Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3478 07.10.2014 (Ausgegeben am 07.10.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schadstoffbelastung auf dem Gelände des ehemaligen Paraffinwerks Webau Kleine Anfrage - KA 6/8481 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Presse war zu entnehmen, dass auf dem Gelände des ehemaligen Paraffinwerks Webau, Werk I, der Bau einer Vergärungsanlage für tierische Abfälle geplant ist und derzeit das Genehmigungsverfahren dafür durchgeführt wird. Das Gelände war bzw. ist stark mit unterschiedlichen Schadstoffen belastet. Im Jahre 1998 erstellte die Firma JenaGeos ein Sanierungsrahmenkonzept. Im Jahre 2000 wurde dann mit dem Paraffinwerk eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung geschlossen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Vorbemerkung der Landesregierung: Im Raum Webau/Granschütz, d. h. im Umfeld des heutigen Mitteldeutschen Bitumenwerkes (MBW), wurde seit 160 Jahren Braunkohle gewonnen und auch verschwelt . Zum Vorgängerbetrieb, der Paraffinwerk Webau GmbH (PWW), gehörten die Werke I bis III in Köpsen, Granschütz und Gerstewitz mit allen Betriebsteilen und Entsorgungsanlagen. Das Land stellte die PWW bereits 1994 nach Umweltrahmengesetz von der Altlastenhaftung für diese Flächen frei. Ebenfalls 1994 wurde das Werk II als nicht betriebsnotwendig ausgegliedert und später der TLG mbH zugeordnet . Die Flächen des Werkes II stehen heute im Eigentum der MDSE mbH. Die MBW wurde am 4. Januar 2000 gegründet. Im Rahmen eines Managements Buy-Out hat die MBW alle materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände der PWW zum 1. August 2002 übernommen. Die Sanierung auf den erworbenen Flächen wird mit einem am 21. Juli 2000 zwischen PWW, dem damaligen Landkreis Weißenfels und dem Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch das Ministerium für 2 Landwirtschaft und Umwelt sowie die Landesanstalt für Altlastenfreistellung, abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag (nachfolgend „Vereinbarung“) geregelt. Diese Vereinbarung ersetzt auch den Altlastenfreistellungsbescheid für die PWW aus dem Jahre 1994 und ist auf einen Betrag von 37,2 Mio. DM gedeckelt. Teil der Vereinbarung ist ein Maßnahmenplan, welcher die erforderlichen Maßnahmen bestimmt, um das für den Standort bereits 1998 erarbeitete Sanierungsrahmenkonzept zu erfüllen . Diese Maßnahmen sind im Zeitraum 2000 - 2004 abgeschlossen und die Sanierungsverpflichtung gemäß den Forderungen der Vereinbarung erfüllt worden. Die Erreichung der Sanierungsziele wurde durch den Landkreis als zuständige Ordnungsbehörde bestätigt. 1. Welche Altlasten wurden im Ergebnis der Untersuchungen auf dem Be- triebsgelände des Werks I festgestellt? Bitte mit genauer Stoffbezeichnung und Angaben zur gemessenen Menge und Verteilung auf dem Gelände . Auf dem Betriebsgelände des Werkes I sind Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW), aromatische Kohlenwasserstoffe (BTEX), Phenole, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Teer und Teeröle festgestellt worden. Die Schadstoffe resultieren aus der Nutzung des Standortes zur Braunkohlenteerverkokung , der Paraffin- und Benzinerzeugung sowie der Herstellung von Kohleanzündern . Durch die industrielle Nutzung des Standortes sind der Boden und das oberflächennahe Grundwasser mit den o. g. Schadstoffen kontaminiert. Sanierungsbedürftige Schadensschwerpunkte waren die im Böschungs- und Auenbereich der Nessa (nördliche Werksgrenze) angelegten Teerteiche (Teerabfälle), die im Auenbereich errichteten Absetz- und Havariebecken (Teer, Teeröl), das Areal der oberhalb der Teerteiche gelegenen Betriebsanlagen (Öl-/Benzinphase) sowie die durch Schadstoffaustritte aus den Teerteichen kontaminierten Sedimente in der Nessa. Im Zuge der durchgeführten Altlastensanierungsmaßnahmen im Zeitraum von März 2001 bis April 2004 sind aus den 12 Teerteichen sowie dem Absetz- und Havariebecken insgesamt 9.820 t Teer und kontaminierter Boden beseitigt worden . Parallel zu den Bodensanierungsmaßnahmen sind 46.540 m3 Grund- und Sickerwasser gefasst, gereinigt bzw. entsorgt worden. Zudem wurden über Abschöpfbrunnen im Bereich der Betriebsanlagen 340 l Öl-/Benzinphase gewonnen und entsorgt. 