Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3325 29.07.2014 (Ausgegeben am 29.07.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fischsterben in der Helme und Nebengewässern bei Oberröblingen Kleine Anfrage - KA 6/8380 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am Nachmittag des 3. Juni 2014 kam es im Mühlgraben in Oberröblingen zu einem massenhaften Fischsterben, welches sich wenige Stunden später auch auf den Fischbestand in der Helme auswirkte. Laut Angaben des örtlichen Kreisanglervereins nahmen die Polizei sowie das Umwelt- und Veterinäramt des Landkreises noch am selben Tag Ermittlungen auf. In dem konkreten Fall sollen 23 Fischarten betroffen sein, darunter auch stark bedrohte Arten wie Groppe und Schlammpeitzger. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Welcher Sachstand zu den Schäden am Fischbestand im Mühlgraben und in der Helme liegt den Behörden aktuell vor? Bitte die Arten mit der Anzahl der Totfunde angeben. Auf welche Individuen-Zahl wird der Gesamtschaden geschätzt? Wie hoch war die Population jeweils und wie sind die Verluste dann zu bewerten? Das Umweltamt des Landkreises Mansfeld-Südharz wurde am 3. Juni 2014 durch ein Mitglied des Kreisanglervereins Sangerhausen über ein massives Fischsterben im Mühlgraben bei Oberröblingen informiert. Nach nicht bestätigten Angaben des Anglers verendeten ca. 200 Fische. Der Kreisanglerverein Sangerhausen beklagt Verluste bei 23 Fischarten (Bachforelle, Regenbogenforelle, Karpfen, Giebel, Gründling , Stichling, Rotfeder, Plötze, Hecht, Ukelei, Blei, Güster, Döbel, Hasel, Elritze, Barsch, Kaulbarsch, Schleie, Äsche, Aal, Groppe, Schmerle, Schlammpeitzger). Die Fische verendeten im Mühlgraben Kloster Rohrbach und trieben in die Helme ab. 2 Bei der durch das Umweltamt und das Veterinäramt des Landkreises MansfeldSüdharz durchgeführten Inaugenscheinnahme konnten ca. 20 bis 30 tote Fische festgestellt werden. Angaben zur Artzugehörigkeit der toten Fische liegen beim Landkreis Mansfeld-Südharz nicht vor. Spezielle Fischbestandserhebungen zum Mühlgraben Oberröblingen wurden bisher nicht durchgeführt, so dass Angaben zur Auswirkung auf die Gesamtpopulation nicht gemacht werden können. 2. Wie groß ist der Anteil der betroffenen limnischen Arten im Vergleich zur bekannten Artenzahl in dem Gewässerabschnitt? Alle im sachsen-anhaltischen Helmeabschnitt nachgewiesenen, einheimischen 24 Fischarten (Bachforelle, Äsche, Hasel, Döbel, Elritze, Barbe, Gründling, Schmerle, Groppe, Quappe, Schleie, Rotfeder, Plötze, Ukelei, Güster, Blei, Giebel, Karpfen, Aal, Hecht, Barsch, Kaulbarsch, Dreistachliger Stichling, Neunstachliger Stichling) sind limnische Arten. 3. Laut der Aussage des örtlichen Anglervereins (MZ-Artikel vom 4. Juni 2014) wurden nicht nur Fischkadaver gefunden. Welche Tierarten waren noch von dem Umweltschadensfall betroffen und welchen Schutzstatus besitzen diese? Waren insbesondere auch die Vorkommen der Bachmuschel (Unio Crassus) betroffen? Im Helme-Unstrut-Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt ist bislang nur ein Bachmuschelvorkommen aus der Kleinen Helme bekannt. In der Helme und im Mühlgraben Oberröblingen kommt die Bachmuschel gegenwärtig nicht vor. Der Landkreis Mansfeld -Südharz konnte auch keine anderen betroffenen Tierarten feststellen. 4. Laut dem o. a. Zeitungsartikel gibt es den Anfangsverdacht, dass eine ille- gale Einleitung von Pflanzenschutzmitteln in den Mühlgraben die Ursache sein kann. Welche Ergebnisse ergaben die Analysen der Wasser- und Fischkadaverproben? Gibt es Hinweise auf eine andere Ursache des Fischsterbens ? Durch den Landkreis Mansfeld-Südharz wurde die Untersuchung von zwei Wasserproben (Entnahmestellen Mühlgraben am Rittergut und Einleitstelle Kloster Rohrbach ) veranlasst. Es wurden die Parameter pH-Wert, Leitfähigkeit, Ammonium, Nitrat , Chlorid, Sulfat, o-Phosphat, Phosphor ges. und DOC (ein Maß für die im Wasser gelösten organischen Kohlenstoffverbindungen) untersucht. Die untersuchten Parameter wiesen keine Auffälligkeiten mehr auf. Allerdings