Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3326 29.07.2014 (Ausgegeben am 30.07.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Uwe Loos (DIE LINKE) Bildung von Fraktionsgemeinschaften – Auswirkungen auf die Ausschussbesetzung Kleine Anfrage - KA 6/8412 Vorbemerkung des Fragestellenden: Nach den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 konstituieren sich derzeit die Gemeinde - und Stadträte sowie Kreistage. In der Folge werden nach § 47 des neuen Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA) auch die Ausschüsse neu besetzt. Bei der Zusammensetzung der Ausschüsse ist das Stärkeverhältnis der Parteien und Wählergruppen im Gemeinderat zu beachten. Soweit Fraktionen bestehen, sind diese der Berechnung der Ausschusssitze zugrunde zu legen. In der kommunalen Praxis gibt es immer wieder Fälle, dass sich fraktionslose kommunale Mandatsträger bestehenden Fraktionen anschließen oder dass kleine Fraktionen eine sogenannte Fraktionsgemeinschaft bilden. Dadurch erlangen diese vergrößerten Fraktionen Ansprüche auf zusätzliche Ausschusssitze und dies, soweit die Ausschussgröße nicht geändert wird, zu Lasten anderer Fraktionen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat im Urteil vom 9. Dezember 2009 (AZ: 8 C 17.08) in Bestätigung und Weiterführung des Urteils vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 C 18.03 - (BVerwGE 119, 305) entschieden, dass derartige vom Wählerwillen losgelöste Fraktionsbildungen bei der Ausschussbesetzung nicht dazu führen dürfen, dass andere Fraktionen den Anspruch auf Sitze verlieren. Gegebenenfalls muss in solchen Fällen die Anzahl der Ausschusssitze erhöht werden. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Inwieweit ist es nach der Auffassung der Landesregierung nach § 47 KVG LSA möglich, dass durch Fraktionsveränderungen in Abweichung vom Wahlergebnis Fraktionen einen zusätzlichen Anspruch auf Ausschusssitze erlangen und dies zu Lasten anderer Fraktionen? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung auch unter Berücksichtigung des im Eingangstext zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes? § 47 KVG LSA ist im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszulegen und anzuwenden. Aus dem auch für kommunale Vertretungskörperschaften geltenden Prinzip der demokratischen Repräsentation folgt, dass auch kommunale Vertretungen nicht unabhängig von dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt werden dürfen , über das die Gemeindebürger bei der Wahl der Gemeindevertretung mitentschieden haben. Vielmehr müssen auch die Ausschüsse der kommunalen Vertretungen grundsätzlich als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln. Gegenstand und Bezugspunkt der Abbildung ist das Stärkeverhältnis der politischen Kräfte, die sich zur Wahl der Vertretung gestellt und zwischen denen die Wähler entschieden haben, und nicht das der politischen Mehrheiten, die sich erst nach der Wahl in der Vertretung gebildet haben. Dies gilt sowohl für Koalitionsabreden als auch für sogenannte „Zählgemeinschaften“ oder „gemeinsame Wahlvorschläge“ mehrerer Fraktionen. Der Anspruch auf Neubesetzung eines Ausschusses nach § 46 Abs. 3 Satz 2 KVG LSA bleibt hiervon unberührt. Die insoweit vorausgesetzte Änderung des Stärkeverhältnisses der Fraktionen ist allerdings nur dann von Bedeutung, wenn sich das geänderte Kräfteverhältnis in der Vertretung anhand der äußerlich erkennbaren Gesamtumstände als Ausdruck eines geänderten politischen Verhaltens zu werten ist. Dies setzt im Allgemeinen eine Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften verbunden mit einer Hinwendung zu der neuen Fraktion voraus. Ein nach den erkennbaren Umständen des Einzelfalls beispielsweise nur zum Schein vorgenommener Übertritt eines Mitgliedes einer Vertretung zu einer anderen Fraktion bleibt demnach ohne Auswirkungen auf das Stärkeverhältnis. 2. Unter welchen Voraussetzungen muss die Anzahl der Ausschusssitze er- höht werden, um zu vermeiden, dass durch Fraktionsveränderungen in Abweichung vom Wahlergebnis Fraktionen einen zusätzlichen Anspruch auf Ausschusssitze erlangen und dies zu Lasten anderer Fraktionen? Die Zahl der Mitglieder der ständigen Ausschüsse bestimmt die Vertretung in der Hauptsatzung (§ 46 Abs. 1 Satz 2 KVG LSA). Rahmen für die Festlegung der Mitgliederzahl ist einerseits das Prinzip, dass die Ausschüsse als verkleinertes Abbild der Vertretung deren Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs - und Kräftespektrum grundsätzlich widerspiegeln müssen, andererseits das Erfordernis nach effektiver Ausschussarbeit. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, die Ausschüsse der kommunalen Vertretungskörperschaften im Sinne einer proporzgenauen Repräsentation der politischen Kräfte in der Vertretung zu besetzen, also alle politischen 3 Kräfte (Fraktionen) in den Ausschüssen mit auch stimmberechtigten Mitgliedern zu beteiligen. 3. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung infolge des im Ein- gangstext zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes und wie wird dies begründet? Das zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist der Landesregierung bekannt. Ein diesbezüglicher Handlungsbedarf wird nicht gesehen. § 47 KVG LSA steht im Einklang mit der zitierten Entscheidung. 4. In welchen Fällen gab es nach dem Kenntnisstand der Landesregierung seit 2009 Einsprüche gegen die Zusammensetzung von kommunalen Ausschüssen , weil durch Fraktionsveränderungen in Abweichung vom Wahlergebnis Fraktionen einen zusätzlichen Anspruch auf Ausschusssitze erlangen und dies zu Lasten anderer Fraktionen? Wie ist der Verfahrensstand dieser Einspruchsverfahren ? Bitte um Einzelaufstellung. Den Rechtsbehelf des Einspruchs gegen die Zusammensetzung von kommunalen Ausschüssen sieht das Kommunalverfassungsgesetz nicht vor. Statistische Erhebungen über entsprechende Verfahren liegen nicht vor.