Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3598 12.11.2014 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 12.11.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Zeugen- und Opferschutz in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8546 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Koalitionsvereinbarung zwischen den Landesverbänden der CDU und der SPD in Sachsen-Anhalt für die sechste Legislaturperiode 2011 bis 2016 wurde verankert : „Die bereits vorhandenen Instrumente des Zeugen- und Opferschutzes sollen konsequent angewandt und weiter ausgebaut werden. Die verschiedenen Institutionen, Behörden und Träger der Opferbetreuung sollen besser vernetzt und in ihrer Tätigkeit gestärkt werden. Der Opferschutzbericht der Justiz wird als interministerieller Bericht fortgeschrieben. Die Koalitionspartner legen besonderes Augenmerk auf die Opfer extremistischer Straftaten. Die Projektförderungen insbesondere im Bereich der Jugendanstalt Raßnitz, der Freien Straffälligenhilfe und die Fortbildungsprogramme der Justiz werden ohne Einschränkungen fortgeführt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Welche vorhandenen Instrumente des Zeugen- und Opferschutzes in Sach- sen-Anhalt wurden wie und in welcher Form konsequent angewandt und weiter ausgebaut? a) Zeugenschutzmaßnahmen nach dem Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz kommen insbesondere dann in Frage, wenn eine Person aufgrund ihrer Aussagebereitschaft einer besonderen und erhöhten Gefährdung ausgesetzt ist und ohne deren Angaben in einem Strafverfahren die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermitt- 2 lung zum Beschuldigten zumindest wesentlich erschwert wären. Mit ihrem Einverständnis und nach Feststellung der Eignung dieser Person kann diese in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Zweck und Ziel von Zeugenschutzmaßnahmen sind der Schutz der gefährdeten Person sowie die Sicherung der Strafverfolgung und des Strafverfahrens. Überwiegend wird von diesen Möglichkeiten bei der Ermittlung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere bei Organisierter Kriminalität oder anderer vergleichbar schwerer Kriminalität Gebrauch gemacht. Hier ist häufig nur mit Hilfe der Aussagen von Zeugen eine Sachverhaltsklärung möglich. Gemäß der in Sachsen-Anhalt geltenden „Gemeinsamen Richtlinie der Ministerien des Innern und der Justiz zum Schutz gefährdeter Zeugen vom 7. Juni 2004 (Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD))“ obliegt die Anordnung und Durchführung von Zeugenschutzmaßnahmen dem Landeskriminalamt im Zusammenwirken mit den Polizeibehörden. Unberührt hiervon bleiben Zeugenschutzmaßnahmen aufgrund anderer Vorschriften als dem Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz, insbesondere Betreuungs- und Schutzmaßnahmen für spezielle Personengruppen, bei denen die Voraussetzungen nach dem Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz nicht vorliegen. Das kann beispielsweise auf den Bereich der Menschenhandels- oder Schleusungsdelikte zutreffen . Vor dem Hintergrund der nachhaltigen Bekämpfung dieser Delikte und der Unterstützung der Opfer liegt es nicht nur im Interesse der Strafverfolgungsbehörden, diese Opfer zu einer Zeugenaussage zu bewegen. Entsprechende Aussagen sind oftmals der einzige bzw. entscheidende Ermittlungsansatz zur Verurteilung der Täter. b) Der polizeiliche Opferschutz ist darauf ausgerichtet, die Tatfolgen zu mindern, eine sekundäre Viktimisierung zu vermeiden und professionelle Hilfe zu vermitteln. Der polizeiliche Opferschutz ist in Sachsen-Anhalt in der Präventionsarbeit der Landespolizei verankert und in den folgenden Erlassen geregelt: - RdErl. des MI „Prävention und Opferschutz als Aufgaben der Polizei in Sachsen- Anhalt“ vom 21. Dezember 2009, MBL. LSA 2010, S. 15 - RdErl. des MI „Polizeiliche Maßnahmen zur Verhütung von Gewalteskalationen in engen sozialen Beziehungen, in Fällen von Stalking sowie in Fällen von Kindeswohlgefährdung “ (Interventionskonzept) vom 19. Oktober 2010, MBL. LSA 2010, S. 566. Auf der Ebene der Polizeidirektionen sind insbesondere unmittelbar nach Bekanntwerden von tatsächlichen Anhaltspunkten für Bedrohungen oder Gewalttätigkeiten in engen sozialen Beziehungen (GesB), bei Fällen von Stalking sowie damit einhergehenden Bedrohungen oder bei Fällen von Kindeswohlgefährdung alle erforderlichen und rechtlich zulässigen Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung durchzuführen, um die unmittelbare Gewalt und deren Fortsetzung zu verhindern. Parallel dazu sind die bereits gegen den Verursacher erwirkten gerichtlichen Anordnungen auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) zu dokumentieren und deren Durchsetzung grundsätzlich zu gewährleisten.  Personen- und Funktionsbezeichnungen gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form. 3 Ferner ist mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) vom 10. Juli 2003 in § 36 Abs. 3 SOG LSA eine gesetzliche Regelung geschaffen worden, die es den Sicherheitsbehörden und der Polizei ermöglicht, Personen aus ihrer Wohnung zu verweisen und gegen diese ein Betretungsverbot von bis zu 14 Tagen zu erwirken, um eine von ihnen gegenwärtig ausgehende Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnern derselben Wohnung abzuwehren. Darüber hinaus wurden mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des SOG LSA vom 26. März 2013 Regelungen geschaffen, die Zuwiderhandlungen gegen einen vollziehbaren Platzverweis, ein vollziehbares Aufenthaltsverbot oder einen vollziehbaren Wohnungsverweis aus generalpräventiven Gründen mit Bußgeld bewehren. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden (vgl. § 107 Abs. 1 und 3 SOG LSA). Im Rahmen des polizeilichen Opferschutzes wird jedem Opfer ein Merkblatt über die Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren ausgehändigt, um den Opfern eine effektive Wahrnehmung der Informations- und Beteiligungsrechte zu ermöglichen . Zudem werden den Opfern die in den Polizeidienststellen vorrätigen Informationsmaterialien zu den verschiedensten Opferhilfeeinrichtungen zur Verfügung gestellt. Grundsätzlich erfolgt die weitere polizeiliche Opferbetreuung der von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffenen Personen durch die in den Polizeirevieren nebenamtlich tätigen Opferschutzbeauftragten. In allen Polizeirevieren des Landes Sachsen -Anhalt werden geeignete Bedienstete als nebenamtliche Opferschutzbeauftragte eingesetzt, die für Fälle der GesB und Stalking sowie Kindeswohlgefährdung sensibilisiert und auch entsprechend fortgebildet sind. Diese haben gemäß dem erarbeiteten Interventionskonzept die Aufgabe, eigeninitiativ eine unverzügliche Kontaktaufnahme mit dem Opfer vorzunehmen. Das Opfer soll verhaltensorientiert oder in sicherungstechnischer Hinsicht beraten werden. Darüber hinaus soll der Opferschutzbeauftragte das Opfer über Hilfsangebote informieren und nach Möglichkeit zur nachsorgenden Opferbetreuung an örtliche Kooperationspartner vermitteln. Der Kontakt zu den vorhandenen Opferberatungs- und Interventionsstellen wird allerdings ausschließlich auf Wunsch des Opfers hergestellt. Darüber hinaus werden bei Bedrohungslagen im sozialen Nahbereich umgehend strukturierte Situations- und Gefährdungsanalysen durchgeführt. In diesem Rahmen werden Informationen zur Persönlichkeit des Gefährders und zu dessen Lebensumständen zusammengestellt. Dabei geht es insbesondere um die Gewinnung von Erkenntnissen und Hinweisen auf eine erhöhte Opfergefährdung. Auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse aus der Situations- und Gefährdungsanalyse sind in Abhängigkeit vom Einzelfall gegebenenfalls Schutzmaßnahmen für das Opfer gemäß Polizeidienstvorschrift (PDV) 129 „Personen- und Objektschutz (Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD))“ durchzuführen. Ferner sind auf den Gefährder gerichtete weitere Maßnahmen zu prüfen. Falls eine Gefährdung eines Opfers nicht ausgeschlossen werden kann, ist mit dem Gefährder unverzüglich Kontakt aufzunehmen und mit ihm eine Gefährderansprache durchzuführen , welche protokolliert wird. Im Rahmen eines solchen Gesprächs wird einem 4 Gefährder aufgezeigt, dass auf die von ihm verursachte Gefährdungslage notwendige (Schutz-)Maßnahmen zur Verhinderung seiner angedrohten Tatausführung durchgeführt werden, gleichzeitig wird ihm aber auch die Gelegenheit zu einer Aussprache über seine Krisensituation geboten und entsprechende weitere Hilfsangebote externer Beratungs- und Interventionsstellen benannt. c) Zur Beratung von Opfern rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie deren Angehörigen und Opferzeugen stehen im Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt spezialisierte Beratungsstellen zur Verfügung. d) Der in verschiedenen Vorschriften verankerte Zeugen- und Opferschutz wird im Rahmen der Strafverfahren in der von diesen Gesetzen vorgesehenen Form angewendet . Die zur Realisierung des Zeugen- und Opferschutzes eingesetzten einzelnen „Instrumente“ sind im Opferschutzbericht des Ministeriums der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. Oktober 2010 ausführlich und übersichtlich dargestellt. Gerichte und Staatsanwaltschaften leisten in der dort beschriebenen Form ihren Beitrag zum Opferschutz. In allen Präsidialgerichten und etlichen Amtsgerichten (z. B. Amtsgerichte Bernburg, Bitterfeld-Wolfen, Dessau-Roßlau, Köthen, Stendal, Wernigerode, Wittenberg, Zerbst) sind Räumlichkeiten zur Betreuung von Zeugen und Opfern von Straftaten eingerichtet. Bei Bedarf können auch an Amtsgerichten, die nicht über einen gesonderten Zeugenschutzraum verfügen, für Zeugen Warte- und Aufenthaltsräumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Die Betreuung der Zeugen wird u. a. in Absprache mit dem Sozialen Dienst der Justiz (Land- und Amtsgericht Magdeburg, Landgericht Stendal), etwa durch eine eigens zugewiesene Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes als Zeugenbetreuerin, durch externe Organisationen (beim Landgericht DessauRoßlau über das Sozial-Kulturelle Frauenzentrum Dessau e. V. und beim Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen über das Frauenhaus „Frauen helfen Frauen“) und im Übrigen durch Angehörige des jeweiligen Gerichts realisiert. Hierdurch wird nicht nur eine räumliche Nähe zu den Angeklagten und anderen Zeugen etwa beim Warten vor dem Sitzungssaal vermieden. Vielmehr kann dem betroffenen Personenkreis häufig auch eine Begleitung im Gerichtsgebäude und mitunter darüber hinaus angeboten werden. Die Möglichkeit zur Vernehmung von Zeugen in einem Raum außerhalb des Sitzungssaals unter Verwendung von Videotechnik (§ 247a StPO) besteht bei allen Landgerichten und an einigen Amtsgerichten. Sofern im Einzelfall geboten, können die nicht mit dieser Technik ausgestatteten Gerichte auf vorhandene Einrichtungen anderer Gerichte zurückgreifen. e) Im Sozialen Dienst der Justiz sind in sechs Dienststellen Opferberater tätig. Sie halten ein sozialpädagogisches, bedarfsgerechtes und lösungsorientiertes Betreuungsangebot für Opfer von Straftaten und deren Angehörige vor. Information, Beratung in Krisensituationen und zur psychosozialen Stabilisierung, praktische Unterstützung im Umgang mit Behörden, Begleitung zu Ärzten und Anwälten sowie eine vor- und nachbereitete Prozessbegleitung sind Gegenstand der Betreuungsarbeit. Hierzu zählt auch die Vermittlung in weiterführende Hilfen. 