abs. 2 StPO). Die Öffnung der ausgelieferten Postsendungen steht dem Gericht zu (§ 100 Abs. 3 Satz 1 StPO). Es kann diese Befugnis der Staatsanwaltschaft übertragen, soweit dies erforderlich ist, um den Untersuchungserfolg nicht durch Verzögerung zu gefährden (§ 100 Abs. 3 Satz 2 StPO). In der Regel erfolgt eine solche Übertragung. Die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft legen die beschlagnahmten Postsendungen ungeöffnet der Staatsanwaltschaft vor. Solange der Staatsanwaltschaft die Öffnung nicht übertragen worden ist, legt sie die ihr ausgelieferten Postsendungen sofort, und zwar verschlossene Postsendungen ungeöffnet, dem Gericht vor (§ 100 Abs. 3 Satz 4 StPO). Befindet sich das gesuchte Beweismaterial (z. B. Betäubungsmittel oder Sprengstoff) in der Postsendung, wird dieses entnommen und ein Protokoll über die Entnahme gefertigt. Auf der Postsendung wird ein Vermerk über die Öffnung und Entnahme angebracht . Die Postsendung wird unverzüglich an den vorgesehenen Empfänger weitergeleitet (vgl. § 100 Abs. 5 StPO). b) Die Anordnung einer das Verfahren sichernden Überwachung des Post- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter nach § 119 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 StPO trifft das Gericht (§ 119 Abs. 1 Satz 3 StPO). Kann dessen Anordnung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann die Staatsanwaltschaft oder die Vollzugsanstalt eine vorläufige Anordnung treffen (§ 119 Abs. 1 Satz 4 StPO). Die Anordnung ist dem Gericht binnen 3 Werktagen zur Genehmigung vorzulegen, es sei denn, sie hat sich zwischenzeitlich erledigt (§ 119 Abs. 1 Satz 5 StPO). Der Beschuldigte ist über Anordnungen in Kenntnis zu setzen (§ 119 Abs. 1 Satz 6 StPO). Die Ausführung der Anordnung obliegt der anordnenden Stelle (§ 119 Abs. 2 Satz 1 StPO). Das Gericht kann - was der Regelfall ist - die Ausführung widerruflich auf die Staatsanwaltschaft übertragen. Diese kann sich bei der Ausführung der Hilfe durch ihre Ermittlungspersonen und die Vollzugsanstalt bedienen (§ 119 Abs. 2 Satz 2 StPO). 4 Die Anordnung schließt die Ermächtigung ein, Schreiben und Pakete anzuhalten (§ 119 Abs. 1 Satz 7 StPO). Die Justizvollzugsanstalt leitet sämtliche Postsendungen von dem oder an den Untersuchungshäftling mit dessen Kenntnis im Falle der Übertragung (Regelfall) der Staatsanwaltschaft, sonst dem Gericht zu. Im Übrigen ist die Inanspruchnahme der Hilfe der Justizvollzugsanstalten in der Praxis bedeutungslos. In vorgenanntem Regelfall wird die Post an den Untersuchungsgefangenen der Staatsanwaltschaft in einem unverschlossenen Umschlag zugeleitet. Post an den Untersuchungsgefangenen wird von der Staatsanwaltschaft geöffnet und im geöffneten Umschlag an den Untersuchungsgefangenen weitergeleitet. Um den Zugriff für Dritte auszuschließen, wird Haftpost in einem standardisierten geschlossenen zweiten Umschlag, der nur für diese Zwecke verwendet wird, versandt. Auf diesem sogenannten Begleitumschlag vermerkt die Staatsanwaltschaft das Datum der Öffnung sowie darin enthaltene Geldscheine, Briefmarken und Fotos. Soweit sich in der Postsendung beweiserhebliche Gegenstände befinden, etwa der Untersuchungsgefangene versucht, per Post einen Zeugen einzuschüchtern, ordnet das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme des Schriftstücks nach den §§ 94, 98 StPO an. Die gerichtliche Entscheidung wird dem Untersuchungsgefangenen und seinem Verteidiger bekannt gemacht. 