Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3729 08.01.2015 (Ausgegeben am 12.01.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Arbeitsplatzschaffung und -erhaltung durch Fördermittel Kleine Anfrage - KA 6/8586 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Volksstimme vom 16. September 2014, S. 2 („Haseloff weist Vorwürfe im Umgang mit Fördermitteln zurück: Der ehemalige Wirtschaftsminister und heutige Ministerpräsident sieht keine Fehler seines Hauses bei Maßnahmen zur Arbeitsmarktförderung “). Ministerpräsident Reiner Haseloff wird nach seiner Zeugenvernehmung im 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 15. September 2014 mit den Worten zitiert: „Wir haben damit mehreren hunderttausend Menschen im Land geholfen .“ In der Welt online vom 15. September 2014 wird Ministerpräsident Reiner Haseloff zitiert: «Wir hatten eine Arbeitslosigkeit, die deutlich über 20 % lag.». Der Artikel berichtet weiter, dass in einigen Regionen [...] die Unterbeschäftigung bei 50 % gelegen [habe]. Haseloff wird dahingehend indirekt zitiert: „Es sei eine historisch einzigartige Aufgabe gewesen. Die öffentlichen Mittel seien insgesamt zielgenau eingesetzt worden, inzwischen liege die Arbeitslosigkeit bei rund 10 %.“ Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales 1. Verfügt die Landesregierung über Studien, die den Einsatz von Fördermit- teln zur Qualifizierung von Beschäftigten (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Qualifizierung von Beschäftigten mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Februar 2001 in der jeweiligen Fassung) hinsichtlich der Frage evaluiert haben , inwiefern und wie viele Arbeitsplätze (in welchem Wirtschaftszweig) damit erhalten und geschaffen worden sind? Falls ja, um welche Studien handelt es sich dabei? Zu welchen Ergebnissen und Schlussfolgerungen ist die Landesregierung gekommen? 2 Das Förderprogramm „Qualifizierung von Beschäftigten“ war in Vorbereitung der Förderperiode 2007 - 2013 Bestandteil der sog. Ex-Ante-Evaluierung des Einsatzes der EU-Fonds im Bundesland Sachsen-Anhalt. Mit dieser Evaluierung wurde die dem Operationellen Programm (OP) zugrundeliegende sozioökonomische Analyse, die Strategie der Landesregierung für die ESF-Förderperiode 2007 - 2013 und die Relevanz der vorgesehenen Strategie der Landesregierung bewertet. Die Ergebnisse sind im Endbericht vom 20. September 2006 zum Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt zusammengefasst (für den ESF siehe Seiten 41 - 62). Alle relevanten Berichte sind im Downloadbereich des Vademecum des Landes Sachsen-Anhalt für die Strukturfonds 2007 - 2013 unter folgendem Link abrufbar : http://www.europa.sachsen-anhalt.de/eu-fonds-in-sachsen-anhalt/die-eufonds /. Die im Rahmen des ESF-OP vorgesehenen Maßnahmen zielen ab auf die Ziele - Steigerung der Anpassungsflexibilität der Arbeitsmärkte, - Verbesserung des Zugangs zu Beschäftigung, - Vollbeschäftigung, - Verbesserung der Arbeitsplatzqualität, - Steigerung der Arbeitsproduktivität und - soziale Eingliederung. In diesem Kontext kam die Ex-Ante-Evaluierung bezüglich der Förderung von beruflichen Weiterbildungen zu folgender Einschätzung: „Mangelndes Wachstum und stagnierende Konvergenz sind dabei insbesondere auch auf Defizite bei der Humankapitalqualität zurückzuführen. (…) In der kurzen Frist sind es Defizite bei der Arbeitsnachfrage, und sowohl in der kurzen als auch langen Sicht sind es Humankapitaldefizite und demographischer Wandel , die für Wachstumsschwächen und Beschäftigungslücken verantwortlich sind. (…) Hinsichtlich des Humankapitals sind Anstrengungen notwendig, um Schüler, Studenten, Beschäftigte und Arbeitslose zu qualifizieren, um damit die Voraussetzungen für wachsende Innovationsfähigkeit und produktivere Beschäftigung zu legen.