5 Die Beratung erfolgt streng vertraulich, kostenlos, auf Wunsch auch anonym. Die Hilfesuchenden bestimmen den Umfang der Zusammenarbeit und können diese jederzeit beenden. Hinzu kommt das Angebot der Zeugenbetreuung beim Landgericht und Amtsgericht Magdeburg. Es richtet sich an Opfer von Straftaten, die als Zeugen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens aussagen müssen. Ebenso werden deren Angehörige aber auch Zeugen, die mittelbar von einer Straftat betroffen sind, betreut. Die Betreuung soll Ängste, insbesondere vor der persönlichen Begegnung mit dem Täter, abzubauen helfen. Durch Hinweise zu Verfahrensabläufen und durch die Begleitung in den Gerichtssaal werden Belastungen im Gerichtsverfahren und bei der Zeugenaussage gemindert. Dies kann auch die Betreuung von Kindern während des Verfahrens beinhalten. Darüber hinaus gehört die Begleitung von Opferzeugen im Bedarfsfall auch zu den Aufgaben der Opferberatung. Eine stabile Personalsituation in Opferberatung und Zeugenbetreuung des Sozialen Dienstes der Justiz ist unabdingbar für ein flächendeckendes Betreuungsangebot in Sachsen-Anhalt. In den vergangenen zwei Jahren konnte das Ausscheiden von drei Opferberatern mit eigenem Personal kompensiert werden, so dass ein nahtloser Übergang gewährleistet wurde. Weiterhin ist beabsichtigt, in Halle sowohl beim Landgericht als auch beim Amtsgericht nach dem Konzept der Zeugenbetreuung in Magdeburg, eine eigenständige Zeugenbetreuung aufzubauen und mit Personal aus dem Bestand des Sozialen Dienstes der Justiz auszustatten. Erste Schritte sollen ab 2015 eingeleitet werden. Eine Opferberaterin des Sozialen Dienstes der Justiz hat in einer Bund-LänderArbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses mitgewirkt und Sachsen-Anhalt bei der Entwicklung von Mindeststandards zur Umsetzung der Psychosozialen Prozessbegleitung und von Standards in der Weiterbildung vertreten. Die Justizministerkonferenz hat am 25. und 26. Juni 2014 die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zustimmend zur Kenntnis genommen und den Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz gebeten, die erforderlichen Regelungen in der StPO zur Umsetzung zu treffen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat im September 2014 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) vorgelegt, in dem zukünftig u. a. die Psychosoziale Prozessbegleitung im deutschen Strafverfahrensrecht verankert werden soll. Die neuen Vorschriften hierzu knüpfen an die Regelungen zum Verletztenbeistand in den §§ 406f und 406g StPO an. Auch die Täterarbeit dient dem Opferschutz. Im Sozialen Dienst der Justiz ist deshalb mit der Einführung von Fachstandards und nunmehr im Rahmen einer umfassenden Überarbeitung die Spezialisierung auf risiko- und deliktorientierte Betreuungsverfahren in der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht vorangeschritten. So sind Bedienstete des Sozialen Dienstes der Justiz in einem Qualifizierungsprogramm zum Anti-Gewalt-Trainer geschult worden, um das seit 1998 in der Dienststelle Magdeburg erprobte Konzept des Anti-Gewalt-Trainings mit Probanden in anderen Dienststellen anzubieten. Dies ist nunmehr in vier der sechs Dienststellen der Fall. 6 Hinzu kommt die Durchführung eines Qualifizierungsprogramms zum spezialisierten Umgang mit Sexualstraftätern, an dem Bedienstete aus allen Dienststellen des Sozialen Dienstes der Justiz teilgenommen haben. f) Schließlich sind als weitere „Instrumente“ des Opferschutzes auch sonstige Einrichtungen des Schutzes und der Beratung der Opfer zu nennen. Hierbei sind vorrangig die 20 Frauenhäuser einschließlich ihrer 8 ambulanten Beratungsstellen, 4 Interventionsstellen für Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking, 4 Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt sowie die Beratungsstelle für Opfer von Frauenhandel und Zwangsverheiratung (VERA) und die Beratungsstelle für gewaltanwendende Männer (ProMann) anzuführen. Diese Einrichtungen der Opferhilfe werden unter dem Begriff des „landesweiten Netzwerkes für ein Leben ohne Gewalt“ subsummiert. Die Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt bieten rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr einen effektiven Schutzraum für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder. Die von den Unterstützungseinrichtungen angebotenen Hilfestellungen beziehen sich vorrangig auf: • Umfassende kostenfreie individuelle traumaspezifische und psychosoziale Bera- tung • Hilfe, Unterstützung und Betreuung in akuten Krisenlagen • Therapievermittlung zum Zweck der psychischen Gesundung • Hilfe bei der Neustrukturierung der eigenständigen Lebensführung • Unterstützung und Begleitung bei der Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden. Darüber hinaus werden umfangreiche Angebote der