3. Welche Behörde und Abteilung ist für die Kontrolle zuständig und welche Behörde und Abteilung führt sie technisch durch? Zuständig für die Kontrolle ist sowohl bei der Postbeschlagnahme (§ 99 StPO) als auch bei der Überwachung des Schrift- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter (§ 119 StPO) in der Regel die sachbearbeitende Staatsanwältin oder der sachbearbeitende Staatsanwalt, sonst die Richterin oder der Richter. Für Kontrollen auf vollzugsrechtlichen Rechtsgrundlagen (z. B. §§ 37, 41 UVollzG LSA) ist das Personal der zuständigen Vollzugsabteilung der Vollzugsanstalt zuständig . Die Überwachung des Schriftwechsels im Bereich der Untersuchungshaft, erfolgt in der Vollzugsanstalt entsprechend den nachfolgenden Verwaltungsvorschriften zu den §§ 37 bis 39 UVollzG LSA: - Als Verteidiger-, Anwalts- und Notarpost gekennzeichnete eingehende Schreiben von Personen, bei denen diese Eigenschaft nicht nachgewiesen ist, werden in der Regel ungeöffnet an den Absender zurückgesandt mit dem Hinweis, dass der Nachweis dieser Eigenschaft fehlt. Mit Einverständnis des Untersuchungsgefangenen kann das Schreiben geöffnet und nach Überprüfung ausgehändigt werden. - Von der Überwachung ausgenommen ist auch der Schriftverkehr mit dem Europäischen Bürgerbeauftragten und den sonstigen von der Aufsichtsbehörde benannten Behörden und Stellen. Zweifel an der Identität der absendenden Stelle sind durch Rückfrage bei dieser Stelle zu klären. - Soll der Schriftverkehr des Untersuchungsgefangenen aufgrund verfahrenssichernder Anordnungen überwacht werden, legt die Anstalt das für den Untersuchungsgefangenen eingehende Schreiben ungeöffnet in einem unverschlossenen Begleitumschlag dem Richter oder Staatsanwalt vor. Für abgehende Schreiben er- 5 hält der Untersuchungsgefangene einen Begleitumschlag. Er hat sein Schreiben unverschlossen in den Begleitumschlag zu legen, diesen zu verschließen und mit seinem Namen, der Bezeichnung des Gerichts sowie dem Aktenzeichen, unter dem die Untersuchung gegen ihn geführt wird, zu versehen. - Der Begleitumschlag eingehender Schreiben wird in Gegenwart des Untersuchungsgefangenen geöffnet, das Schreiben ausgehändigt und über etwaige Einlagen verfügt. Eine Prüfung des Schreibens auf Einlagen ist unabhängig von einem entsprechenden Vermerk auf dem Begleitumschlag zulässig. Dabei ist auszuschließen, dass von dem gedanklichen Inhalt des Schreibens Kenntnis genommen wird. Die Verfügung über etwaige Einlagen wird auf dem Begleitumschlag vermerkt; dieser Begleitumschlag ist von der Anstalt zu verwahren. - Soweit der Schriftwechsel des Untersuchungsgefangenen aus verfahrenssichernden Gründen überwacht wird, können zur Übermittlung der Schreiben zwischen Anstalt und dem Richter oder Staatsanwalt Sammelumschläge verwendet werden, die zum dauernden Gebrauch bestimmt und entsprechend beschriftet sind; die Absendestelle versieht sie mit einer amtlichen Verschlussmarke, auf der das Namenszeichen des Beamten und das Datum anzugeben sind. - Bei der gesamten Regelung des Schriftwechsels des Untersuchungsgefangenen ist auf größte Beschleunigung zu achten. Es ist im jedem Falle dafür zu sorgen, dass die ein- und ausgehenden Schreiben des Untersuchungsgefangenen dem Richter oder Staatsanwalt unverzüglich übermittelt und abgesandt oder an den Untersuchungsgefangenen ausgehändigt werden, nachdem der Richter oder Staatsanwalt zugestimmt hat. - Wird der Schriftwechsel aufgrund einer verfahrenssichernden Anordnung angehalten und das angehaltene Schreiben nicht an den Absender zurückgeleitet und auch nicht beschlagnahmt, ist es zu der Habe des Untersuchungsgefangenen zu nehmen. Der Untersuchungsgefangene ist, soweit nicht aus besonderen Gründen Bedenken entgegenstehen, von dem Anhalten unter Mitteilung des Grundes in Kenntnis zu setzen. Eine Mitteilung an den Untersuchungsgefangenen kann unterbleiben , wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwehr der schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn sich aufgrund einer Reihe von Briefen der Verdacht eines Ausbruchs oder einer anderen schwerwiegenden Störung der Anstaltsordnung verdichtet. Der beanstandungsfreie Teil eines eingegangenen, aber angehaltenen Schreibens soll dem Untersuchungsgefangenen mündlich mitgeteilt werden , soweit ihm nicht ein in sich verständlicher Teil des Schreibens ausgehändigt werden kann. Angehaltene eingehende Schreiben können auch an den Absender zurückgesandt werden; der Grund des Anhaltens ist zu bezeichnen. 