Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/358 01.09.2011 (Ausgegeben am 06.09.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Schülergerichte/Schülergremien Kleine Anfrage - KA 6/7150 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Koalitionspartner schrieben in ihrer Koalitionsvereinbarung fest, dass eine räumliche und inhaltliche Entwicklung des Projekts „Schülergremien“ angestrebt wird. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie viele „Schülerrichterinnen und -richter“ wurden seit Beginn des Pro- jektes in Sachsen-Anhalt ausgebildet? Bitte nach Geschlecht und Alter unterteilen. Das Ministerium der Justiz hat im Jahr 2007 mit der Einrichtung von Schülergremien im Land Sachsen-Anhalt begonnen. Das Projekt Schülergremium verfolgt das Ziel, mit einer Ahndung geringfügiger Delikte Jugendlicher durch ein aus Gleichaltrigen bestehendes Gremium weitere Straftaten des betreffenden Jugendlichen auch in der Zukunft zu verhindern. Die Mitglieder des Gremiums werden bewusst nicht als „Schülerrichter“ bezeichnet, da ihnen keine richterlichen Aufgaben übertragen sind und sie insbesondere nicht über die Schuldfrage zu entscheiden haben. Der Begriff „Schülerrichter“ resultiert aus der Tatsache , dass es sich um Jugendliche (i. d. R. zwischen 14 und 17 Jahren) handelt, die aufgrund ihres Alters vorwiegend noch Schulen besuchen (auch berufsbezogene Schulen). Die im Gremium tätigen Schüler entscheiden nach einem Gespräch mit den betroffenen Jugendlichen über angemessene Reaktionen auf deren Verfehlungen (Erbringen von Arbeitsleistungen, schriftliche Reflexionen zur begangenen Tat oder Entschuldigungen bei Tatopfern, künstlerische Auseinandersetzung mit 2 der begangenen Straftat), nach deren Erfüllung dann die entsprechenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nach den Regeln des Jugendgerichtsgesetzes eingestellt werden können. Die Trägerschaft für das Projekt obliegt dem Verein Anti-Gewalt-Zentrum Harz e. V. (Elbingerode). Die Arbeit begann zunächst mit der Ausbildung für das Projekt geeigneter Jugendlicher. In diese Ausbildung, die bis zum heutigen Tag fortgesetzt wird, ist die Zweigstelle Halberstadt der Staatsanwaltschaft Magdeburg durch dort tätige Jugendstaatsanwälte eingebunden. Nachdem die Ausbildung einer ersten „Generation“ von insgesamt sechzehn Gremiumsmitgliedern abgeschlossen war, nahm das Projekt ab April 2008 seine Arbeit auf. Bis Januar 2009 sind weitere elf, bis Februar 2011 weitere 7 Mitglieder des Schülergremiums ausgebildet worden. Zwei weitere Schüler werden in Kürze ihre Ausbildung beenden. Von den derzeit 34 zertifizierten Schülergremiumsmitgliedern sind 7 männlichen und 27 weiblichen Geschlechts. Bei Ausbildungsbeginn waren von den 34 Personen zwanzig 15 Jahre, neun 16 Jahre, drei 14 Jahre und zwei 17 Jahre alt. Die zwei noch in der Ausbildung dazu befindlichen Schüler sind männlichen Geschlechts und 15 Jahre alt. 2. Wie viele Schulen verfügen über Schülerrichterinnen und -richter? Das Projekt Schülergremium ist von schulischen Einrichtungen unabhängig. Das Projekt steht allen Schülerinnen und Schülern aus allen Schulen für eine Bewerbung als Gremiumsmitglied offen. Zurzeit sind Schüler aus folgenden Schulen als Gremiumsmitglieder tätig: Europagymnasium in Thale, Gymnasium Martineum in Halberstadt, Sekundarschule „Am Gröpertor“ in Halberstadt, Sekundarschule „Bodfeld“ in Elbingerode, Sekundarschule Heinrich-Heine in Blankenburg und Guts-Muths-Gymnasium in Quedlinburg. 3. Welche Staatsanwaltschaften haben in wie vielen Fällen Zuweisungen an Schülergerichte vorgenommen? Bitte zusätzlich nach Delikten unterteilen. Fallzuweisungen erfolgten bislang ausschließlich durch die Staatsanwaltschaft Magdeburg - Zweigstelle Halberstadt. Insgesamt wurden während der dreijährigen Pilotphase von April 2008 bis Jahresende 2010 dem Projekt Schülergremium 142 Fälle von Jugendverfehlungen durch die Staatsanwaltschaft Magdeburg - Zweigstelle Halberstadt - zugewiesen . Davon kam es in 116 Fällen zu einer Gremiumssitzung. 72 der insgesamt 142 zugewiesenen Fälle betrafen Diebstahlsdelikte, 22 Körperverletzungsdelikte . In 16 Fällen lag eine Sachbeschädigung vor. Die übrigen 32 Fälle betrafen sonstige Straftaten. 3 4. Welche Erfahrungen und Ergebnisse konnten festgestellt werden? Sind positive Auswirkungen hinsichtlich des Unrechtsbewusstseins der Betroffenen zu verzeichnen? Gibt es Aussagen bezüglich einer „Rückfallquote “? Wenn ja, welche? Auswertungen der einzelnen Gremiumsgespräche mit den Gremiumsmitgliedern unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Sitzung lassen nach Ansicht der Projektleiter den Schluss zu, dass sich die Gremiumssitzungen durchaus positiv auf die jugendlichen Beschuldigten ausgewirkt und deren Unrechtsbewusstsein gestärkt haben. Belegbare Angaben zu einer „Rückfallquote“ liegen nicht vor. Eine entsprechende Evaluierung hat bisher nicht stattgefunden. 5. Erfolgt zwischenzeitlich eine wissenschaftliche Begleitung des Projektes, insbesondere hinsichtlich der Einstellungsmöglichkeiten bzw. der Rückfallquoten und damit der Nachhaltigkeit des Klimas? Nein, siehe Antwort zu Frage Nr. 4. 6. Welche Einschätzung des Lehrpersonals zum Projekt ist der Landesregie- rung bekannt? Die Projektarbeit der Schülergremiumsmitglieder wird vom Lehrpersonal der jeweiligen Schulen in vollem Umfang unterstützt. Das Lehrpersonal steht dem Projekt Schülergremium durchweg positiv gegenüber. 7. Welche finanzielle Förderung des Projektes durch das Land plant die Landesregierung? Zur Durchführung des Projekts Schülergremium im Landkreis Harz wurden dem Trägerverein AGZ Harz e. V. für das Jahr 2011 zur Deckung der Personal- und Sachkosten bereits finanzielle Zuwendungen in Höhe von 27.124,00 € bewilligt. 8. Welche inhaltliche Erweiterung des Projektes plant die Landesregierung? Nach dem bisherigen Stand der Haushaltsplanungen ist vorerst in den nächsten zwei Jahren eine Ausweitung des Projekts Schülergremium nicht vorgesehen.