Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3636 27.11.2014 (Ausgegeben am 28.11.2014) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Rüdiger Erben (SPD) Zulassung bzw. Nichtzulassung von Mitgliedern der rechtsextremen Partei NPD oder deren aktiver Unterstützer zu den Landratswahlen 2014 Kleine Anfrage - KA 6/8571 Vorbemerkung des Fragestellenden: Bereits zur Zulassung zur Wahl eines Landrates ist eine Wählbarkeitsvoraussetzung, dass der Bewerber die Gewähr dafür bietet, jederzeit aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten (vgl. § 59 Abs. 1 GO LSA, welcher zum Zeitpunkt der Landratswahlen 2014 galt). Diese Regelung der GO LSA betonte eine für jeden Beamten (auch für Wahl-, Zeitoder Ehrenbeamte) geltende Pflicht (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG) zur Verfassungstreue . Hiervon ist das Absehen einer jeglichen Unterstützung von Aktivitäten, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind, umfasst. Die Mitgliedschaft in der NPD oder eine aktive Unterstützung dieser steht der Pflicht zum jederzeitigen Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung entgegen und ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes damit unvereinbar (vgl. Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6 C 17/03; ferner auch Urteil VG Berlin vom 30. November 2004, Az. 26 A 265.03). Im Übrigen können nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes an einen Bewerber für ein Bürgermeisteramt keine geringeren Anforderungen hinsichtlich seiner Verfassungstreue gestellt werden, als an einen Lebenszeitbeamten (vgl. Beschluss BVerfG vom 10. November 2010, Az. 2 BvR 1946/10; vorangegangen VG Greifswald Urteil vom 2. Dezember 2008, Az. 2 A 1267/08). Im konkreten Fall hat das Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig erkannt, dass ein mecklenburgischer Landtagsabgeordneter der NPD für die Wahl des Amtes eines ehrenamtlichen Bürgermeisters aufgrund der mit einer NPD-Mitgliedschaft unvereinbaren Pflicht zur Verfassungstreue nicht zugelassen worden ist. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. In welchen Fällen wurden Bewerber, die Mitglieder bzw. aktive Unterstützer der NPD sind, zu Landratswahlen im Jahr 2014 zugelassen bzw. nicht zugelassen ? Sollten Bewerber nicht zugelassen worden sein, mit welcher Begründung ? Zur Landratswahl 2014 hatte nach Mitteilung der Kreiswahlleiter nur im Burgenlandkreis der Bewerber Peter Awramenko als Kandidat der NPD eine Bewerbung eingereicht . Der Bewerber wurde vom Kreistag als Vertretung des Burgenlandkreises zugelassen . Dem Burgenlandkreis war dieser Bewerber bislang unbekannt; er trat erstmalig im rechtsextremistischen Spektrum des Landes Sachsen-Anhalt zur Kommunalwahl 2014 in Erscheinung. Erkenntnisse über eine Mitgliedschaft in der NPD liegen nicht vor. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Zulassung von Bewerbern, die Mit- glieder bzw. aktive Unterstützer der NPD sind, zu Landratswahlen im Jahr 2014 unter dem Blickwinkel der in den Vorbemerkungen zitierten Rechtsprechung ? Als unabhängiges Wahlorgan bildete sich die Vertretung eine eigene Auffassung hinsichtlich der Zulassung von Bewerbern und entschied nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Zulassung, § 30 KWG LSA. Der Überzeugung der jeweiligen Vertretung lag eine Entscheidung zu Grunde, die zugleich eine Prognose enthält; sie hat nur den jeweiligen Einzelfall im Auge. Die Vertretung bewertete das Kriterium der Verfassungstreue im Augenblick der Entscheidung nach den ihr zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln. Hinzu kommen die wahlrechtlichen Fristen , die eine Entscheidung über die Zulassung des Bewerbers zwischen dem 27. bzw. 20. Tag vor der Wahl (Bewerbungsschluss) und dem 17. Tag vor der Wahl erfordern . Seitens der Landesregierung erfolgt keine (nachträgliche) Bewertung einzelner Zulassungsentscheidungen der Vertretungen. Dies wird von den wahlrechtlichen Zuständigkeiten und formstrengen Rechtsbehelfen sowie Fristen nicht eröffnet und wäre im Übrigen auch nicht opportun. Lediglich allgemein ist seitens der Landesregierung daher Folgendes auszuführen: Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Vertretungen zur Zulassung