4. Wie viele Postkontrollen wurden in den Jahren 2011 bis 2014 nach Kennt- nissen der Landesregierung im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren in Sachsen-Anhalt durchgeführt? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Anzahl der kontrollierten Sendungen, zuständiger Staatsanwaltschaft/Gericht, Anzahl der Verfahren bzw. Beschuldigten. Der Landesregierung liegen hierzu keine statistischen Erhebungen vor. Konkrete Zahlen werden bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften nicht erfasst. 6 5. In wie vielen der unter Frage 3 genannten Postkontrollen waren nach Kenntnissen der Landesregierung eine Richterin bzw. ein Richter und in wie vielen der Fälle eine Staatsanwältin bzw. ein Staatsanwalt anwesend? In Fällen der Postbeschlagnahme (§ 99 StPO) ist immer, in Fällen der Überwachung des Schrift- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter (§ 119 StPO) grundsätzlich entweder eine Richterin/ein Richter oder eine Staatsanwältin/ein Staatsanwalt bei der Postkontrolle anwesend. Statistische Angaben dazu werden nicht erhoben. In der Regel ist eine Staatsanwältin oder ein Staatsanwalt anwesend. Sofern eine Übertragung der Kontrollbefugnisse auf die Staatsanwaltschaft nicht stattgefunden hat, werden die gerichtlichen Postkontrollen ausschließlich durch eine Richterin oder einen Richter persönlich durchgeführt. Bei Kontrollen auf vollzugsrechtlichen Rechtsgrundlagen (z. B. §§ 37, 41 UVollzG LSA) ist grundsätzlich weder eine Richterin/ein Richter noch eine Staatsanwältin/ein Staatsanwalt bei der Postkontrolle anwesend. 6. Wurden in der Vergangenheit in Sachsen-Anhalt für Postkontrollen regel- mäßig oder in Einzelfällen zur technischen Amtshilfe andere Behörden als die Ermittlungsbehörden mit der Kontrolle beauftragt oder wurden auch Sicherheitsbehörden anderer Bundesländer zur Unterstützung bzw. Amtshilfe hinzugezogen? Wenn ja, um welche handelt es sich? Bitte um Einzelaufstellung für die Jahre 2011 bis 2014. Derartige Fälle sind der Landesregierung nicht bekannt. Nach den Berichten der Behördenleiter der hiesigen Staatsanwaltschaften sind in den Jahren 2011 bis 2014 für Postkontrollen nach §§ 99, 119 StPO keine anderen Behörden als die Ermittlungsbehörden mit der Kontrolle beauftragt worden. 7. In welchem Umfang hat der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt in der Ver- gangenheit Postkontrollen im Auftrag von Staatsanwaltschaften oder Polizeibehörden durchgeführt und um wie viele handelt es sich im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2014? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Anzahl der kontrollierten Sendungen, zuständiger Staatsanwaltschaft/Gericht und Anzahl der Verfahren bzw. Beschuldigten. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen sehen keine Möglichkeit für Postkontrollen durch die Verfassungsschutzbehörde des Landes in Ermittlungsverfahren vor. Im genannten Zeitraum wurden dementsprechend keine Postkontrollen durch den Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt im Auftrag von Staatsanwaltschaften oder Polizeibehörden durchgeführt. 8. In wie vielen der unter Frage 7 genannten Postkontrollen waren nach Kenntnissen der Landesregierung eine Richterin bzw. ein Richter und in wie vielen der Fälle eine Staatsanwältin bzw. ein Staatsanwalt anwesend? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 7 9. Ist nach Ansicht der Landesregierung eine Postkontrolle des Verfassungs- schutzes Sachsen-Anhalt für Staatsanwaltschaften oder Polizeibehörden rechtmäßig oder rechtswidrig und wie begründet sie dies? Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Durchführung der Postkontrolle (§ 99 StPO) und der Überwachung des Schrift- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter (§ 119 StPO) wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Eine Durchführung von Postkontrollen durch die Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt für die Staatsanwaltschaft wäre rechtswidrig. Gericht und Staatsanwaltschaft dürfen bei der Postbeschlagnahme zwar Hilfspersonen zuziehen, wenn dies aus Sicherheits- oder kriminalistischen Gründen erforderlich ist (vgl. Löwe-Rosenberg-Menges, StPO, 26. Aufl. 2014, § 100 Rn. 31), jedoch ist bei der Durchführung der Maßnahme die durchgehende Anwesenheit des Richters oder des Staatsanwalts erforderlich. Bei der Überwachung des Schrift- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter (§ 119 StPO) gestattet das Gesetz der Staatsanwaltschaft ausdrücklich, sich im Falle einer Übertragung der Ausführung der Anordnung der Hilfe durch ihre Ermittlungspersonen und die Vollzugsanstalt zu bedienen (§ 119 Abs. 2 Satz 2 StPO). 10. In welchem Umfang hat der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt unabhän- gig von Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden Postkontrollen durchgeführt und um wie viele handelt es sich im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2014? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Anzahl der kontrollierten Sendungen und Anzahl der Betroffenen. Die Mitteilung dieser Informationen ist der Landesregierung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung der Kleinen Anfrage aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Die Antwort der Landesregierung zu Frage 10 muss deshalb als „Verschlusssache - Vertraulich“ eingestuft werden. Sie kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Landesregierung hat aber dafür Sorge zu tragen, dass sensible Verfahrensweisen und Taktiken der Verfassungsschutzbehörde , insbesondere zur Art und Weise der Informationsbeschaffung nicht öffentlich werden. Teile der Antwort der Landesregierung müssen insoweit als „Verschlusssache - Vertraulich“ eingestuft werden. Hierbei wird der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gefolgt, nach der bei der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Parlament unter Geheimhaltungsaspekten wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen mit einbezogen werden können (vgl. BVerfGE 124 S. 161 [193]). Hierzu zählt auch die Geheimschutzordnung des Landtages (GSO-LT). Die Einstufung als Verschlusssache ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Wohl des Landes Sachsen-Anhalt und die schutzwürdigen Interessen Dritter geeignet, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinte- 8 ressen der Landesregierung zu befriedigen (Art. 53 Abs. 2 und 4 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt). Die Preisgabe detaillierter Informationen über die Art und Weise der Erlangung von Informationen im Rahmen von Maßnahmen zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses würde Rückschlüsse auf sensible Verfahrensweisen und Taktiken der Verfassungsschutzbehörde, insbesondere hinsichtlich der Schwerpunktsetzung bei der Informationsgewinnung im Rahmen von o. g. Maßnahmen ermöglichen . Das Bekanntwerden dieser Informationen ließe befürchten, dass die wirksame Bekämpfung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen beeinträchtigt würde und hierdurch dem Wohl des Landes Sachsen-Anhalt Nachteile zugefügt würden. Demgegenüber ist mit der GSO-LT ein Instrument geschaffen, das es den Abgeordneten des Landtages ermöglicht, die entsprechend eingestuften Informationen einzusehen . Dem parlamentarischen Kontrollrecht wird damit Rechnung getragen. 