Präventions-, Öffentlichkeitsund Netzwerkarbeit durchgeführt. Das Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt (vgl. LT-Beschluss vom 10. November 2011, LT-Drs. 6/567) unter Federführung des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung dient insbesondere dem weiteren Ausbau des Opferschutzes. In diesem Zusammenhang wurde ein Maßnahmenkatalog entwickelt, der als einen Schwerpunkt den Antigewaltbereich zum Inhalt hat. Im Rahmen des Programms sollen mit dem Ziel der Verbesserung und Erweiterung der Opferhilfe bei Gewalt in sozialen Nahbeziehungen verschiedene Vorhaben verbunden werden. So soll beispielsweise der Gewaltschutz von Migrantinnen erhöht werden. Des Weiteren soll eine verlässliche Finanzierung der bestehenden Opferschutzeinrichtungen und Beratungsstellen gesichert werden. Zudem soll der Zugang zu Beratungen erleichtert werden und eine Stärkung von Beratungsangeboten für Jungen und Männer erfolgen , die von häuslicher Gewalt, sexualisierter Gewalt oder Stalking betroffen sind. Ferner sind Innovationen im Antigewaltbereich angedacht, die bestehende Lücken im Hilfesystem schließen sollen. Des Weiteren hat die 24. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder 2014 den Beschluss „Betreuung und Beratung für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder (AG)“ gefasst. Unter der Federführung von Sachsen-Anhalt wird ein zeitlich befristetes Arbeitsgremium eingerichtet. Es soll eine bundesweite Bestandsaufnahme über die bestehende Situation vorgenommen und die Unterschiede im Hilfesystem analysiert sowie Vorschläge zur weiteren nachhaltigen Verbesserung der Hilfeangebote für Opfer erarbeitet werden. 7 Weiterhin wird auf den Landesaktionsplan „einfach machen“ unter Federführung des Ministeriums für Arbeit und Soziales verwiesen. Im Rahmen der UAG-Inklusion finden regelmäßige Arbeitstreffen statt, bei denen die Maßnahmen des Handlungsfelds 7 („Frauen und Mädchen“) zur Verbesserung des Opferschutzes entwickelt werden. Insbesondere die Herstellung von Barrierefreiheit sowie die Verbesserung des Opferschutzes im ländlichen Raum beinhalten Kernthemen der Zusammenarbeit der Ressorts. In aktueller Vergangenheit erfolgte zudem eine verstärkte Kooperation mit der Fachberatungsstelle „VERA“ für Frauenhandel und Zwangsverheiratung. Hintergrund bildet eine geplante Novellierung des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2001, um den Schutz der Opfer zu erhöhen. Das Ministerium für Justiz und Gleichstellung hat diese Hinweise dem Bund zugeleitet und nimmt zudem an fachlichen Veranstaltungen des Bundes teil, um gesetzliche Rahmenbedingungen zu verbessern. In der Gesamtheit findet ein enger Fachaustausch mit den Einrichtungen der Opferhilfe statt, um die Kompetenz der Fachvertreter zu nutzen und in gemeinsamer Kooperation Wege der Optimierung zu etablieren. Nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Erstellung des interministeriellen Opferschutzberichtes findet eine enge Zusammenarbeit zwischen den Ressorts sowie mit den Einrichtungen der Opferhilfe statt. 2. Wie schätzt die Landesregierung den gegenwärtigen Stand der Vernetzung von Institutionen, Behörden und Trägern der Opferbetreuung in SachsenAnhalt ein? Welche Maßnahmen sollen künftig noch ergriffen werden, welche Vorhaben sind geplant? Die Landesregierung sieht die Vernetzung von Institutionen, Behörden und Trägern der Opferbetreuung in Sachsen-Anhalt als vielschichtig, umfassend und wirkungsvoll an. Netzwerkarbeit, die Beteiligung an Gremien und Arbeitskreisen auf regionaler, kommunaler oder landesweiter Ebene schaffen die Voraussetzungen für eine kollegiale und wertschätzende Zusammenarbeit mit den am Hilfeprozess aus unterschiedlicher fachlicher Sicht und Zuständigkeit beteiligten Institutionen. a) Zu den Aufgaben der Opferschutzbeauftragten bei der Polizei zählen neben einer qualifizierten Opferbetreuung auch der Aufbau neuer bzw. die Pflege vorhandener Netzwerkstrukturen mit staatlichen und freien Trägern des Opferschutzes sowie die Mitarbeit in Gremien und Projektgruppen auf kommunaler Ebene. Gerade die Vernetzung vor Ort wird als begünstigender Faktor für einen qualitativen Opferschutz angesehen. Insofern wird eine Fortführung der intensiven Kontaktpflege angestrebt. b) Die Einbindung der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt erfolgt unter anderem im Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus, das im Ministerium für Arbeit und Soziales koordiniert wird. Das Ministerium für Arbeit und Soziales sowie die Träger der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt sind im Beirat des Landesprogramms für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit vertreten. c) Opferberatung und Zeugenbetreuung des Sozialen Dienstes der Justiz sind gut vernetzt. Sie unterhalten vielfältige Kontakte zu Netzwerkpartnern, die in langjähriger 8 Zusammenarbeit entstanden sind und dabei aufgrund der verschiedenen Trägerlandschaft sich naturgemäß zumeist auf das Einzugsgebiet der jeweiligen Dienststelle beziehen. In Netzwerkübersichten werden die Institutionen erfasst. Die Kontaktdaten werden regelmäßig aktualisiert, um erforderlichenfalls eine störungsfreie Kommunikation zu ermöglichen. Um die unterschiedliche Ausrichtung der Kooperation zu verdeutlichen, seien nachfolgend beispielhaft folgende Einrichtungen besonders hervorgehoben : „VERA“, Wildwasser e. V. - Verein gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen, Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser, Weisser Ring, Mobile Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, Rechtsanwälte, Polizeidienststellen, Jugendhilfeeinrichtungen, Koordinierungsstellen Häusliche Gewalt und Stalking, Pro Familia, Mißmut, Landesfrauenrat , Jobcenter, Arbeitsagenturen, Interventionsstellen, Landesverwaltungsamt, Staatsanwaltschaften, Gerichte, Betreuungsvereine, Fachkliniken und Krankenhäuser , Traumaambulanz für Kinder und Jugendliche der Universitätsklinik Magdeburg, therapeutische Einrichtungen, Jugendberatungsstellen der Polizei, Gleichstellungsbeauftragte der Kommunen und Landkreise, Sozialpsychiatrische Dienste, Jugendämter , Psychiater und Therapeuten. d) Die dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung zugeordneten Unterstützungseinrichtungen arbeiten im landesweiten Netzwerk für ein Leben ohne Gewalt eng zusammen . Es finden regelmäßige Zusammenkünfte mit den Einrichtungen der Opferhilfe statt, die neben den aktuellen Sachständen auch Problemlagen einschließlich Maßnahmen der Abhilfe zum Inhalt haben. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Arbeit der Landesintervention und -koordinationsstelle bei häuslicher Gewalt und Stalking (LIKO), die maßgeblich zur trägerübergreifenden Vernetzung und Optimierung der Interventionsarbeit beiträgt. Die Zusammenarbeit mit LIKO wird als sehr umfassend eingeschätzt. Zur weiteren Sicherung der engen Verzahnung zwischen dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung und den Akteuren der Opferhilfe ist ein Fortbestand dieser Kooperationen maßgeblich. 3. Mittels welcher Maßnahmen wurde die Tätigkeit von Institutionen, Behör- den und Trägern der Opferbetreuung in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren gestärkt? Wie wurden diese in ihrer Tätigkeit unterstützt? a) Vor dem Hintergrund einer steten Verbesserung des polizeilichen Opferschutzes steht die Landespolizei im engen Kontakt mit den verschiedensten Opferberatungsstellen und Opferhilfeeinrichtungen sowie Interventionsstellen. Um insbesondere Opfern von Gewalt eine situationsangemessene und zeitnahe Hilfe zukommen zu lassen, werden z. B. regelmäßig Gespräche mit den Interventionsstellen Häusliche Gewalt, dem Weissen Ring e. V. oder den Beratungsstellen für Opfer rechtsextremistisch motivierter Gewalt geführt. Aufgrund eines solchen gemeinsamen Austauschs mit den Beratungsstellen für Opfer rechtsextremistisch motivierter Gewalt ist beispielsweise vom Ministerium für Inneres und Sport unter Beteiligung des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung sowie des Ministeriums für Arbeit und Soziales ein Erlass an die Polizeibehörden und -einrichtungen am 21. August 2014 ergangen. Der Erlass sieht vor, bei Anhaltspunkten für eine rechtextremistisch motivierte Gewaltstraftat bereits im Rahmen der polizeilichen Anzeigenaufnahme dem Opfer den Zugang für ein Beratungs- und Unterstützungsangebot dieser Opferberatungsstellen 9 zu ermöglichen. Dies erfolgt immer dann, wenn das Opfer dies wünscht und der Übermittlung seiner Daten an die Beratungsstelle zustimmt. b) Im Bereich der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt wird durch das Land eine Kofinanzierung sichergestellt. Zudem übernimmt die im Ministerium für Arbeit und Soziales angesiedelte Landeskoordinierungsstelle des Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus eine Koordinierungs- und Vernetzungsfunktion. Im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ erfolgte eine Stärkung der Opferberatungsstellen durch einen wissenschaftlich begleiteten Qualitätsentwicklungsprozess . c) Im Rahmen der finanziellen Förderung durch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung konnte für die Frauenhäuser eine Erhöhung der Zuwendung im Jahr 2014 erzielt werden. Die Zuwendungen des Landes wurden auf Grundlage der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der inhaltlichen Arbeit in den Frauenhäusern und deren ambulanten Beratungsstellen (MBl. LSA Nr. 21/2014) von 36.000 Euro für ein Frauenhaus mit 4 Schutzplätzen für Frauen auf 38.500 Euro und für jeden weiteren Schutzplatz von 8.000 Euro auf 8.600 Euro angehoben. Zudem erfolgt jährlich ein kontinuierlicher Austausch mit den Zuwendungsempfängern zum Zweck einer Bedarfsplanung und Qualitätssicherung. d) Opferberatung und Zeugenbetreuung des Sozialen Dienstes der Justiz sind als freiwillige Beratungsangebote in besonderer Weise auf eine funktionierende Öffentlichkeitsarbeit angewiesen. Hierzu zählt beispielsweise die Präsentation von Informationen im Landesportal der Landesregierung für eine schnelle Internetrecherche, die Darstellung der eigenen Arbeit auf interdisziplinären Tagungen oder Arbeitstreffen und die Bereitstellung von Informationsmaterial (Flyer und Broschüren etc.). In der Praxis bewährt hat sich aber auch der Hinweis auf die Zeugenbetreuung in den Zeugenladungen der Gerichte und die gezielte Vermittlung im Rahmen der Erstansprache von Opfern durch die Polizei. e) Mit Hilfe von Veranstaltungen wie „Kooperation an der Schnittstelle von Schule, Jugendhilfe und Justiz“ wurde zu einer besseren Vernetzung von Institutionen, Behörden und Trägern der Opferbetreuung beigetragen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 Bezug genommen. 