Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/356 01.09.2011 (Ausgegeben am 01.09.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Therapieangebote für Sexualstraftäter in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7144 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie viele Sexualstraftäter befinden sich zurzeit in Sachsen-Anhalt im Strafvollzug und wie viele der betreffenden Personen sind in einer therapeutischen Behandlung? Am Stichtag 25. August 2011 befinden sich im Strafvollzug von Sachsen-Anhalt 161 verurteilte Sexualstraftäter. Davon befinden sich 69 Personen in therapeutischer Behandlung. 2. In welchem Umfang finden die jeweiligen therapeutischen Behandlungen statt? Speziell ausgerichtete Therapieprogramme für Sexualstraftäter werden in der Sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Halle angeboten. Alle Personen, die für eine Aufnahme in der Sozialtherapeutischen Abteilung vorgesehen sind, durchlaufen zunächst eine 9-wöchige Vorbereitungsgruppe. Das Ziel dieser Maßnahme besteht zum einen in der Einschätzung der vorliegenden Therapiemotivation und zum anderen in einer konkreten praktischen Vorbereitung auf gruppentherapeutisches Arbeiten und das Zusammenleben in der Wohngruppe. Diese gezielte Vorbereitung in Form einer gruppendynamischen Maßnahme erhöhte die Behandlungsbereitschaft und verringert die Wahrscheinlichkeit eines Therapieabbruchs. Nach Absolvierung dieser Aufnahmephase erfolgt in der Regel die Verlegung in eine Behandlungsgruppe der Sozialtherapeutischen Abteilung. Die Therapieangebote erfolgen in Form von Einzel- und Gruppenmaßnahmen, welche sich auf wissenschaftlich anerkannte Verfahren gründen. Im Rahmen der Behandlungsplanung werden die spezifi- 2 schen Maßnahmen individuell für jeden Gefangenen festgelegt und deren Verlauf dokumentiert. Im Einzelnen werden folgende therapeutischen Maßnahmen angeboten: - Verhaltenstherapeutische, systemische und tiefenpsychologische Einzelthe- rapie (1 x wöchentlich à 60 Minuten.) - tiefenpsychologisch orientierte Gruppentherapie (1 x wöchentlich à 90 Minu- ten) - Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (18 Monate, 1-2 x wöchentlich à 90 Minuten) - Behandlungsprogramm für Gewaltstraftäter (9 Monate, 1 x wöchentlich à 90 Minuten) - Soziales Training (3 Monate, 1 x wöchentlich à 90 Minuten) - Alkohol- und Suchtgruppe (6 Monate, 1 x wöchentlich à 90 Minuten) - Gruppentraining sozialer Kompetenzen (4 Monate, 1 x wöchentlich à 90 Mi- nuten) - Selbstsicherheitstraining (3 Monate, 1 x wöchentlich à 90 Minuten) Das Behandlungsangebot der weiteren Justizvollzugsanstalten des geschlossenen Vollzuges des Landes Sachsen-Anhalt beinhaltet die Verlegung in die Sozialtherapeutische Abteilung der JVA Halle sowie Beratungsgespräche und Krisenintervention. 3. Wie schätzt die Landesregierung die Qualität der Therapieangebote in den Justizvollzugsanstalten ein? Die angebotenen therapeutischen Maßnahmen bieten eine adäquate Grundlage für eine erfolgreich therapeutische Behandlung von Sexualstraftätern. So stellt das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter eine verhaltenstherapeutisch orientierte Gruppenmaßnahme dar, die bundesweit in sozialtherapeutischen Einrichtungen und im Maßregelvollzug eingesetzt wird. Studien zur Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Gruppenmaßnahmen, vorrangig aus dem angloamerikanischen Raum, zeigen die Wirksamkeit dieser Angebote. Die Behandlungsangebote für Sexualstraftäter sind in den anderen Justizvollzugsanstalten des Landes auf die Verlegung der betreffenden Gefangenen in die Sozialtherapeutische Abteilung der JVA Halle ausgerichtet und qualitativ ausreichend, wobei die JVA Burg bedingt durch die dort untergebrachte Klientel mit langen Freiheitsstrafen eine qualitativ und quantitativ herausgehobene Stellung einnimmt. 3 4. Gib es eine Fremd- oder Selbstevaluation zu den Ergebnissen dieser Angebote ? Falls ja, bitte die Ergebnisse insbesondere hinsichtlich des Vergleichs der Rückfallquote von therapierten und nicht therapierten Straftätern darstellen. Der Lehrstuhl für Kriminologie der Martin-Luther-Universität in Halle evaluiert die therapeutische Arbeit der Sozialtherapeutischen Abteilung in der JVA Halle. Die Studie ist noch nicht abgeschlossen, zeigt aber schon positive Tendenzen in der Wirksamkeit der Behandlung. Zur Rückfallquote von therapierten und nicht therapierten Sexualstraftätern kann demnach noch keine Auskunft gegeben werden. Nach der letzten Planung soll die Evaluierungsstudie Ende 2011 abgeschlossen werden. Dann werden voraussichtlich die nötigen Fallzahlen erreicht sein, um eine statistisch abgesicherte Aussage zu erhalten. Die Studie untersucht dabei die Rückfälligkeit bis zu einem Zeitraum von fünf Jahren nach der Entlassung. 