Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3582 06.11.2014 (Ausgegeben am 06.11.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Gudrun Tiedge (DIE LINKE) Einsatz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten für „polizeifremde “ Aufgaben Kleine Anfrage - KA 6/8529 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Polizei hat die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten sowie Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu erforschen. Daneben ergeben sich auch weitere per Gesetz übertragene Aufgaben, wie z. B. Maßnahmen im Zusammenhang mit der Durchführung von Abschiebungen gem. § 71 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes i. V. m. § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt. Alle Aufgaben, die die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt zur Erfüllung der gesetzlichen Aufträge bewältigt, sind Kernaufgaben der Polizei. Gleichwohl werden der Landespolizei auch Tätigkeitsfelder übertragen, die über die gesetzlichen Festlegungen hinausgehen. In Ermangelung einer Definition des Begriffs „polizeifremd“, bezieht sich die Beantwortung folglich auf diese nicht originären Aufgaben der Polizei. Im Rahmen der Beantwortung der zwei Kleinen Anfragen des Abgeordneten Herrn Erben (LT-Drucksache 6/2043 und 6/2044) wurden die in Rede stehenden Maßnahmen umfassend und unter erheblichem Aufwand für das Jahr 2012 dargestellt. Diese Anstrengungen begründeten sich mit einer auf der Datengrundlage basierenden Einzelauswertung von zahlreichen allgemeinen Dokumentationen zu Tätigkeiten von Polizeivollzugsbeamten . Eine gesonderte statistische Erfassung der Maßnahmen erfolgte in den Polizeibehörden und -einrichtungen nicht. Zudem lag in einer Vielzahl von Einsatzanlässen eine Gemengelage von originären und nicht originären Polizei- 2 aufgaben vor. Eine nachträgliche Differenzierung der jeweiligen Zeitanteile war nicht möglich. Aufgrund dieser Erfahrungen und den unveränderten Auswertebedingungen würde die Darstellung für die zurückliegenden fünf Jahre zu einer unverhältnismäßigen Erschwerung der regulären Tätigkeiten führen. Aus diesem Grund beschränkt sich die Abbildung der jeweiligen Maßnahmen auf das Jahr 2013. 1. Welche Aufgaben, die von der Polizei in Sachsen-Anhalt in den letzten 5 Jahren realisiert wurden, gehören zu den sogenannten „polizeifremden“ Aufgaben? Wie schätzt die Landesregierung diese Situation ein? Mit Hinweis auf die Vorbemerkung zählen zu den nicht originären Aufgaben der Polizei insbesondere Postzustellungen und Wohnsitzermittlungen für andere Behörden des Landes und Kommunen, Maßnahmen nach dem Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt (PsychKG LSA), Maßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht, Fahrerermittlungen zur Durchführung von Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften für Behörden anderer Bundesländer, Einziehung von Kraftfahrzeugpapieren für kommunale Straßenverkehrsbehörden sowie die Einziehung von Führerscheinen für Behörden anderer Bundesländer. Insbesondere vor dem Hintergrund des fortschreitenden Personalabbaus in der Landespolizei, stellen die angeführten Aufgaben einen nicht unerheblichen Anteil der Einsatzbelastung dar. 2. Wie viele Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte wurden in den letzten 5 Jahren für diese „polizeifremden“ Aufgaben eingesetzt? Bitte differenziert nach Jahren und Aufgaben auflisten. Die Benennung einer Anzahl von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten würde aus hiesiger Sicht nur bedingt aussagekräftig sein. Aus diesem Grund wird die Einsatzbelastung der erfragten Tätigkeiten für das Jahr 2013 anhand der dokumentierten Arbeitsstunden wie folgt abgebildet: a) Postzustellungen für Justizbehörden, Zentrale Bußgeldstelle und Kommu- nen: Mit Hinweis auf die Vorbemerkung wurden insgesamt 1.094,5 Arbeitsstunden für diese Aufgabe dokumentiert. b) Wohnsitzermittlungen für Justizbehörden, Zentrale Bußgeldstelle und Kommunen: Mit Hinweis auf die Vorbemerkung wurden insgesamt 3.614 Arbeitsstunden für diese Aufgabe dokumentiert. 