“ (Ex-Ante-Evaluierung, Endbericht vom 20. September 2006, Seite 44). Besonders ist an dieser Stelle auf die folgende Einschätzung in der sozioökonomischen Analyse hinzuweisen: „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sowie der Defizite des beschäftigten Humankapitals ist die berufsbegleitende Qualifizierung von Beschäftigten eine „proaktive“ Maßnahme. Sie zielt drauf ab, präventiv Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie reduziert Beschäftigungsrisiken und eröffnet im Zuge steigender Arbeitsproduktivität Wachstumsspielräume. Außerdem werden durch die Förderung von geringqualifizierten und von älteren Arbeitnehmern im Beruf zukünftige Beschäftigungsrisiken reduziert. Ebenfalls wirkt eine berufliche Weiterbildung beschäftigungs- und wachstumsfördernd, wenn durch eine nachfrageorientierte Qualifikation dem mit wachsender Arbeitslosigkeit zunehmenden 3 Verlust an Humankapitalqualifikation entgegengewirkt wird.“ (Ex-Ante-Evaluierung , Endbericht vom 20. September 2006, Seite 46). Mit der Förderung beruflicher Qualifizierungsangebote wird eine Wirkungskette in Gang gesetzt: Berufliche Weiterbildung erhöht die Qualifikation der Arbeitskräfte , wodurch die Produktivität und das Produktionspotenzial steigen und im Ergebnis die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessert sowie Arbeitsangebot und -nachfrage erhöht werden. In der Folge können Einkommen steigen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie die Standortattraktivität des Landes verbessert werden. Im Ergebnis der Ex-Ante-Evaluierung ist das o. g. Förderprogramm Bestandteil des OP (ESF) des Landes Sachsen-Anhalt für die laufende Förderperiode geworden . Darüber hinaus wurde die Umsetzung und Wirksamkeit des o. g. Förderprogramms im Zuge einer programmbezogenen Evaluierung im Jahr 2011 untersucht , deren Ergebnisse im Endbericht vom April 2012 dargestellt sind (im Folgenden : Halbzeitevaluierung). Die Ergebnisse der Halbzeitevaluierung bestätigen anhand der aus der Unternehmensbefragung gewonnenen Daten die von der Landesregierung mit dem o. g. Förderprogramm verfolgte Strategie der unternehmensbezogenen Weiterbildungsförderung, insbesondere in Bezug auf die Effekte für die geförderten Unternehmen, die ihren Beschäftigten mit Hilfe der Förderung berufliche Weiterbildungen ermöglichten. So bestätigten 51,6 % der antwortenden Unternehmen eine Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit, rd. 41 % eine Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität und 49,3 % eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit, 30 % eine Verbesserung der Ertragslage, 49,4 % die Behebung eines kurzfristig aufgetretenen Fachkräftemangels, 51 % eine Unterstützung bei der Umsetzung von Personalund Organisationsentwicklungsstrategien und 46,7 % eine Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit. Hinsichtlich der detaillierten Ergebnisse wird auf den bereits genannten Evaluierungsbericht und hier speziell auf die Gliederungspunkte 3 und die im Anhang zum Endbericht dargestellten Erhebungsergebnisse verwiesen. Über die Halbzeitevaluierung hinaus sind konkrete Aussagen zur Wirkung der geförderten Qualifizierungen hinsichtlich der Zahl der qualifizierten Beschäftigten und auch in Bezug auf das Kriterium „Erhalt / Sicherung von Arbeitsplätzen“ aus den in der Förderdatenbank VBM / efReporter erfassten ErgebnisIndikatoren möglich. Im ESF-Zeitraum 2007 - 2013 (2015) waren per Stand 21. November 2014 insgesamt 23.265 qualifizierte Beschäftigte erfasst, davon bis 2008 im LVwA 6.660 Teilnehmende und ab 2009 in Programmumsetzung durch die Investitionsbank (IB) 16.605 Teilnehmende. Seit 2009 (Übertragung der Programmumsetzung durch die IB) wird der Indikator „Arbeitsplätze gesichert“ in der Förderdatenbank erfasst. Von den insgesamt 4 16.605 Teilnehmenden wurde für 7.966 Teilnehmende der Indikator „Arbeitsplatz gesichert“ bestätigt, dies entspricht einem Anteil von 