2. Welche Beeinträchtigungen waren durch die Schadstoffbelastungen zu befürchten? Durch den Austrag von Teeren, Teerprodukten und kontaminierten Wässern war eine Beeinträchtigung des Grundwasserleiters, der Nessa bzw. Nessaaue gegeben. Insbesondere bestand die Gefahr, dass durch Hangrutschungen kontaminierte Abfallstoffe und Wässer aus den Teerteichen direkt in die Nessa gelangen . 3 3. Welche konkreten Maßnahmen wurden zur Altlastensanierung im Sanierungsrahmenkonzept festgelegt? Im Sanierungsrahmenkonzept sind zur Gefahrenabwehr im Werk I die Herausnahme der Teerteiche, der Absetz- und Havariegruben im Auen- und Hangbereich , das aktive Abschöpfen der Öl-/Benzinphase, das Verfüllen von zwei horizontübergreifenden Grundwassermessstellen, Untersuchungs- und ggf. Sanierungsmaßnahmen in der Nessaaue sowie ein Grundwassermonitoring vorgesehen . Zudem sollten die Teer- und Havarieteiche nach Entnahme der kontaminierten Inhaltsstoffe wieder verfüllt, die Böschung stabilisiert und begrünt werden . 4. Welche Maßnahmen wurden dem öffentlich-rechtlichen Vertrag zugrunde gelegt? Hierunter fallen die Herausnahme der Teerteiche, die Absetzgruben im Auenund Hangbereich, das Abschöpfen der Öl-/Benzinphase und das Abdichten der horizontübergreifenden Grundwassermessstellen mit dem Ziel der Unterbindung des weiteren Austrages von Teeren, Teerprodukten und kontaminierten Wässern in den Grundwasserleiter sowie in die Nessa bzw. Nessaaue. Zudem wurde festgelegt, dass Untersuchungs- und ggf. Sanierungsmaßnahmen in der Nessaaue sowie das Grundwassermonitoring in Verantwortung des Landes durchgeführt werden. Diese Maßnahmen wurden vom Landkreis beauftragt und im Zeitraum von 2001 bis 2005 durchgeführt. 5. Welche konkreten Vereinbarungen wurden in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Paraffinwerk getroffen? Wurde eine Geldsumme ausgezahlt ? Wenn ja, wie hoch war diese und an wen wurde gezahlt? In der Vereinbarung vom 21. Juli 2000 verpflichtet sich die PWW zur ordnungsrechtlichen Anerkennung der Verantwortung für alle vor dem 1. Juli 1990 entstandenen Schäden auf den von der Altlastenfreistellung umfassten Flächen, zur Planung und Beauftragung der im Maßnahmenplan abschließend festgelegten Gefahrenabwehrmaßnahmen sowie zum Nachweis der ordnungsgemäßen Sanierungsdurchführung durch Herstellung des Einvernehmens mit dem Landkreis als zuständiger Ordnungsbehörde. Der Landkreis verpflichtet sich, die Beseitigung der durch Altlasten verursachten Gefahren gegenüber PWW nach Vorlage eines Abschlussberichtes zu bestätigen und die PWW für die im Maßnahmenplan erfassten Schäden ordnungsrechtlich nicht weiter in Anspruch zu nehmen. Zur Abgeltung der Ansprüche der PWW bzw. MBW aus der Vereinbarung wurde die Zahlung eines Pauschalbetrages in Höhe von 19.020.057,98 EUR an die PWW bzw. MBW vereinbart. Die Auszahlung der Mittel erfolgte nach Sanierungsfortschritt. Darüber hinaus ist geregelt, dass die Sanierungsmaßnahmen im Bereich der Nessaaue, das Grundwassermonitoring sowie Untersuchungen zur Beurteilung der Sickerwassersituation im Bereich des Werkes I in Verantwortung des Landes durchgeführt werden. 