Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3505 13.10.2014 (Ausgegeben am 13.10.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Belästigungen von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern Kleine Anfrage - KA 6/8507 Vorbemerkung des Fragestellenden: Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher üben ihre Tätigkeit häufig in einem konfliktbehafteten Umfeld aus. Diese Tätigkeit wird zudem von Gruppierungen und Personen, welche mit unterschiedlichen Begründungen die staatsrechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland abstreiten und umgangssprachlich als „Reichsdeutsche “ bezeichnet werden, erschwert. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung Vorbemerkung: Die sog. „Reichsbürgerbewegung“ war bereits Gegenstand einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag (BT-Drs. 17/11970). Auch in Sachsen-Anhalt liegen Erfahrungen im Umgang mit Angehörigen der Reichsbürgerbewegung vor. Deren Aktivitäten richten sich nicht nur gegen Gerichtsvollzieher, sondern auch gegen andere Justizbedienstete , insbesondere auch Richter. So wurden Gerichtsvollzieher bei Vollstreckungshandlungen und Richter in Verhandlungen „verdeckt“ gefilmt und diese Filme ins Internet gestellt. Um Justizbedienstete einzuschüchtern, werden diese in ihren Dienstzimmern aufgesucht. Es wird ihnen suggeriert, dass sie rechtswidrig handeln würden und auch angedroht, sie für die Folgen ihres Handelns strafrechtlich und/oder zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Auch wurde bereits der Versuch unternommen, Schadensersatzforderungen gegen Justizbedienstete geltend zu machen . Es handelt sich insoweit aber um wenige Einzelfälle, die bisher nicht zum Anlass genommen wurden, statistische Erhebungen vorzusehen. Dies vorausgeschickt, werden die Fragen wie folgt beantwortet: 2 1. Wie viele Vollstreckungsbeamte wurden seit 2011 durch sogenannte „Reichsdeutsche“ verbal oder körperlich belästigt und/oder in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt? Bitte aufschlüsseln nach Jahresscheiben sowie nach Landkreisen bzw. kreisfreien Städten. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 2. Wie verteilen sich diese erfolgten Belästigungen zwischen den dienst- lichen Hausbesuchen und Diensträumlichkeiten im Einzelnen? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 3. In wie vielen Fällen erstreckten sich die Belästigungen bis in den privaten Lebensraum der Betroffenen und welcher Art waren diese im Einzelnen? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 4. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung getroffen, um Vollstre- ckungsbeamte bzgl. der Problematik sogenannter „Reichsdeutscher“ vorzubereiten und ihre Sicherheit zu erhöhen? Um für eine erhöhte Wachsamkeit von Justizangehörigen zu sorgen, wurde das Thema mit dem für die unmittelbare Dienstaufsicht über die Dienststellen des Geschäftsbereichs zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts Naumburg erörtert. Der Generalstaatsanwalt hat eine Handreichung zum Umgang mit Personen der Reichsbürgerbewegung erstellt. In Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt wurde im März 2014 eine Fachtagung mit dem Thema „Reichsbürger - Sonderlinge oder Teil einer rechtsextremen Bewegung?“ in Magdeburg ausgerichtet. Eine weitere vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung (MJ), Ministerium für Inneres und Sport (MI) sowie der Landeszentrale für politische Bildung gemeinsam ausgerichtete Tagung zu dem Thema findet am 08.10.2014 an der Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt in Aschersleben statt. Das Ministerium für Inneres und Sport hat im September 2014 einen Informationsflyer des Verfassungsschutzes „Reichsbürger“ in Sachsen-Anhalt Was ist zu tun? veröffentlicht, der Hinweise bei Auseinandersetzungen mit „Reichsbürgern“ gibt. Neben Hintergrundinformationen zum Thema enthält der Flyer Ratschläge zum Umgang mit „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“. Der kostenlose Flyer kann bei der Verfassungsschutzbehörde Sachsen-Anhalt bestellt oder im Internet unter http://www.verfassungsschutz.sachsen-anhalt.de abgerufen werden. 5. Welche Maßnahmen und Unterstützungsangebote bietet die Landesregie- rung den von Belästigung betroffenen Vollstreckungsbeamten? Für die Unterstützung von Gerichtsvollziehern gilt der Gemeinsame Runderlass des MJ und des MI betr. Unterstützung der Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch die Polizei vom 29.06.2007 (MBl. LSA S. 589), zuletzt geändert durch Gem. RdErl. vom 24.10.2013 (MBl. LSA S. 604). Danach können Vollstreckungsbeamte um die 3 Unterstützung der Polizei ersuchen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles Widerstand gegen die Vollstreckungshandlung erwarten lassen. 6. Welche Erkenntnisse zieht die Landesregierung aus dem Umgang mit so- genannten „Reichsdeutschen“ in anderen Bundesländern und welche Maßnahmen könnten auch in Sachsen-Anhalt zur Anwendung kommen? Auf Justizebene hat zwischen den Bundesländern ein ausgiebiger Erfahrungsaustausch stattgefunden. Im Vorfeld der diesjährigen Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat das Land Mecklenburg-Vorpommern erneut einen Informationsaustausch initiiert. Im Geschäftsbereich des MI sind im Juli 2014 Handlungsempfehlungen für die Staatsangehörigkeits- sowie die Pass- und Ausweisbehörden erlassen worden. Der Verfassungsschutz berät und informiert anfragende Kommunen zur Thematik; der Verfassungsschutzbericht informiert seit Jahren über rechtsextremistische „Reichsbürger“. 7. Welche Verbindungen zu rechten Gruppierungen und Ideologien zwischen den sogenannten „Reichsbürgern“ und ihren Gruppierungen in SachsenAnhalt sind der Landesregierung bekannt? In Sachsen-Anhalt sind zwei „Reichsbürger“ aktiv, die auch Mitglied in der NPD sind. Die in Sachsen-Anhalt bekannten Gruppierungen und Einzelpersonen im Sinne der Fragestellung finden in der rechtsextremistischen Szene keine Zustimmung und Unterstützung. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass die so genannten „Reichsbürger “ sich nicht bewusst vom Rechtsextremismus abgrenzen.