Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3746 13.01.2015 (Ausgegeben am 14.01.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Braunkohleexporte und -lieferungen aus dem Tagebau Profen (Burgenlandkreis ) Kleine Anfrage - KA 6/8609 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: Wie hoch ist das Kohlevorkommen im bestehenden Tagebau Profen mit allen seinen bereits genehmigten Arealen? Wann rechnet die Landesregierung mit der vollständigen Auskohlung dieses Tagebaus? Wie hoch ist die jährliche Fördermenge seit 2005? Von welcher jährlichen zukünftigen Fördermenge geht die Landesregierung nach aktuellen Entwicklungen aus? Die gewinnbaren Vorräte innerhalb der mit bergrechtlichen Betriebsplänen genehmigten Abbaugrenzen des Tagebaus Profen lagen zum 1. Januar 2009 noch bei etwa 197,3 Mio. t Rohbraunkohle. Im Zeitraum 2005 bis 2013 wurden aus den auf dem Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt liegenden Betriebsbereichen des Tagebaus Profen folgende Fördermengen gewonnen: 2006: 5,237 Mio t 2007: 5,862 Mio t 2008: 6,285 Mio t 2009: 5,874 Mio t 2010: 6,562 Mio t 2011: 8,244 Mio t 2012: 8,897 Mio t 2013: 8,304 Mio t. Die Förderzahlen der bis etwa 2010 erfolgten Rohkohlegewinnung aus den im Freistaat Sachsen liegenden Abbaubereichen des Tagebaus Profen der Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) sind der Landesregierung nicht bekannt. Die mit dem gegenwärtigen technischen Ausrüstungsstand des Tagebaus Profen mögliche maximale Jahresförderung an Rohbraunkohle liegt bei ca. 10,5 Mio. t. Unter Beibehaltung des derzeitigen Förderniveaus ist davon auszugehen, dass die Gewinnung von Rohbraunkohle aus dem Tagebau Profen bis voraussichtlich 2032/2035 aufrechterhalten werden kann. 2 Frage 2: Die Mitteldeutsche Zeitung berichtete am 21. Januar 2013, dass die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft mbH (Mibrag) - mit dem tschechischen Energieunternehmens EP Energy a. s. als Gesellschafter - im Jahr 2012 ein tschechisches Fernwärmekraftwerk mit 200.000 Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Profen beliefert hat. Am 20. September 2013 wurde in einem Artikel der Mitteldeutschen Zeitung die im Jahr 2012 exportierte Menge mit 300.000 Tonnen angegeben . Es liegen Informationen vor, dass aktuell täglich 7 Züge mit Braunkohle exportiert werden. Stimmt die Aussage, dass aktuell täglich 7 Züge mit Braunkohle aus dem Tagebau Profen nach Tschechien exportiert werden? Um welche täglichen Liefermengen handelt es sich? Angaben bitte in Anzahl der Züge und der Gesamtmenge in Tonnen. Welche Braunkohlemenge (Angabe in Tonnen) wurde bisher in diesem Jahr vom Tagebau Profen nach Tschechien exportiert? Wie hoch war die Exportmenge in den Jahren 2012 und 2013? Gab es noch weitere Jahre, in denen Braunkohle vom Tagebau Profen nach Tschechien geliefert wurde? Wenn ja, bitte angeben einschließlich der gelieferten Menge. Der Landesregierung liegen hierzu keine über die Berichterstattung in der Presse hinausgehenden Informationen vor. Frage 3: In welche Kraftwerke wurde die Braunkohle geliefert? Bitte Name und Produktionsart des Kraftwerkes angeben. In welcher Entfernung befinden sich diese Kraftwerke vom Tagebau Profen? Mit Rohbraunkohle aus dem Tagebau Profen werden nach Kenntnis der Landesregierung neben den beiden unternehmenseigenen Kraftwerken Deuben und Wählitz das Kraftwerk Schkopau, das Heizkraftwerk Chemnitz und zwei Wärmeerzeugungsanlagen in Zeitz versorgt. Darüber hinausgehende Informationen liegen der Landesregierung hierzu nicht vor. Frage 4: Rechnet die Landesregierung zukünftig mit einer erhöhten oder gleichbleibenden Dauerabnahme durch bisherige bzw. neue tschechische Abnehmer? Wenn ja, von welcher jährlichen Abnahmemenge an Braunkohle durch welches Unternehmen geht die Landesregierung aus? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage 5: Die Mibrag und die Landesregierung sehen im Abbau von Braunkohle das Allgemeinwohlinteresse nach folgenden Kriterien als begründet an (siehe auch die gemeinsame Position der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zur Bedeutung der Braunkohle im Hinblick auf die anstehende Neuorientierung in der Energiepolitik „Neuausrichtung der Energiepolitik in Deutschland nur unter Berücksichtigung der Nutzung der Vorteile der heimischen Braunkohle, Berlin 12. Mai 2011): a) Versorgungssicherheit, b) preisgünstige heimische Energieerzeugung, 3 c) Reduzierung der Abhängigkeit von Kohleimporten, d) Wertschöpfungskette vollständig im Inland. Wie bewertet die Landesregierung Braunkohleexporte vom Burgenlandkreis nach Tschechien vor diesem Argumentationshintergrund und der Tatsache, dass Sachsen-Anhalt mindestens 25 % der Strom-Endenergie exportiert? Sieht die Landesregierung in den Braunkohleexporten nach Tschechien ein Allgemeinwohlinteresse gegeben? Sieht die Landesregierung in den Braunkohleexporten die Wertschöpfung in der Region gegeben? Bitte die Antworten auf die letzten beiden Fragen auch begründen. Zu den vier Grundfreiheiten der Europäischen Union zählt der freie Verkehr von Waren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Warenverkehrsfreiheit ist konstitutiv für den europäischen Binnenmarkt und ihre Verwirklichung im Interesse des Allgemeinwohls. Kein Land kann demzufolge den Im- oder Export von Waren durch einseitige Sondervorschriften behindern; mengenmäßige Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen sind nicht zulässig. Unabhängig davon muss auch die nationale Energiepolitik zukünftig stärker in den europäischen Kontext eingebunden werden. Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen und unter Beachtung des Klimaschutzes kann auf europäischer Ebene besser und effizienter erreicht werden. Ein europäischer Energiemarkt und ein integriertes Netz als seine Basis sind Voraussetzung für eine hohe Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise für alle Bürger und Unternehmen in der Europäischen Union. Durch den Transport des Primärenergieträgers Braunkohle an andere Standorte zur Verstromung können die Stromnetze in den Zeiten entlastet werden, in denen die Stromnachfrage über die angebotene Kapazität aus erneuerbaren Energien hinausgeht. Dadurch wird die Versorgungssicherheit bei einer starken Stromnachfrage gewährleistet, die nicht vollständig aus der Produktion erneuerbarer Energien gedeckt werden kann, was der regionalen Wirtschaft und dem Allgemeinwohlinteresse dient. Frage 6: Es wurden am 20. September 2013 in einem Artikel der Mitteldeutschen Zeitung und am 19. September 2013 in einer Veröffentlichung des Wirtschaftsjournalisten Stefan Schroeter vom Kauf des Braunkohlekraftwerkes Buschhaus bei Helmstedt und des damit in Verbindung stehenden Tagebaus Schöningen durch die Mibrag berichtet. Demnach sollen in den Jahren 2013 bis 2017 jährlich 200.000 Tonnen Braunkohle vom Tagebau Profen zum Kraftwerk Buschhaus geliefert werden und nach dem Jahr 2017 soll der Tagebau Profen mit 2 Millionen Tonnen pro Jahr die Komplettversorgung von Buschhaus übernehmen , weil dann der Tagebau Schöningen ausgekohlt sein wird. Welche Braunkohlemenge wurde bisher vom Tagebau Profen zum Kraftwerk Buschhaus geliefert? Bitte Angabe der Gesamtmenge pro Jahr in Tonnen. In welcher Entfernung befindet sich das Braunkohlekraftwerk Buschhaus vom Tagebau Profen? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4 Frage 7: Im Artikel der Mitteldeutschen Zeitung vom 20. September 2013 wird von einem Mibrag-Geschäftsführer die Bereitschaft zu weiteren Braunkohleexporten vom Burgenlandkreis nach Tschechien geäußert. Da der bestehende Tagebau Profen den Brennstoff für Kraftwerke in Sachsen-Anhalt liefert, wäre seine Kapazität bei weiteren Exporten nach Tschechien und Lieferungen in das Kraftwerk Buschhaus vor der ursprünglich geplanten Reichweite bis zum Jahr 2035 ausgekohlt , sodass ein neuer Tagebau Lützen zur Bedienung aller Kohlebedarfe erforderlich wäre. Inwieweit sieht die Landesregierung ein Interesse zum Wohle der Allgemeinheit an dem Aufschluss eines neuen Tagebaus Lützen gegeben, bei dem 1000 Menschen ihre Heimat verlieren würden, die dann in Form von Braunkohle nach Tschechien gefahren wird? Wie positioniert sich die Landesregierung vor diesem Hintergrund zum konkurrierenden Profitinteresse der Mibrag mit dem Allgemeinwohlinteresse der Bürgerinnen und Bürger? Die Braunkohlengewinnung der MIBRAG zur Versorgung der Strom-, Wärme- und Energiemärkte ist von allgemeinem volkswirtschaftlichem Interesse. Denn die in Mitteldeutschland geförderte Braunkohle als heimischer Energieträger sorgt für einen wichtigen und zuverlässigen Beitrag zur Stromerzeugung im Energiemix mit den erneuerbaren Energieträgern (Sonne, Wind) und den importbedürftigen Energieträgern (Erdgas, Erdöl, Importkohle), der flexibel zur Absicherung der Versorgungssicherheit insbesondere auch bei Schwankungen der Netzstabilität infolge witterungs- oder marktbedingter Versorgungsengpässe eingesetzt wird. Die MIBRAG ist mit insgesamt 3.000 Beschäftigten in den Bereichen Braunkohlenbergbau und -stromerzeugung und einem überdurchschnittlichen Ausbildungsanteil einer der größten Arbeitgeber in Mitteldeutschland und mit jährlichen Investitionsleistungen im zweistelligen Millionenbereich ein wichtiger Auftraggeber für die regionale Wirtschaft. Der Landesregierung liegt kein Antrag der MIBRAG auf Erteilung einer Bergbauberechtigung für eine künftige Gewinnung oder auf Zulassung eines Betriebsplanes vor; die Absicht, einen solchen Antrag seitens der MIBRAG kurzfristig einzureichen, ist der Landesregierung nicht bekannt. Vor der Erteilung einer Gewinnungsberechtigung für den Tagebau Lützen wäre in einem ersten Schritt durch das Unternehmen bei der Regionalen Planungsgemeinschaft Halle die Aufstellung eines regionalen Teilgebietsentwicklungsprogramms Lützen zu beantragen. Ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung wäre nachgeschaltet. In beiden Verfahren erfolgt eine umfassende Abwägung aller Interessen. Frage 8: Ist es richtig, dass Kohle aus dem Tagebau Vereinigtes Schleenhain (Sachsen) zum Tagebau Profen gefahren wird, um dort mit der Profener Kohle, der eine schlechte Qualität nachgesagt wird, gemischt zu werden? Wenn ja, wie erfolgt der Transport? Um welche Mengen handelt es sich? Bitte auch Zeitpunkt der Lieferungen angeben. Was sind die Gründe für die Lieferung der Kohle aus Sachsen nach Sachsen-Anhalt? Nach Kenntnis der Landesregierung ist das nicht richtig.