4 6. Welche Auflagen wurden in dem Vertrag festgelegt? Wie wurde die Einhaltung der Auflagen kontrolliert? Vor Umsetzung der gemäß Maßnahmenplan erforderlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen waren die von PWW beauftragten Ausführungsplanungen dem Landkreis zur Herstellung des Einvernehmens vorzulegen. Der Landkreis hatte die Ausführungsplanung auf Übereinstimmung mit dem Maßnahmenplan sowie den Sanierungszielen zu prüfen und freizugeben. Insoweit hat der Landkreis die Einhaltung der vereinbarten Pflichten kontrolliert und mit Schreiben vom 8. September 2006 die ordnungsgemäße Umsetzung der Sanierung und die erfolgreiche Beseitigung der Gefahren bestätigt. 7. Welche konkreten Maßnahmen wurden bis dato durchgeführt? Wurden die im öffentlich-rechtlichen Vertrag getroffenen Vereinbarungen erfüllt? Die im Maßnahmenplan festgelegten Gefahrenabwehrmaßnahmen (siehe zu 4.) wurden gemäß Schreiben des zuständigen Landkreises vom 8. September 2006 ordnungsgemäß durchgeführt und die getroffenen Vereinbarungen insoweit erfüllt. Darüber hinaus sind die Sanierungsmaßnahmen im Bereich der Nessaaue, das Grundwassermonitoring sowie Untersuchungen zur Beurteilung der Sickerwassersituation gemäß den Vorgaben der Vereinbarung im Auftrag des Landkreises durchgeführt und 2005 abgeschlossen worden. Aufgrund der verbliebenen Restkontaminationen sowie der hydrogeologischen Bedingungen treten trotz der durchgeführten umfangreichen Sanierungsmaßnahmen im Böschungsbereich zur Nessa weiterhin kontaminierte Wässer aus, die gefasst und ordnungsgemäß entsorgt werden müssen. Diese Kosten für die fortlaufende Fassung, Analytik und ordnungsgemäße Ableitung der Wässer sind nicht mehr Gegenstand der Vereinbarung vom 21. Juli 2000, sondern werden seit 2005 über eine ausschließlich für diese Maßnahme erteilte Altlastenfreistellung der MBW refinanziert. 8. Welche Maßnahmen sind zukünftig, insbesondere im Hinblick auf die Nut- zung des Geländes für die Tierkörperbeseitigungsanlage geplant? Die Biogas Webau UG hat auf dem Grundstück in 06679 Hohenmölsen, OT Webau, in der Gemarkung Webau, Flur 001, Flurstück 83/47 die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur biologischen Behandlung organischer Abfälle, einer Verbrennungsmotorenanlage und einer Biogasaufbereitungsanlage beim Landesverwaltungsamt beantragt. Für eine Tierkörperbeseitigungsanlage liegt kein Antrag vor. Die untere Abfall- und Bodenschutzbehörde des Burgenlandkreises wurde in diesem Verfahren als Träger öffentlicher Belange zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Im Rahmen der Prüfung der eingereichten Antragsunterlagen wurde für den Bereich Bodenschutz/Abfall/Düngerecht festgestellt, dass die Antragsunterlagen unvollständig sind. Es wurden umfangreiche Nachforderungen erhoben. 5 Im Bereich Bodenschutz umfasst dies:  die Abklärung der Altlastverdachtssituation im Boden für den künftigen Bau- bereich durch eine Gefährdungsabschätzung,  die Klärung möglicher Auswirkungen der Baumaßnahme auf die vor Ort herr- schende Kontaminationssituation, hier die Mobilisierbarkeit der im Boden und Grundwasser vorhandenen Schadstoffe bei Eingriffen in den Boden durch die Neubebauung, Versiegelung von Bodenfläche usw.  Ergebnisabhängig ist nach Vorlage der Untersuchungsergebnisse zu prüfen, ob und wenn ja welcher bodenschutzrechtlich begründete Handlungsbedarf sich ergibt. Erst dann kann auch entschieden werden, ob notwendiger Handlungsbedarf innerhalb des Genehmigungsverfahrens durch Nebenbestimmungen in der Anlagengenehmigung rechtssicher verankert werden muss oder ob die Umsetzung des Handlungsbedarfes vor einer Genehmigungserteilung notwendig ist.  Abfallrechtliche Belange, z. B. Umgang mit schadstoffbelasteten Aushubma- terialien, Schutz von Baumaterialien vor Schadstoffwirkungen sind hier ebenfalls zu klären. Der Antragsteller hat dazu bereits erste Vorschläge für die Erarbeitung einer Gefährdungsabschätzung vorgelegt. Diese werden derzeit durch die zuständigen Behörden geprüft. 