5. Welchen quantitativen und/oder qualitativen Verbesserungsbedarf sieht die Landesregierung bei den Therapieangeboten? Entsprechend der Antwort zu Frage 3 besteht hinsichtlich der therapeutischen Behandlung kein qualitativer Verbesserungsbedarf. Ein quantitativer Verbesserungsbedarf besteht grundsätzlich. Sofern ein entsprechender Personalaufwuchs möglich ist, könnten die 116, im Gebäude der SothA zur Verfügung stehenden Plätze, vollständig belegt werden. 6. Welche Auslastung verzeichnet die Landesregierung beim Nachsorgepro- jekt FORENSA? Bitte differenziert nach Jahresscheiben und Standorten darstellen. Die Rahmenkonzeption der FORENSA sieht eine Kapazität von 80 Klienten vor, an den beiden Standorten in Magdeburg und Halle jeweils 40 Klienten. Die FORENSA hat am Standort Magdeburg im Juli 2008 und am Standort Halle im Oktober 2008 ihre Arbeit aufgenommen. Zur jeweiligen Auslastung erfolgt seit dem Jahr 2009 eine regelmäßige Stichtagserhebung. Stichtagswerte ergeben sich aus der folgenden Tabelle: Stichtag Betreute Personen Standort Magdeburg Standort Halle 31.12.2009 52 33 31.12.2010 53 46 31.07.2011 55 46 7. Gibt es Anfragen bei FORENSA, die kurzfristig nicht abgearbeitet werden können? Gibt es entsprechende Wartelisten? Falls ja, wie viele Personen enthalten diese und in welchem Zeitraum ist mit der Abarbeitung der Wartelisten zu rechnen? 4 Trotz der zahlenmäßigen Überschreitung der in der Rahmenkonzeption vorgesehenen Kapazitäten wurden bislang alle Personen, die die Aufnahmekriterien erfüllten, in die FORENSA aufgenommen. Wartelisten bestehen nicht. 8. Wie viel Personal ist beim Projekt FORENSA aktuell beschäftigt? Bitte dif- ferenziert nach Professionen und Stellenbewertungen darstellen. Von der Trägerin der FORENSA, der SALUS gGmbH, werden ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vier Psychologen, eine Fachkrankenschwester und eine Verwaltungsfachangestellte in der FORENSA eingesetzt. Von Justizseite sind acht Mitarbeiter des gehobenen Sozialdienstes des Sozialen Dienstes der Justiz mit je der Hälfte ihrer Arbeitskraft in der FORENSA tätig. Auf die beiden Standorte bezogen besteht folgende Personalausstattung: Standort Magdeburg: 2 Psychologen, 4 Mitarbeiter des Sozialen Dienstes der Justiz mit jeweils der Hälfte ihrer Arbeitskraft und 1 Fachkrankenschwester Standort Halle: 2 Psychologen, 4 Mitarbeiter des Sozialen Dienstes der Justiz mit jeweils der Hälfte ihrer Arbeitskraft und 1 Verwaltungsfachangestellte Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist als ärztlicher Leiter übergreifend für beide Standorte zuständig. Darüber hinaus fungiert eine Sozialarbeiterin des gehobenen Sozialdienstes mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft als Organisatorische Leiterin, ebenfalls für beide Standorte. Die Wertigkeit der Stellen des von der Salus gGmbH für das Projekt bereitgestellten Personals ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. FORENSA Personalübersicht Funktion Eingruppierung Stellenplan VK Ist am (SALUS- in Vk 31.07.2011 Tarifvertrag) Anzahl Anzahl I. Ärztlicher Dienst Chefarzt AT 1 1 II. Krankenpflegedienst Krankenschw./pfl. IX 1 1 III. Psych. Dienst Psychologen IV 4 4 IV. Verwaltungsdienst IX 1 1 Summe Gesamt 7 7 5 9. Plant die Landesregierung langfristig die Weiterfinanzierung des Projektes FORENSA? Falls ja, beabsichtigt die Landesregierung eine personelle Erweiterung des Projektes? Die FORENSA mit der bisherigen Personalausstattung soll in den Jahren 2012/2013 als Modellprojekt fortgeführt werden. Auch ist eine externe Evaluation über zwei Jahre vorgesehen. Die Erfahrungen mit der multiprofessionellen forensischen Nachsorge durch die FORENSA haben bereits angedeutet, dass diese Art der Nachsorge zu einer beachtlichen Entlastung der stationären Betreuungszahlen führt. Gleichzeitig senkt die neue Betreuungsform nicht zuletzt auch durch die unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten bei Nichtbefolgung von Führungsweisungen und bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines Betroffenen die Gefahr von Wiederholungsstraftaten. Im Rahmen der externen Evaluation soll auch der Frage nachgegangen werden , ob und in welchem Umfang die Personalausstattung der FORENSA im Fall einer Fortführung des bisherigen Modellprojekts als dauerhafter Bestandteil des forensischen Nachsorgeangebotes des Landes geboten ist und ggf. erweitert werden muss.