11. Mit welchen technischen, chemischen, optischen oder thermischen Hilfs- mitteln und Maßnahmen werden in Sachsen-Anhalt nach Kenntnissen der Landesregierung Postsendungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren durch Sicherheitsbehörden geöffnet, kopiert und wieder verschlossen? Bei Postkontrollen im Rahmen von Ermittlungsverfahren werden handelsübliche Brieföffner verwendet. 12. Welche Arten von Postsendungen werden im Rahmen der Postkontrolle bei Ermittlungsverfahren in Sachsen-Anhalt nach Kenntnissen der Landesregierung kontrolliert (sowohl Postsendungen, die von einem Beschuldigten empfangen werden, als auch Sendungen, die von ihm als Absender verschickt werden)? Gegenstand der Postbeschlagnahme (§ 99 StPO) sowie der Überwachung des Schrift- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter (§ 119 StPO, §§ 37, 41 UVollzG LSA) können alle Postsendungen (z. B. Briefe, Päckchen, Pakete) und Telegramme sein, und zwar sowohl an den Beschuldigten gerichtete als auch von ihm abgesandte . Im Ermittlungsverfahren angeordnete Kontrollen werden regelmäßig auf beide Versendungswege erstreckt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 13. Findet eine derartige Postkontrolle im Rahmen von Ermittlungsverfahren manuell, halb- oder vollautomatisiert statt? Wie lange beträgt jeweils der durchschnittliche Aufwand beim Öffnen, Kopieren und Verschließen von üblichen Brief- oder Paketsendungen? Postkontrollen in Ermittlungsverfahren werden manuell vorgenommen. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 3 und Frage 11 verwiesen. Der Zeitaufwand für diese Kontrollen lässt sich abstrakt nicht genau bestimmen. Er ist insbesondere abhängig vom Umfang des Inhalts der Postsendung und deren Lesbarkeit. Im Falle der Postbeschlagnahme (§ 99 StPO) dürfte der Zeitaufwand eher gering sein. Im Falle der Überwachung des Schrift- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter (§ 119 StPO) ist er vergleichsweise größer, da jeder Brief auf verbotene Inhalte geprüft und gelesen werden muss. 9 14. Wie viele Beschuldigte in Ermittlungsverfahren wurden in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2011 bis 2014 nach Abschluss der Ermittlungen bzw. des Verfahrens über die stattgefundene Postkontrolle, also einen Eingriff in das Brief- sowie Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 Grundgesetz) informiert und wie viele Beschuldigte wurden aus welchen Gründen nicht informiert ? Im Falle der Postbeschlagnahme nach § 99 StPO sind der Absender und der Adressat der Postsendung zu benachrichtigen (§ 101 Abs. 1 und 4 Satz 1 Nr. 2 StPO). Dabei ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtschutzes nach § 101 Abs. 7 StPO und die dafür vorgesehenen Frist hinzuweisen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen (§ 101 Abs. 4 Satz 2 und 3 StPO). Zudem kann die Benachrichtigung einer betroffenen Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat (§ 101 Abs. 4 Satz 4 StPO). Im Falle der Überwachung des Schrift- und Paketverkehrs inhaftierter Beschuldigter (§ 119 StPO) wird der Untersuchungshäftling im Vorfeld unterrichtet. Der Landesregierung liegen hierzu keine statistischen Erhebungen vor. Konkrete Zahlen werden bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften nicht erfasst. 15. In wie vielen Fällen wurde der Schriftverkehr bei Strafgefangenen von Jus- tizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2014 kontrolliert? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Anzahl der kontrollierten Sendungen und Anzahl der Betroffenen. Alle ein- und ausgehenden Postsendungen an Gefangene und von Gefangenen werden , sofern keine gesetzlichen Überwachungsverbote bestehen, auf der Grundlage der §§ 29, 33 StVollzG, §§ 59, 63 JStVollzG LSA im Beisein der Gefangenen geöffnet und auf verbotene Gegenstände, Einlagen oder Betäubungsmittel kontrolliert. Konkrete Zahlen hinsichtlich der durchgeführten Kontrollen für den Zeitraum von 2011 bis 2014 können nicht genannt werden.