Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3565 03.11.2014 (Ausgegeben am 05.11.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Speicherung sachsen-anhaltischer Bürger/innen in Datenbanken des Bundeskriminalamts Kleine Anfrage - KA 6/8533 Vorbemerkung des Fragestellenden: Einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (LINKE) zufolge, speichert das Bundeskriminalamt (BKA) in großer Zahl „personengebundene Hinweise (PHW)“ über Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik , selbst wenn zu den entsprechenden Personen keine Vorstrafen vorliegen . Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Nach § 7 Abs. 8 Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) kann das Bundeskriminalamt in Fällen, in denen in einer Datei bereits Daten zu einer Person gespeichert sind, hierzu auch solche personengebundenen Hinweise (PHW) speichern, die zum Schutz dieser Person oder zur Eigensicherung von Beamten erforderlich sind. Dies betrifft die PHW „bewaffnet“, „gewalttätig“, „Ausbrecher“, „Ansteckungsgefahr“, „geisteskrank“, Betäubungsmittelkonsument“, „Freitodgefahr“, „Explosivstoffgefahr“ und „Rocker“. Nach § 8 Abs. 2 BKAG kann das Bundeskriminalamt neben den personenbezogenen Daten nach § 8 Abs. 1 BKAG weitere personenbezogene Daten von Beschuldigten und von Personen, die einer Straftat verdächtig sind, speichern, soweit dies erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass Strafverfahren gegen den Beschuldigten oder Tatverdächtigen zu führen sind. Dies betrifft die 2 PHW „Straftäter rechtsmotiviert“, „Straftäter linksmotiviert“, „Straftäter politisch motivierte Ausländerkriminalität“ und „Sexualstraftäter“. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BKA-Datenverordnung (BKADV) sind die personengebundenen Hinweise, die zum Schutz des Betroffenen, der Eigensicherung der ermittelnden Bediensteten oder der Ermittlungsunterstützung dienen, personenbezogene Daten zur Fahndung und polizeilichen Beobachtung. Sie dürfen sich nach § 6 Abs. 2 BKADV beziehen auf Personen, - nach denen zum Zwecke der Strafverfolgung, der Strafvollstreckung und des Strafvollzugs gefahndet wird, - nach denen zum Zwecke der Abwehr erheblicher Gefahren gefahndet wird, - nach denen zum Zwecke der Durchführung aufenthaltsbeendender oder einreise- verhindernder Maßnahmen gefahndet wird oder - die zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben sind. Nach Beendigung einer Ausschreibung zur Fahndung oder polizeilichen Beobachtung sind die zu diesem Zweck gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen (vgl. § 9 Abs. 1 BKAG). Die personengebundenen Hinweise von Beschuldigten und Personen, die einer Straftat verdächtig sind, können zudem auch in einer delikts- und phänomenbezogenen Datei und im Kriminalaktennachweis gespeichert werden (vgl. § 10 Abs. 2 BKADV). Die personenbezogenen Daten nach § 7 Abs. 8 BKAG gehören auch zu den personenbezogenen Daten von Vermissten, unbekannten hilflosen Personen und unbekannten Toten (vgl. § 8 Nr. 5 BKADV) und zu den personenbezogenen Daten, die in einer Gewalttäterdatei gespeichert werden können (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 4 BKADV). Die Kriterien, die der Vergabe der PHW im polizeilichen Informationssystem im Sinne von § 11 BKAG zugrunde zu legen sind, und damit auch die Rückschlüsse, die aus der Vergabe eines PHW gezogen werden können, sind vom Bundeskriminalamt in dem sogenannten „PHW-Leitfaden“ (Stand: 20. August 2012, VS - Nur für den Dienstgebrauch) geregelt. Der Leitfaden kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. Das Bekanntwerden dieser verwaltungsinternen Anweisung durch öffentlichen Abdruck im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage durch die Landesregierung ließe befürchten, dass die Gefahrenabwehr (insbesondere Verhütung von Straftaten) bzw. Strafverfolgung beeinträchtigt würde und hierdurch dem Wohl des Landes Sachsen-Anhalt Nachteile zugefügt würden. Zudem gilt das sogenannte „Jedermanns -Einsichtsrecht für Verfahrensverzeichnisse“ bei automatisierten Verfahren der Polizei zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nicht (vgl. § 14 Abs. 5 Satz 4 Datenschutzgesetz Sachsen-Anhalt). Aktuell werden die o. a. 13 verschiedenen Kategorien von PHW beim BKA gespeichert . Die in der Antwort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hunko vom 3 16. September 2014 auch genannten PHW „Prostitution“, „Landstreicher“, „Hilflosigkeit vermutet“, Straftäter militanter Organisationen“ und „Fixer“ werden bei der Beantwortung der Frage 4 nicht aufgeführt, da sie aktuell nicht mehr verwendet werden. Noch gespeicherte derartige Hinweise sind sogenannte „Altbestände“, deren Löschung das BKA veranlasst hat (vgl. Antwort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel vom 26. September 2014). Personengebundene Hinweise (Bewertungen) dürfen nach § 26 Abs. 3 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG LSA) anderen als den Sicherheitsbehörden und der Polizei nicht übermittelt werden. Dies gilt nicht, soweit Fahndungsaufrufe mit einer Warnung verbunden sind. Im Übrigen kommt eine Übermittlung von PHW an andere öffentliche oder nichtöffentliche Stellen nur unter den Voraussetzungen von § 27 Abs. 4 oder § 28 Abs. 2 SOG LSA in Betracht. Der Dritte, an den die Daten übermittelt worden sind, darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verarbeiten oder nutzen, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind (vgl. § 13a SOG LSA i. V. m § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 4 Datenschutzgesetz SachsenAnhalt ). 