lag zwischen der ersten Feststellung des Fischsterbens und der Probenahme ein Zeitfenster von ca. zwei Stunden. Ein möglicher temporärer Schadstoffeintrag ist in einem Fließgewässer dann kaum noch feststellbar. Weiterhin wurden zwei vom Fischsterben betroffene Bachforellen untersucht. Im Ergebnis dieser Untersuchungen wurde festgestellt, dass die virologische Untersuchung negative Befunde für VHS (Virale Hämorrhagische Septikämie), IHN (Infektiöse Hämatopoetische Nekrose) und IPN (Infektiöse Pankreasnekrose) ergab. Erreger spezifischer Virusinfektionen und anzeigepflichtiger Fischseuchen waren somit nicht nachweisbar und konnten als Ursache des Fischsterbens ausgeschlossen werden. 3 Die Sektionsbefunde einschließlich parasitologischer und bakteriologischer Untersuchungsergebnisse ergaben keine Hinweise auf spezifische Infektionskrankheiten. Als pathologischer Hauptbefund sind die starken Schmutz-auflagerungen auf den Kiemen mit Schlamm- und Schmutzteilchen zu nennen, die als Hinweis auf eine organische Wasserverunreinigung gewertet werden können. Die gut mit Naturnahrung gefüllten Mägen deuten auf ein plötzliches Schadensereignis hin. Durch die Schmutzauflagerungen wird die Atemfunktion der Kiemen beeinträchtigt und der lebensnotwendige Gasaustausch wird nicht mehr gewährleistet. Durch die mechanische Verlegung des Kiemenepithels kommt es bei den Fischen zum Sauerstoffmangel und Erstickungstod. Gleichzeitig erfolgt eine Anreicherung von Stoffwechselprodukten im Blut, so dass auch Autointoxikations-prozesse nicht auszuschließen sind. Zum Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme war eine Bachwasserverschmutzung jedoch nicht feststellbar. Insgesamt gestatten die vorliegenden Befunde keine Aussagen zur primären Ursache der Kiemenverschmutzung. Diese kann sowohl die unmittelbare Folge einer Bachwasserverschmutzung sein oder sekundär nach Einwirkung giftiger Substanzen und daraus resultierenden Verhaltensänderungen in Erscheinung getreten sein. Hinweise auf andere mögliche Schadensursachen konnten nicht festgestellt werden. 5. Südlich von Oberröblingen beginnt ein weit verzweigtes Gewässernetz. Et- wa 8 Kilometer von der vermuteten Gefahrenquelle entfernt, auf der Thüringer Landesseite, befinden sich die FFH-Schutzgebiete Mönchenried– Helmegraben bei Artern und die Helme-Unstrut Niederung, die als Trinkwasserschutzgebiet klassifiziert sind. Wurden nach der behördlichen Erstbegutachtung des massenhaften Fischsterbens Thüringer Behörden von dem nahe der Landesgrenze ausgehenden Umweltschaden informiert? Bitte auch erläutern, welche Maßnahmen in Sachsen-Anhalt und in Thüringen ergriffen wurden. Die Behörden des Freistaates Thüringen wurden nach der Erstbegutachtung durch den Landkreis Mansfeld-Südharz nicht informiert. Beim Eintreffen der unteren Wasserbehörde war das Schadensereignis bereits beendet, so dass keine Erkenntnisse über das Ausmaß des Vorfalles vorlagen. Anhand der vor Ort vorgefundenen Situation war davon auszugehen, dass es sich hierbei um ein kurzzeitiges und räumlich begrenztes Schadensereignis gehandelt hat. 6. Handelt es sich nach Auffassung der Landesregierung um einen Umwelt- schaden im Sinne des § 2 Umweltschadensgesetz? Bitte begründen. Bei dem Fischsterben im Mühlgraben Oberröblingen kommen folgende Umweltschäden gemäß § 2 Nr. 1 a und b USchadG in Betracht: - Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) - Schädigung der Gewässer nach Maßgabe des § 90 Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Sowohl § 19 BNatSchG als auch § 90 WHG stellen auf erhebliche Auswirkungen auf die genannten Schutzgüter ab. Von einer Erheblichkeit des Schadens konnte jedoch aufgrund der vorgefundenen Situation, der Ergebnisse der Fischuntersuchungen, der 4 lokalen Begrenzung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die festgestellte Zahl der verendeten Fische wesentlich geringer war als die der ursprünglich gemeldeten , nicht ausgegangen werden. Nach Einschätzung des Landkreises lag somit kein Umweltschaden im Sinne des Umweltschadensgesetzes vor.