von Bewerbungen zur Landratswahl war § 30 Abs. 2 KWG LSA in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.02.2004, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.10.2013 (GVBl. LSA S. 498). Hiernach beschließt die Vertretung, ob die eingereichten Wahlvorschläge den durch das Kommunalwahlgesetz und die Kommunalwahlordnung gestellten Anforderungen entsprechen und als gültig zuzulassen sind. Hierzu gehört auch die Entscheidung über das Vorliegen der Wählbarkeitsvoraussetzungen für Bewerber zur Landratswahl nach vormals § 48 Abs. 1 S. 1 LKO LSA. Nicht wählbar war danach, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt. Die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern erfolgte zweistufig; zum einen vor der Wahl im Rahmen der Zulassung von Bewerbern im Rahmen der zeitlich mög- 3 lichen Nachforschungen und zum zweiten nach der Wahl vor der beamtenrechtlichen Ernennung des gewählten Bewerbers im Rahmen der beamtenrechtlichen Eignungsfeststellung . Bei der Prüfung der Zulassung der Bewerber hat der Wahlausschuss im Rahmen des zeitlich Möglichen Nachforschungen vorzunehmen und dabei grundsätzlich auf alle in der Kommune vorliegenden Informationen zuzugreifen, die für seine Entscheidung erforderlich sind. Entscheidend für eine gesicherte Einschätzung fehlender Verfassungstreue des Bewerbers ist nicht pauschal die Unterstützung der NPD oder die Mitgliedschaft in der NPD, sondern das persönliche Eignungskriterium eines jeden Bewerbers, insbesondere die aktuelle Einschätzung, dass dem Bewerber etwa als herausgehobenem Funktionsträger der Partei mit der Verfassung unvereinbare politische Zielsetzungen der NPD zuzurechnen sind und eine hinreichende Distanzierung nicht erfolgt ist (ThürOVG vom 17.9.2014, 3 ZKO 503/13, vorangegangen VG Gera vom 12.6.2013, Az. 2 K 725/12 Ge). In diesem Kontext ist auch die Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2004 – 6C 17.03 zu werten, wonach, wer Funktionär einer solchen Partei sei und nicht den verfassungsfeindlichen Bestrebungen dieser Partei entgegentrete, sich in Widerspruch zu den Grundwerten der in der Verfassung über den demokratischen und rechtsstaatlichen Staatsaufbau und die Anerkennung der Menschenrechte setze. Bei der in der Kleinen Anfrage im Weiteren aufgeführten Entscheidung des BVerfG vom 10.11.2010, Az. 2 BvR 1946/10 handelt sich lediglich um einen Nichtannahmebeschluss des BVerfG. Das BVerfG hatte die Beschwerde des Wahlbewerbers wegen Unzulässigkeit dieser nicht zur Entscheidung angenommen. Als der - verfassungsrechtlich schwerwiegendste Grundrechtseingriff - hat sich der Ausschluss des passiven Wahlrechts stets auf ein persönliches Eignungskriterium zu stützen. Grundlage für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue müssen Umstände sein, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit - von hinreichendem Gewicht und objektiv geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen. Die jeweilige Vertretung kann zur Prüfung der Zulassung eines Bewerbers im Rahmen des zeitlich Möglichen Nachforschungen vornehmen und diese bewerten. In der zweiten Stufe erfolgt seitens der Ernennungsbehörde vor der beamtenrechtlichen Ernennung eines gewählten Bewerbers im Rahmen der beamtenrechtlichen Eignungsfeststellung eine abschließende Prüfung, ob dieser die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. 3. Gab es Anfragen von Landkreisen an die obere bzw. die oberste Kommu- nalaufsichtsbehörde zu Fragen der Zulassung bzw. Nichtzulassung von Mitgliedern der rechtsextremen Partei NPD oder deren aktiver Unterstützer zu den Landratswahlen 2014? Welcher Rat wurde den anfragenden Landkreisen im Rahmen der kommunalaufsichtlichen Beratungsfunktion erteilt? Ja, ein telefonischer Austausch mit dem Burgenlandkreis ist erfolgt. Eine abschließende Bewertung über die Zulassung des in Rede stehenden Bewerbers zur Landratswahl am 25.5.2014 ist seitens der Landesregierung nicht erfolgt. Die Entscheidung , ob der Bewerber zuzulassen ist oder nicht, ist eine Einzelfallprüfung des unabhängigen Wahlorgans. Maßgeblich ist die Sachlage im Einzelfall unter Berücksichti- 4 gung der wahlrechtlichen Fristen. Im Übrigen sei auf die allgemeinen Ausführungen zu 2. verwiesen.