Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3472 02.10.2014 (Ausgegeben am 06.10.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Entwicklung der Inhaftierung Asylsuchender zum Zweck der Rückführung gemäß Dublinverfahren in den letzten fünf Jahren Kleine Anfrage - KA 6/8474 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen wurden in den letzten fünf Jahren und im 1. Halbjahr 2014 zum Zweck der Abschiebung inhaftiert? Im erfragten Zeitraum wurden insgesamt 415 Personen in Abschiebungshaft genommen. 2. Wie viele Personen wurden in den letzten fünf Jahren und im 1. Halbjahr 2014 zum Zweck der Rückführung gemäß Dublinverfahren in SachsenAnhalt in Abschiebehaft genommen? Im erfragten Zeitraum wurden insgesamt 71 Personen in Dublin-Überstellungshaft genommen. 3. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Inhaftierung? Die Inhaftierung erfolgte auf der Grundlage des § 62 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit §§ 415 ff. FamFG. Seit Inkrafttreten der VERORDNUNG (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-VO zum 1. Januar 2014 findet sich in Art. 28 Dublin-III-Verordnung zudem eine unionsrechtliche Bestimmung über die Haft. 2 4. Welches waren die Herkunftsländer? Die in Dublin-Überstellungshaft genommenen Personen stammten aus den nachfolgenden Herkunftsstaaten: Afghanistan, Benin, Burkina-Faso, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Georgien, Indien, Irak, Iran, Kosovo, Mali, Niger, Russische Föderation, Serbien, Somalia, Syrien, Türkei und Vietnam. 5. Welches waren die Zielländer der Dublinüberstellung? Die Rücküberstellungen erfolgten in die nachfolgend genannten Zielländer: Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Litauen, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Tschechien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und Ungarn. 6. Wie lange dauerte die Haft durchschnittlich? Die statistischen Erfassungen zur Dauer der Haft im Einzelfall ermöglichen nicht die Ermittlung eines genauen Durchschnittswertes der Haftdauer. Nach hiesigen Erkenntnissen beträgt die durchschnittliche Haftdauer in Fällen der DublinÜberstellung grundsätzlich nicht länger als bis zu 4 Wochen. 7. Welches waren die Anlässe für die Inhaftierung? Angaben im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Eine nachträgliche Erfassung könnte nur im Wege einer umfangreichen Einzelauswertung der entsprechenden Ausländerakten bei den Ausländerbehörden des Landes erfolgen, wovon mit Blick auf den damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen wurde. 8. In wie vielen Fällen wurden Personen, die in Abschiebungshaft genom- men wurden, aus der Haft entlassen, ohne die Ausreise zu vollziehen bzw. ohne überstellt zu werden? In wie vielen dieser Fälle erfolgte die Entscheidung aufgrund einer Gerichtsentscheidung? Welche weiteren Gründe gab es für eine Haftentlassung? Aus der Abschiebungshaft wurden in den letzten fünf Jahren und im 1. Halbjahr 2014 insgesamt 47 Personen entlassen. Davon gingen 9 Fälle auf gerichtliche Entscheidungen zurück. Weitere Gründe waren insbesondere die Stellung von Asylanträgen, Fristversäumnisse im Überstellungsverfahren, Erkrankungen, verfahrenshemmende Ereignisse wie z. B. der Vulkanausbruch auf Island mit den bekannten Folgen für den Flugverkehr oder das Hochwasser im Jahr 2013, die Vereitelung der Abschiebung bzw. Rücküberstellung durch erheblichen Widerstand des Betreffenden zumeist auf dem Flugplatz, sowie revidierende Entscheidungen der Ausländerbehörden, beispielsweise wegen geplanter Eheschließung im Bundesgebiet. 3 9. Welche Konsequenz zieht die Landesregierung aus der jüngsten Entscheidung des EuGH bezüglich der Zulässigkeit der Durchführung der Abschiebungshaft in Strafhaftanstalten? Wie beabsichtigt die Landesregierung , in Zukunft mit Inhaftierungen zum Zweck der Abschiebung umzugehen ? Der EuGH hat am 17. Juli 2014 entschieden, dass die Inhaftierung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen zum Zweck der Abschiebung in speziellen Hafteinrichtungen zu erfolgen hat. Da Sachsen-Anhalt nicht über eine spezielle Hafteinrichtung im Sinne des EuGH-Urteils verfügt, kann die Abschiebung nicht mehr in Landeseinrichtungen vollzogen werden. Deshalb wurde mit den Ländern Berlin und Brandenburg auf Arbeitsebene eine Vereinbarung getroffen, dass in dortigen Einrichtungen im Wege der Amtshilfe Personen zu dem oben genannten Zweck aufgenommen werden können. Weitere Optionen werden geprüft, können derzeit aber noch nicht konkretisiert werden . 10. Welche Konsequenz zieht die Landesregierung aus der jüngsten Ent- scheidung des BGH zur Zulässigkeit der Inhaftierung Asylsuchender zum Zweck der Überstellung gemäß Dublinverfahren? Wie beabsichtigt die Landesregierung, in Zukunft mit Inhaftierungen zum Zweck der Überstellung gemäß Dublinverfahren umzugehen? Die BGH-Entscheidung hat zur Folge, dass Inhaftnahmen auf Grundlage des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG bis zur Klarstellung der Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne des Art. 2 Buchstabe n der Dublin-IIIVerordnung unzulässig sind. Per Erlass wurden die zuständigen Behörden auf die rechtlichen Folgen des Urteils hingewiesen und die Überprüfung und ggf. Beendigung der Haft in einschlägigen Fällen angewiesen. Das Bundesministerium des Innern hat in einem Gesetzentwurf einen Vorschlag zur Festlegung von objektiven Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne des Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung erarbeitet. Bis zu einer Neuregelung bleibt die Stellung von Anträgen zur Überstellungshaft nach der Dublin-III-Verordnung den Fällen vorbehalten, in denen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 AufenthG erfüllt sind.