9. Wie ist der aktuelle Stand der Schadstoffbelastung auf dem ehemaligen Werksgelände und in dessen Umgebung? Bitte auch so detailliert wie möglich, siehe Frage 1. Durch die Braunkohlenverschwelung kam es auf einer Fläche von ca. 550 ha zu einer starken Kontamination des Grundwassers mit Kohlenwasserstoffverbindungen auf Teer-, Phenol- und Benzolbasis mit teilweiser auf dem Grundwasser aufschwimmender Ölphase. Chemisch gesehen handelt es sich um ein Gemisch aus aliphatischen, aromatischen, teils leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen , die je nach Eintragsort in ihrer Zusammensetzung variieren. Die Stoffe wurden damals ohne Kenntnis ihrer Schädlichkeit gegenüber Mensch und Umwelt verarbeitet, gelagert und entsorgt. Sie bilden zusammen die Grundlage für die heutigen ökologischen Schäden. Der Boden wurde gleichfalls kontaminiert , wobei die Hauptschwerpunkte die eigentlichen Betriebsflächen bilden, einschließlich der dazugehörigen Teerteiche und Abprodukthalden, hier im Besonderen die ehemaligen Teerhalden Oberabtei, Unterabtei und Halde Gerstewitz . Hinzu kommen die für den Betrachtungsraum typischen Schädigungen des Untergrundes durch den seit ca. 1830 erfolgten Braunkohlenbergbau. Trotz der umfangreichen Sanierungsmaßnahmen sind aufgrund der industriellen Vornutzung im Boden und dem Grundwasserleiter Kontaminationen verblieben , die mit verhältnismäßigem Aufwand nicht saniert werden können. Allerdings gehen nach Durchführung der festgelegten Sanierungsmaßnahmen vom Standort keine Beeinträchtigungen aus, die nach derzeitigem Kenntnisstand weitergehende Sanierungsmaßnahmen bedingen. Davon ausgenommen ist die 6 Fassung und Ableitung kontaminierter Wässer im Auenbereich der Nessa, die bis auf weiteres zu betreiben sind. 10. Können Beeinträchtigungen der Umwelt ausgeschlossen werden? Durch die industrielle Vornutzung des Standortes sind Boden und Grundwasser mit Schadstoffen kontaminiert. Insoweit ist eine Beeinträchtigung der Umwelt gegeben. Ziel der durchgeführten Maßnahmen war, die vorhandenen Kontaminationen so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen . Diese Zielstellung ist mit Durchführung der bereits beschriebenen Sanierungsmaßnahmen erreicht worden. Hinsichtlich möglicher Umweltbeeinträchtigungen durch den Bau und den Betrieb der in der Antwort zu Frage 8 dieser Kleinen Anfrage benannten Anlagen ist das Ergebnis der Prüfungen im laufenden Bundesimmissionsschutzverfahren abzuwarten. 11. Wird der Standort aktuell noch umwelttechnisch überwacht? Wenn ja, was wird gemessen und in welchem zeitlichen Abstand? Die nachlaufende Überwachung des Standortes über ein Grundwassermonitoring wurde 2005 beendet. Derzeit wird die Menge und Qualität der über die Dränage in die öffentliche Kanalisation abzuleitenden kontaminierten Wässer jährlich überwacht. Im Jahr 2013 wurde eine Menge von 3.257 m³ benzollastiges Kohlenwasserstoffgemisch gefasst und abgeleitet. 12. Wurde im Rahmen der bisherigen Sanierungsmaßnahmen auch gezielt nach Waffen- und Munitionsresten aus dem Zweiten Weltkrieg gesucht? Wenn ja, wann wurde gesucht und in welchem Umfang (Stichprobe, ganzes Areal etc.)? Eine Belastung des Geländes der ehemaligen PWW mit Kampfmitteln ist dem Kampfmittelbeseitigungsdienst nicht bekannt. Nach Auskunft der MBW wurde das Gelände nicht bombardiert. Gleichwohl hat ein Kampfmittelräumunternehmen im Auftrag der MDSE am 26. November 2010 und am 19. Januar 2011 im Zuge der Errichtung von Grundwasserbrunnen auf dem Gelände des Werkes II insgesamt sechs Bohransatzpunkte mit einem Oberflächensuchverfahren auf das Vorhandensein von Abwurfmunition (Fliegerbomben) untersucht. Bei der Errichtung der Brunnen wurden weder Abwurfmunition noch andere Kampfmittel gefunden.