1. Ist der Landesregierung die Speicherung personengebundener Hinweise durch das BKA bekannt? Ja. Bei Dateien des polizeilichen Informationssystems bedarf die Errichtungsanordnung auch der Zustimmung der zuständigen Innenministerien und Senatsinnenverwaltungen der Länder (§ 34 Abs. 2 BKAG). 2. Hat das Land Sachsen-Anhalt insbesondere über polizeiliche Informa- tionssysteme Zugriff auf die personengebundenen Hinweise des BKA? Welche Behörden haben im Einzelnen Zugriff auf die entsprechenden Datensätze ? Nach welchen rechtlichen Grundlagen richtet sich der Zugriff von Behörden des Landes auf die Datensätze? Ja. Alle Polizeibehörden (Polizeidirektionen und das Landeskriminalamt) haben im Rahmen der jeweiligen Aufgabenerfüllung Zugriff auf die in Rede stehenden personenbezogenen Daten. Der Abruf personenbezogener Daten im Rahmen des polizeilichen Informationssystems richtet sich nach § 11 Abs. 2 BKAG. 3. Zu welchen Zwecken nutzen Behörden des Landes Sachsen-Anhalt Da- tensätze, die sich auf personengebundene Hinweise des BKA beziehen im Einzelnen? Die personengebundenen Hinweise darf die Landespolizei grundsätzlich nur zu den Zwecken nutzen, zu denen sie gespeichert sind. Dritte (andere Behörden) dürfen PHW nur für den Zweck nutzen, zu dessen Erfüllung sie ihnen von der Polizei übermittelt worden sind (vgl. Vorbemerkung der Landesregierung). Anhaltspunkte dafür, dass die Polizei PHW nicht zweckentsprechend nutzt oder ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen an andere Behörden übermittelt , liegen der Landesregierung nicht vor. 4 4. Zu wie vielen Bürgerinnen und Bürgern des Landes Sachsen-Anhalt sind beim Bundeskriminalamt personengebundene Hinweise gespeichert? Bitte nach den 18 beim BKA vorhandenen Kategorien (u. a. „BTMKonsumenten “, „Prostitution“, „Landstreicher“, „Rocker“, „Ausbrecher“ sowie „Sexualtäter“) differenzieren und die jeweilige Anzahl von Einwohnerinnen und Einwohnern mit Wohnsitz in Sachsen-Anhalt angeben. PHW-Kategorie Anzahl bewaffnet 923 gewalttätig 2 647 Ausbrecher 86 Ansteckungsgefahr 78 geisteskrank 76 Betäubungsmittelkonsument 13 856 Freitodgefahr 108 Straftäter rechtsmotiviert 1 191 Straftäter linksmotiviert 397 Straftäter politisch motivierte Ausländerkriminalität 67 Sexualstraftäter 2 013 Explosivstoffgefahr 12 Rocker 49 Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 5. Welche Rückschlüsse ziehen sachsen-anhaltische Polizeibeamtinnen und -beamte aus dem Vorliegen von personengebundenen Hinweisen des BKA zum Beispiel aus Anlass einer Polizeikontrolle? Sofern die Polizei eine Person z. B. im Rahmen einer lagebildabhängigen Kontrolle nach § 14 Abs. 3 SOG LSA oder an einer Kontrollstelle nach § 20 Abs. 2 Nr. 6 SOG LSA antrifft, können die dabei erhobenen personenbezogenen Daten nach § 30 Abs. 1 Satz 3 SOG LSA mit dem Fahndungsbestand abgeglichen werden. Die im Rahmen des Datenabgleichs gewonnenen Erkenntnisse (auch personengebundene Hinweise) dürfen entsprechend des jeweiligen Speicherzwecks (vgl. Vorbemerkung der Landesregierung) genutzt werden. Auch bei der Datennutzung finden die allgemeinen Grundsätze des SOG LSA Anwendung. Dazu zählt insbesondere das Diskriminierungsverbot nach § 6 Abs. 3 SOG LSA. Anhaltspunkte dafür, dass die Polizeibeamtinnen und –beamten personenbezogene Hinweise nicht dem Speicherzweck entsprechend bzw. entgegen dem Diskriminierungsverbot nutzen, liegen der Landesregierung nicht vor. 5 6. Welche Möglichkeiten haben Bürgerinnen und Bürger des Landes zu er- fahren, ob zu ihnen personengebundene Hinweise beim BKA gespeichert sind? Wie können entsprechende Hinweise gelöscht werden? Zum einen ist ein Betroffener nach Maßgabe des § 24 SOG LSA bzw. § 32 BKAG über eine Speicherung personenbezogener Daten zu unterrichten und zum anderen kann ein Betroffener nach § 12 Abs. 5 BKAG Auskunft über die beim Bundeskriminalamt gespeicherten personenbezogenen Daten erlangen. Sofern ein Landeskriminalamt nach § 15 Datenschutzgesetz Sachsen-Anhalt Auskunft aus einem Landessystem erteilt, kann es hiermit einen Hinweis auf einen vom Land im polizeilichen Informationssystem (nach § 11 BKAG) eingegebenen Datensatz verbinden. Die Löschung von personenbezogenen Daten, die die Polizei zum Zweck der Gefahrenabwehr (insbesondere Verhütung von Straftaten) und Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten gespeichert hat, richtet sich, ausgenommen die Löschung für Zwecke eines Strafverfahrens nach den Polizeigesetzen (vgl. § 484 Abs. 4 StPO). Die Landespolizei bzw. das Bundeskriminalamt hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten bei Vorliegen der Voraussetzungen nach 32 Abs. 2 SOG LSA bzw. 32 Abs. 2 BKAG zu löschen.