3 c) Maßnahmen nach dem PsychKG, weil geeignete Verwaltungsvollzugsbe- amte der zuständigen Behörden nicht zur Verfügung standen: Mit Hinweis auf die Vorbemerkung wurden insgesamt 2.109 Arbeitsstunden für Maßnahmen nach dem PsychKG dokumentiert. Eine Differenzierung, ob und in welchem Umfang die Arbeitsstunden der Polizeivollzugsbeamten entstanden sind, weil geeignete Verwaltungsvollzugsbeamte nicht zur Verfügung standen, lässt sich nachträglich nicht verlässlich erheben. Insbesondere bei den in Rede stehenden Maßnahmen dürften oftmals Gemengelagen zwischen originären und nicht originären Zuständigkeiten vorgelegen haben. d) Maßnahme zur Durchsetzungen der Schulpflicht, weil geeignete Verwal- tungsvollzugsbeamte der zuständigen Behörden nicht zur Verfügung standen : Mit Hinweis auf die Vorbemerkung wurden insgesamt 28 Arbeitsstunden von Polizeivollzugsbeamten zur Durchsetzung der Schulpflicht dokumentiert . e) Fahrerermittlungen zur Durchführung von Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften für Behörden anderer Bundesländer: Mit Hinweis auf die Vorbemerkung wurden 17.373,5 Arbeitsstunden für diese Aufgabe dokumentiert. f) Einziehung von Kraftfahrzeugpapieren für kommunale Straßenverkehrs- behörden: Mit Hinweis auf die Vorbemerkung wurden 195 Arbeitsstunden für diese Aufgabe dokumentiert. g) Einziehung von Führerscheinen für Behörden anderer Bundesländer: Mit Hinweis auf die Vorbemerkung wurden 1.176,5 Arbeitsstunden für diese Aufgabe dokumentiert. 3. In welchem Umfang werden zurzeit „polizeifremde“ Aufgaben innerhalb der Polizei in Sachsen-Anhalt von Vollzugsbeamten und -beamtinnen geleistet , die aus Sicht der Landesregierung nicht zwingend von diesen erfüllt werden müssten? Aus Sicht der Landesregierung hat die Erfüllung der gesetzlichen Aufträge gegenüber den nicht originären Aufgaben grundsätzlich Vorrang. Ungeachtet dessen ist die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt bestrebt, alle ihr zugewiesenen Aufgaben angemessen zu erfüllen. Nicht zuletzt erhöht die Durchführung der nicht originären Aufgaben auch die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber der gesamten Landesverwaltung. 4 4. Von welchen der unter Ziffer 1 benannten „polizeifremden“ Aufgaben wurden in den letzten 5 Jahren Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte in Sachsen-Anhalt mittels Aufgabenübertragung entlastet ? Wohin erfolgte die Aufgabenübertragung? In den letzten fünf Jahren erfolgte keine Übertragung der nicht originären Aufgaben . 5. Ist seitens der Landesregierung beabsichtigt, in Zukunft weitere soge- nannte „polizeifremde“ Aufgaben an eine andere Stelle zu übertragen, um die Polizei in Sachsen-Anhalt zu entlasten? Wenn ja, welche und wohin? Mit Bezug auf die wachsenden Herausforderungen bei der Erfüllung der originär übertragenen Aufgaben ist eine ständige Aufgabenanalyse unumgänglich. Ungeachtet des Willens hinsichtlich der auch zukünftigen Durchführung der nicht originären Aufgaben, wird sich die Landespolizei einer entsprechenden Prüfung nicht entziehen können. Eine Aussage darüber, ob und inwieweit solche Tätigkeitsfelder in der Zukunft bezüglich des Umfangs der Aufgabenerfüllung reduziert , auf andere Ressorts bzw. private Institutionen übertragen oder gar gänzlich entfallen werden, wäre rein spekulativ und obliegt nicht zuletzt einer fortwährenden politischen Willensbildung. 6. Wie wirkt sich aus Sicht der Landesregierung die Entlastung der Polizei- vollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten von sogenannten „polizeifremden “ Tätigkeiten aus? Gibt es möglicherweise Auswirkungen auf den Personalbestand (Stellenplan) bei der Polizei? Mit Verweis auf die Beantwortung der Frage 4. erfolgte keine Entlastung der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten von den erfragten Tätigkeiten .