4. Wie ist der gegenwärtige Stand der Fortschreibung des Opferschutzberich- tes des Ministeriums der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt in der Form als interministerieller Bericht? Die Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien sieht vor, den im Oktober 2010 erstellten justiziellen Opferschutzbericht nunmehr als interministeriellen Bericht fortzuschreiben . Die Federführung liegt im Ministerium für Justiz und Gleichstellung. Zur Umsetzung des Auftrages ist eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet worden , in der neben Vertretern des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung auch die Ministerien für Inneres und Sport sowie für Arbeit und Soziales und das Kultusministerium vertreten sind. Bereits im November 2011 fand die konstituierende Sitzung statt. In den folgenden Sitzungen sind Konzeption, Struktur und wesentlicher Inhalt 10 des interministeriellen Opferschutzberichts sowie die weitere Verfahrensweise festgelegt worden. Unter Beteiligung sämtlicher betroffener Ressorts (MI, MS, MK) sollen die vielfältigen Projekte und Maßnahmen der Landesregierung auf dem Gebiet des Opferschutzes umfassend dargestellt sowie Perspektiven für eine zukünftige Verbesserung des Opferschutzes aufgezeigt werden. Nach der Konzeption soll sich der Bericht nicht in einer Darstellung des Status quo beschränken, sondern auch Handlungsperspektiven aufzeigen und Grundlage für weitere Initiativen und Maßnahmen zur Intensivierung des Opferschutzes in den Ressorts bilden. Die beteiligten Ministerien (MI, MS und MK) sind gebeten worden, ihre Beiträge zur Aufnahme in den interministeriellen Opferschutzbericht bis Ende 2014 vorzulegen. Die im Ministerium für Justiz und Gleichstellung beteiligten Referate sind gebeten worden, ihre internen Zuarbeiten bereits bis Ende Oktober 2014 dem federführenden Referat zu übersenden. Die Zusammenstellung des justiziellen Beitrages zum interministeriellen Opferschutzbericht ist bis Ende 2014 geplant. Um auch die Sichtweise der Praxis, insbesondere der mit Opferbetreuung befassten Institutionen in den interministeriellen Opferschutzbericht einfließen zu lassen, sind bereits zwei Workshops mit Vertretern dieser Institutionen durchgeführt worden, und zwar am 10. Juli und 18. September 2014, die von den Teilnehmern als sehr konstruktiv angesehen worden sind. Nach weiteren umfangreichen Arbeiten am interministeriellen Opferschutzbericht (bspw. Zusammenführung und redaktionelle Bearbeitung der Ressortsbeiträge, Aktualisierung der Referats- und Ressortsbeiträge im 2. Quartal 2015, Schlussredaktion ) und einer anschließenden Kabinettsbefassung ist nach derzeitigem Stand geplant , den interministeriellen Opferschutzbericht im Rahmen einer Regierungserklärung durch Frau Ministerin Prof. Dr. Angela Kolb im November 2015 im Landtag vorzustellen und im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu behandeln. 5. Wie und wodurch wird die Landesregierung der in der Koalitionsvereinba- rung benannten Aufgabe gerecht, besonderes Augenmerk auf die Opfer extremistischer Straftaten zu lenken? Dieser Aufgabe wird die Landesregierung in vielfältiger Hinsicht gerecht: a) Die Landespolizei hat ihr zur Extremismusprävention bestehendes Präventionsangebot auf die Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung ausgerichtet. Schwerpunktthemen sind die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus, die Vermittlung von Zivilcourage und Demokratiebildung, die Integration sowie der gemeinsame Dialog mit Muslimen. Darüber hinaus stehen in den Polizeidirektionen Ansprechpartner für einen fachlichen Informationsaustausch insbesondere für die Opferberatungsstellen und die weiteren im Beratungsnetzwerk Sachsen-Anhalt verankerten Institutionen im Rahmen der Extremismusprävention zur Verfügung. b) In Sachsen-Anhalt stehen den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Angriffe vier professionelle und spezialisierte Beratungsstellen in freier Trägerschaft zur Verfügung. Diese werden im Rahmen der Bundesprogramme „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ (2011 - 2014) und „Demokratie leben! Aktiv gegen 11 Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ (2015 - 2019) gefördert und durch das Land Sachsen-Anhalt kofinanziert. c) Weiterhin hat sich Sachsen-Anhalt bereits seit dem Jahre 2007 dafür ausgesprochen , sogenannte Hass- und Vorurteilskriminalität durch eine entsprechende Änderung des Strafrechts explizit zu bekämpfen. Mit dem gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung befindlichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 18/3007) wird nunmehr dieser langjährigen Forderung insoweit Rechnung getragen, als der für die Strafzumessung einschlägige § 46 StGB ergänzt und rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele des Täters im Katalog der Strafzumessungsumstände ausdrücklich ausgewiesen werden. Es geht dabei darum, sicherzustellen, dass solche Delikte besonders geahndet werden , mit denen der Achtungsanspruch, den Jedermann für sich unabhängig von Hautfarbe, Religion oder sozialer Stellung in Anspruch nehmen kann, negiert und die Opfer zum Objekt degradiert werden. Die Betroffenen werden Opfer nicht durch Beziehung oder Konflikt, sondern deshalb, weil sie so sind, wie sie sind. Damit verbunden ist eine Terrorwirkung, die über das einzelne Opfer hinausgeht und all diejenigen betrifft, welche ebenfalls die Eigenschaften des Angegriffenen besitzen. Angriffe gegen das Eigentum, die körperliche Integrität, das Leben von Menschen aus rassistischen und diskriminierenden Gründen haben daher eine über die individuelle Rechtsgutverletzung hinausgehende Bedeutungsdimension. Die Ergänzung des § 46 StGB dient einerseits der Normverdeutlichung und signalisiert andererseits den betroffenen Opfern, dass ihre „Ängste ankommen“. Den Tätern wird klargemacht, dass die demokratische Gesellschaft derartige extremistische Angriffe nicht toleriert. d) Schließlich wird besonderes Augenmerk auf Opfer extremistischer Straftaten auch im Bereich der Fortbildung gelegt. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 6. Wie schätzt die Landesregierung den gegenwärtigen Stand der Projektför- derungen insbesondere im Bereich der Jugendanstalt Raßnitz sowie der Freien Straffälligenhilfe ein? Sind in diesem Bereich die vorhandenen finanziellen sowie personellen Ressourcen ausreichend? a) Die Projektförderung im Bereich der Straffälligenhilfe wird sowohl aus Landesmitteln als auch aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds bestritten. Hier ist es bereits mit Beginn der ESF-Förderperiode 2007 - 2013 mit der Erarbeitung des ZEBRAKonzeptes gelungen, eine stabile und tragfähige Arbeitsstruktur auf dem Gebiet der freien Straffälligenhilfe zu etablieren. Die Vereine arbeiten im Rahmen dieses Konzeptes nach gleichen Standards, die sie in Eigenregie unter fachlicher Beratung durch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung weiterentwickeln, so dass trotz einer vielfältigen Trägerstruktur eine einheitliche Qualität der Straffälligenhilfe in Sachsen-Anhalt vorgehalten wird. Bewährt hat sich in diesem Kontext, die AG ZEBRA, eine Arbeitsgemeinschaft der unmittelbar vor Ort in den Vereinen in der Straffälligenhilfe tätigen und geförderten Mitarbeiter der Vereine. Zu den bereits geförderten Vereinen der freien Straffälligenhilfe sind im Verlauf der abgelaufenen Förderperiode weitere Projektstandorte in Naumburg, Burg und Sang- 12 erhausen in die Förderung aufgenommen worden. Mit der neuen Förderperiode 2014 - 2020 kann fast allen Vereinen eine erhöhte Förderung gewährt werden, da es gelungen ist, eine Aufstockung der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds zu erzielen . Insoweit ist auch beabsichtigt, mit Beginn des Jahres 2016 einen weiteren Verein in Schönebeck in die ZEBRA-Konzeption zu integrieren. Damit wird auf dem Gebiet der freien Straffälligenhilfe ein flächendeckendes Angebot für Haftentlassene, von der Inhaftierung Bedrohter sowie deren Angehörigen in Sachsen-Anhalt sowohl in finanzieller als auch in personeller Hinsicht auskömmlich gewährleistet. Der Umfang der zur Verfügung stehenden Mittel für die Jahre 2014 - 2016 wird aus folgender Übersicht ersichtlich: Lfd. Nr.  2014 2015 2016 Epl. 11, Kap. 1103 / Landesmittel 145.000,00 € 91.900,00 € 82.500,00 € Epl. 13 EU‐Förderperiode 2007‐2013 225.600,00 € 112.800,00 € Epl. 13 EU‐Förderperiode 2014‐2020 EU‐Finanzplanmittel 0,00 € 125.000,00 € 250.000,00 € Epl. 11 / Kap. 1102 / EU‐Förderperiode 2014‐2020 Kofinanzierungsmittel 0,00 € 31.250,00 € 62.500,00 € Epl. 11, Kap. 1103 / Landesmittel 106.000,00 € 81.000,00 € 81.000,00 € Epl. 13 EU‐Förderperiode 2007‐2013 94.000,00 € 44.450,00 € Epl. 13 EU‐Förderperiode 2014‐2020 EU‐Finanzplanmittel 0,00 € 50.000,00 € 100.000,00 € Epl. 11 / Kap. 1102 / EU‐Förderperiode 2014‐2020 Kofinanzierungsmittel 0,00 € 12.500,00 € 25.000,00 € Epl. 11, Kap. 1103 / Landesmittel 511.000,00 € 406.600,00 € 416.000,00 € Epl. 13 EU‐Förderperiode 2007‐2013 225.400,00 € 112.700,00 € Epl. 13 EU‐Förderperiode 2014‐2020 EU‐Finanzplanmittel 0,00 € 190.000,00 € 380.000,00 € Epl. 11 / Kap. 1102 / EU‐Förderperiode 2014‐2020 Kofinanzierungsmittel 0,00 € 47.500,00 € 95.000,00 € 1.307.000,00 € 1.305.700,00 € 1.492.000,00 € Landesmittel (nur Epl. 11 / Kap. 1103 ): 762.000,00 € 579.500,00 € 579.500,00 € Kofi‐Mittel (nur Epl. 11 / Kap. 1102): 0,00 € 91.250,00 € 182.500,00 € EU‐Finanzplanmittel (Epl. 13): 545.000,00 € 634.950,00 € 730.000,00 € 1.307.000,00 € 1.305.700,00 € 1.492.000,00 € 3 Gefangenen‐ und  Entlassenenfürsorge (ZEBRA /  MOVES) Herkunft der FördermittelFörderbereich Maßnahmen des Täter‐Opfer‐ Ausgleiches und der  Straffälligenentschuldung   1 2 Sonstige Beihlfen und  Unterstützungen  (Präventionsprojekte) b) Besonders hervorzuheben ist im Rahmen der Resozialisierungsbemühungen des Landes das in der JA Raßnitz etablierte Projekt MOVES, welches mit jährlich 179.000,00 Euro aus Landesmitteln gefördert wird. Ziel des Projektes ist es, durch verstärkte Einbeziehung des Instrumentes des Offenen Vollzuges einen nahtlosen Übergang des Strafgefangenen vom Vollzug in die Freiheit zu erreichen, insbesondere durch die Schaffung eines sozialen Umfeldes, welches den in der JA erlernten strukturierten Tagesablauf in Freiheit fortsetzt. Der strukturierte Tagesablauf in Freiheit wird vor allem dadurch gewährleistet, dass es zu fast 100 % gelingt, die Projektteilnehmer in Beschäftigungsverhältnisse nach der Haft zu vermitteln. Der mit der Durchführung des Projektes beauftragte Träger hat die Mittel bislang als auskömmlich bezeichnet. c) In der Jugendanstalt Raßnitz wurde im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ das vom Land Sachsen-Anhalt kofinanzierte Modellprojekt „RollenWechsel“ durchgeführt. Das Modellprojekt soll innovative Ideen und Methoden in der Auseinandersetzung mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen erproben . d) Weiterhin sind von der Opferberatung des Sozialen Dienstes der Justiz im Burgenlandkreis seit 2010 zwei Präventionsprojekte initiiert worden, die darauf ausgerichtet sind, in Kooperation mit Kindergärten und Grundschulen mit altersgerechten Methoden die Selbstbehauptung von Kindern zu fördern, um einer Opferwerdung etwas entgegensetzen zu können. An den Projekten sind Lehrer und Eltern beteiligt. 