48 %. Legt man diese Quote im Wege einer Hochrechnung auch für die bis 2008 vom LVwA geförderten 6660 Teilnehmenden zugrunde, erhöht sich die Zahl der gesicherten Arbeitsplätze um ca. 3200 auf insgesamt rd. 11.166. Angaben zu den Wirtschaftszweigen der geförderten Unternehmen sowie zu den Inhalten der geförderten Maßnahmen lassen sich anhand der von den befragten Unternehmen in der Evaluierung 2011 gemachten Angaben darstellen. Auf Basis der für die Evaluierung durchgeführten Unternehmensbefragung stellt sich die Verteilung der geförderten Unternehmen wie folgt dar:  Sonstiges 20,2 %  Handwerk 17,6 %  Gesundheit und Pflege 17,6 %  Sonstige private Dienstleistungen 11,8 %  Produzierendes Gewerbe (ohne Baugewerbe) 9,2 %  Baugewerbe 9,2 %  Handel, Gastgewerbe, Verkehr 7,4 %  Finanzierung, Vermietung, wirtschaftliche Dienstleistungen 2,9 %  Öffentliche Dienstleistungen 2,2 %  Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei 1,8 % (Quelle: Halbzeitevaluierung, Abbildung 3 - 10; Seite 26) Darüber hinaus lassen sich aus der Förderdatenbank keine Angaben zu den Wirtschaftszweigen der antragstellenden Unternehmen auswerten. 2. Inwiefern wurde dabei auch ausgewertet, ob es sich dabei um den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen im Zeitraum der Fördermaßnahme oder darüber hinaus handelt? Zu welchen Ergebnissen und Schlussfolgerungen ist die Landesregierung gekommen? Bezüglich der arbeitsplatzerhaltenden bzw. –sichernden Wirkung der geförderten Weiterbildungen wird bei der Datenerhebung nicht ausgewertet, zu welchem Zeitpunkt (während oder nach der geförderten Weiterbildung) diese Wirkung eintritt, weil die Festsetzung eines sachgerechten Stichtages, zu dem ein solcher Erfolgsindikator zu berichten oder zu bewerten wäre, nicht möglich ist. Die Ergebnisse der geförderten beruflichen Weiterbildungen und die daraus resultierende höhere bzw. verbesserte Qualifikation der teilnehmenden Beschäftigten zeigen ihre Wirkung größtenteils nicht zeitlich punktuell zu einem Stichtag sondern über einen nach Ende des geförderten Qualifizierungsprojektes hinausreichenden Zeitraum zum Beispiel durch: - verbesserte, flexiblere und höherwertigere Einsatz-/Beschäftigungsmög- lichkeiten der Teilnehmenden im Unternehmen, - Sicherung der Beschäftigungsmöglichkeiten durch Anpassung des Qualifika- tionsniveaus an die sich stetig weiterentwickelnden Anforderungen und die technische Entwicklungen, 5 - allgemeine Verbesserung der Arbeitsmarktchancen der Teilnehmenden mit Blick über den derzeitigen Arbeitgeber hinaus, - mögliche Verbesserung der Einkommenssituation speziell bei längeren und anspruchsvolleren Qualifizierungen, - Verbesserung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit sowohl der Beschäf- tigten auf dem Arbeitsmarkt als auch der Unternehmen durch die Möglichkeit, neue Technologien einzuführen und effizienter zu produzieren oder Dienstleistungen zu erbringen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Inwiefern sind der Landesregierung Studien aus anderen Bundesländern oder übergreifende Studien zur Wirkung der Vergabe von ESF- und Landesmitteln im Bereich der Qualifizierung von Beschäftigten bekannt, die eine Korrelation zwischen Fördermittelvergabe und Auswirkungen auf Arbeitsmarkt , Erwerbstätigkeit, etc. bestätigen? Falls ja, um welche Studien handelt es sich dabei? Zu welchen Ergebnissen und Schlussfolgerungen ist die Landesregierung gekommen? Der Landesregierung sind mit Bezug auf die Förderung beruflicher Weiterbildungen verschiedene Evaluierungen des Bundes und anderer Bundesländer bekannt, die aufgrund des jeweiligen Evaluierungsauftrags und der inhaltlichen Schwerpunktsetzung immer spezifische Teilbereiche beleuchten (so z. B. die u. g. IAB Evaluierungen - insbesondere Fragen der Weiterbildungsförderung für Arbeitslose). Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind nachfolgend die aus Sicht der Landesregierung wesentlichsten Evaluierungen benannt: - Kultusministerkonferenz / Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK: Auf- stieg durch Bildung - Die Qualifizierungsinitiative für Deutschland, Bericht zur Umsetzung 2013, - Bericht des BMBF: Bildung und Lebenslagen - Auswertungen und Analysen für den zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung; Bildungsreform Band 9 (hier insbesondere Abschnitt A6 Weiterbildung), - IAB Forschungsbericht 1/2009; Evaluation der Förderung beruflicher Weiter- bildung im Rahmen des ESF-BA-Programms, Wirkungsanalyse auf der Grundlage von Befragungen von Teilnehmenden und Vergleichsgruppen, - IAB Forschungsbericht 2/2009; Evaluation der Nachhaltigkeit beruflicher Wei- terbildung im Rahmen des ESF-BA-Programms, Eine Wirkungsanalyse auf der Grundlage von Befragungen der Teilnehmenden und Vergleichsgruppen, - IAB Forschungsbericht 3/2009; Qualifizierungsmaßnahmen während Kurzar- beit nach endgültigem Arbeitsausfall, Analysen zur Förderung im Rahmen des ESF-BA-Programms 2000 bis 2006 und zum Verbleib nach der Teilnahme , 6 - Evaluierung der ESF-geförderten Programme „Mitfinanzierte ergänzende Qualifizierungsangebote für Bezieherinnen und Bezieher von Transferkurzarbeitergeld “ und „Mitfinanzierte ergänzende Qualifizierungsangebote für Bezieherinnen und Bezieher von Kurzarbeitergeld“; Endbericht vom 24. Oktober 2013 - Teil 2, Ergebnisse der Wirkungsanalysen des Einsatzes von ESF mitfinanzierten Qualifizierungsangeboten während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld ; ISG - Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH im Auftrag des BMAS, - Konzeptpapier der Bundesregierung vom Juni 2011; BMAS Fachkräftesiche- rung - Ziele und Maßnahmen der Bundesregierung, - IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH: Bewertung der För- derung der Weiterbildung und Beratung aus dem spezifischen Ziel A.1 des Operationellen Programms für den ESF in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2007 bis 2013; im Auftrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern, August 2012. Aus all diesen Studien ist ablesbar, dass sich Investitionen in Weiterbildung auf dem Arbeitsmarkt lohnen, weil sie einerseits die Beschäftigungsfähigkeit der Teilnehmenden sichern bzw. den Zugang zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen und zugleich mit einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit für die Unternehmen verbunden sind, was wiederum potentiell beschäftigungsfördernde Wirkung hat. Daher setzt die Landesregierung auch weiterhin auf die Förderung der beruflichen Weiterbildung - seit 2014 nicht nur im betrieblichen Interesse sondern auch zur Stärkung des Weiterbildungsengagements von Einzelpersonen . 4. Schließt die Landesregierung aus dem Rückgang der Arbeitslosigkeit auf die Wirksamkeit der Fördermittel aus der Richtlinie zur Qualifizierung von Beschäftigten? Falls ja, worauf gründet sich die Annahme einer ursächlichen Verknüpfung? Unter Verweis auf die Antworten zu den Fragen 1 - 3 geht die Landesregierung davon aus, dass die Förderung beruflicher Weiterbildungen mit den oben beschriebenen positiven Effekten dazu beigetragen hat, die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt zu senken, insbesondere indem: - die Teilnehmenden für die Anforderungen ihres ausgeübten Berufes / ihrer ausgeübten Beschäftigung besser qualifiziert wurden. Dies hat dazu beigetragen , dass sich ihre Beschäftigungsmöglichkeiten beim derzeitigen Arbeitgeber aber auch darüber hinaus am Arbeitsmarkt allgemein verbessert haben . - die antragstellenden Unternehmen im Ergebnis der Weiterbildungen und der Verbesserung der Qualifikation ihrer Beschäftigten eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit erreichen konnten. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.