13 e) Mit Landesmitteln in Höhe von 23.000 Euro jährlich wird der Aufbau eines Opferhilfeprojektes des Vereins Reso - Witt e. V. in Wittenberg seit Anfang 2014 gefördert . Dies stellt im Hinblick auf die territoriale Größe eine sinnvolle Ergänzung der Opferberatung des Sozialen Dienstes der Justiz der Dienststelle Dessau-Roßlau dar. f) Das Land fördert im Rahmen weiterer Projektförderung die Arbeit der Beratungsund Unterstützungseinrichtungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen jährlich in Höhe von 1.780.500 €. Gefördert werden die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Personal- und Sachausgaben. Die Gesamtausgaben der Träger haben sich aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung und Tarifanpassungen in den zurückliegenden Jahren stark erhöht. Zur weiteren Gewährleistung der erreichten Qualität der Arbeitsleistung wird eine Anpassung der Landeszuwendungen im Bereich der Kostenentwicklung in den nächsten Jahren als notwendig angesehen. Auch im Rahmen geplanter Mittel für das Landesprogramm soll der Bereich Opferschutz berücksichtigt werden. g) Der Landespräventionsrat Sachsen-Anhalt (LPR) kann kriminalpräventive Projekte auf Antrag fördern. Im Zeitraum 2013/2014 ist kein Antrag für entsprechende Projekte in der Geschäftsstelle des LPR eingegangen. 7. Wie beurteilt die Landesregierung die existierenden Fortbildungsprogram- me im Bereich der Justiz? Wie werden diese künftig fortgeschrieben? Die Landesregierung beurteilt die existierenden Fortbildungsprogramme positiv. Seit dem Jahr 2011 konnten auf Landesebene für die Justiz 14 Tagungen mit einem Bezug zum Zeugen- und Opferschutz durchgeführt werden. Hierbei wurden Themen behandelt wie: - Vernehmung minderjähriger Zeugen im Strafprozess - Täter-Opfer-Ausgleich - Das Adhäsionsverfahren - Gewalt in der Familie und Stalking - Kindliche Anhörungen bei Verfahren in Kindschaftssachen - Neue Erkenntnisse zur Prognose künftiger Straftaten. Darüber hinaus besteht für Richter und Staatsanwälte aus Sachsen-Anhalt die Möglichkeit , an den Veranstaltungen der Deutschen Richterakademie teilzunehmen. Zum einschlägigen Themenkreis bot diese seit 2011 bis zum heutigen Tag 43 Tagungen an, beispielsweise: - Der Umgang mit Opfern sexueller Gewalt innerhalb des Strafverfahrens, insbesondere mit Kindern und Jugendlichen - Internationaler Menschenhandel - Das Opfer in der Strafrechtspflege - Die Anhörung/Vernehmung von Kindern und Jugendlichen, auch unter Be- rücksichtigung der Videovernehmung - Elektronische Aufenthaltsüberwachung - Strafzumessung, Opferschutz und Adhäsion. 14 Bei der von dem Verbund norddeutscher Länder angebotenen Tagung „Tatsachenfeststellung vor Gericht“ werden Proberichter auch aus Sachsen-Anhalt bereits zu Beginn ihrer Berufstätigkeit darin geschult, die Aussagen von Opfern als Zeugen angemessen zu beurteilen. Besonderes Augenmerk wird im Bereich der Fortbildung gelegt auf die Opfer extremistischer Straftaten. Hierfür boten die landeseigenen Veranstaltungen „Impulse für den Umgang mit Rechtsextremismus in Jugendhilfe und (Jugend-) Kriminalrechtspflege “ und „SED-Verfolgte und das Menschenrecht auf Gesundheit“ sowie die Tagungen der Deutschen Richterakademie „Aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus “, „Rechtsradikalismus und Neonazismus“, „Rechtsradikalismus“ (hier war Sachsen-Anhalt Veranstalterland), „Zwischen Recht und Unrecht - Deutsche Justizgeschichte im 20. Jahrhundert“, „Politischer Extremismus - Herausforderung für Gesellschaft und Justiz“, „Die nationalsozialistische Justiz und ihre Aufarbeitung“ und „Deutsche Justizgeschichte ab 1945“ einen Rahmen. Für Rechtspfleger, den mittleren Justizdienst, Justizfachangestellte und den Justizwachtmeisterdienst wurden bislang keine speziellen Opferschutzschulungen durchgeführt . Für diesen Personenkreis finden aber jährlich dreitägige Veranstaltungen zum Thema „Umgang und Kommunikation mit rechtssuchendem Publikum, Gesprächsführung “ statt, in denen unter anderem die Themen „Grundlagen der Kommunikation “ und „problemorientiertes Gesprächsverhalten“ behandelt werden. Während der laufenden Legislaturperiode wurden der mittlere Justizdienst sowie die Tarifbeschäftigten intensiv in dezentralen Veranstaltungen zu den Schlüsselkompetenzen (Sprach-, Sach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenzen) geschult. Diese Fortbildungsveranstaltungen hatten auch das Ziel, dass sich die Kompetenz der Bediensteten im Umgang mit Opfern weiter verbessert. Die Landesregierung plant eine Fortsetzung von Fortbildungsveranstaltungen mit Opferschutzbezügen. Zu diesem Zweck wird derzeit das landeseigene Jahresprogramm entwickelt und fortgeschrieben. Hierbei soll insbesondere die Richtlinie der Europäischen Union über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern (2012/29/EU), die bis zum 16. November 2015 umzusetzen ist, Berücksichtigung finden. Ferner können Richter und Staatsanwälte wie bisher an den Veranstaltungen der Deutschen Richterakademie und des Verbund norddeutscher Länder teilnehmen.