Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3807 11.02.2015 (Ausgegeben am 11.02.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Rüdiger Erben (SPD) Handeln von Behörden und Einrichtungen der Polizei Sachsen-Anhalt im Zusammenhang mit dem Fund eines sog. „Nebelfasses“ (II) Kleine Anfrage - KA 6/8627 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im Monat November 2014 wurde in der Elbe in der Nähe des Ortsteiles Steutz (Stadt Zerbst/Anhalt, Landkreis Anhalt-Bitterfeld) ein Gegenstand geborgen, bei dem es sich um ein sog. „Nebelfass“ deutscher Produktion aus dem Zweiten Weltkrieg handeln soll. Das „Nebelfass“ wurde später in die Stadt Aken/Elbe verbracht, wurde zunächst von der Feuerwehr gesichert und im Dezember 2014 als Kampfmittel entsorgt . In der Fragestunde zur 39. Sitzungsperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt antwortete die Landesregierung auf die Frage, aus welchen Gründen das Technische Polizeiamt als Kampfmittelbeseitigungsdienst in dem oben beschriebenen Fall keine Amtshilfe entsprechend § 4 der Gefahrenabwehrverordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (KampfM-GAVO) leistete. Nach einer Begutachtung sei klar gewesen, dass es sich nicht um Kampfmittel i. S. v. § 1 Abs. 1 KampfM-GAVO handle. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Dem Vernehmen nach stützt das Technische Polizeiamt sein Nichthandeln auf einen Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3. September 2014 (Az.: 21.31-12243-15). Nach Rechtsauffassung des Ministeriums handle es sich bei sog. „Nebelfässern“ generell nicht um Kampfmittel nach § 1 Abs. 1 KampfM-GAVO, da sie keine Munition oder Munitionsteile seien bzw. enthielten. Unbestritten ist jedoch, dass „Nebelfässer“ Nebel- 2 stoffe enthalten und diese von der Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 1 KampfM-GAVO umfasst sind. Wie begründet die Landesregierung ihre Rechtsauffassung? Das Technische Polizeiamt stützt seine Auffassung zur Zuständigkeit des Kampfmittelbeseitigungsdienstes nicht auf einen Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3. September 2014 (Az.: 21.31-12243-15). Es handelt sich hierbei um ein Antwortschreiben des Ministeriums für Inneres und Sport an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. In diesem Schreiben vertritt das Ministerium für Inneres und Sport die gleiche Rechtsauffassung hinsichtlich der Entsorgung eines sog. Nebelfasses wie im vorliegenden Einzelfall. Die Rechtsauffassung der Landesregierung in der Frage der Zuständigkeit des Kampfmittelbeseitigungsdienstes bei der Entsorgung von sog. Nebelfässern stützt sich auf die Regelungen der Gefahrenabwehrverordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (KampfM-GAVO). Nach § 1 Abs. 1 KampfM-GAVO sind Kampfmittel im Sinne dieser Verordnung „gewahrsamslos gewordene zur Kriegsführung bestimmte Munition oder Munitionsteile (insbesondere Gewehrpatronen, Granaten, Bomben, Minen, Zünder, Spreng- und Zündmittel), bei denen nicht ausgeschlossen ist, dass sie - Explosivstoffe oder Rückstände dieser Stoffe enthalten oder aus Explosiv- stoffen oder deren Rückstände bestehen oder - Kampfstoffe, Nebelstoffe, Brandstoffe, Reizstoffe oder Rückstände oder Zer- fallsprodukte dieser Stoffe enthalten.“ Das geborgene „Nebelfass“ enthielt keine Munition oder Munitionsteile und ist somit kein Kampfmittel im Sinne dieser Gefahrenabwehrverordnung. Auch wenn sog. Nebelfässer Nebelstoffe nach § 1 Abs. 1, 2. Spiegelstrich der KampfM-GAVO enthalten, ist das Tatbestandsmerkmal Kampfmittel gemäß § 1 Abs. 1 KampfM-GAVO nicht erfüllt, da Nebelfässer keine Munition oder Munitionsteile enthalten. 2. Wie beurteilt die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, dass die Kampf- mittelbeseitigungsdienste der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz, trotz einer mit Sachsen-Anhalt identischen Kampfmitteldefinition im dortigen Landesrecht, sog. „Nebelfässer“ als Kampfmittel beseitigen? In Rheinland-Pfalz unterfallen sog. Nebelfässer nicht der für den Kampfmittelräumdienst (KMRD) maßgeblichen engeren Definition „Kampfmittel“. Allerdings wurden im Zuge einer im jahrzehntelangen Vergleich besonderen Niedrigwassersituation im November/Dezember 2011 neben zahlreichen Bomben - und sonstigen Munitionsfunden auch einige dieser Nebelfässer freigelegt und oftmals auch als „Bombenfunde“ gemeldet. Der KMRD hat einzelne dieser nicht mehr als transport- und handhabungssicher eingestuften Altlasten in Amtshilfe und Abstimmung mit den zuständigen Behörden vor Ort durch fachgerechte Sprengung vernichtet; dies erfolgte im Rhein bzw. Rheinuferbereich 3 im Zusammenhang mit zeit- und ortsnah wegen Bombenentschärfungen ohnehin erforderlichen Absperrungs- und Evakuierungsmaßnahmen. Eine originäre Zuständigkeit des KMRD für die Entsorgung sogenannter Nebelfässer besteht in Rheinland-Pfalz nicht. Im Land Hessen werden Nebelfässer als Kampfmittel durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst entsorgt. Allerdings sind nach allgemeiner Definition im Land Hessen Kampfmittel gewahrsamslos gewordene Gegenstände militärischer Herkunft und Teile solcher Gegenstände, die Explosivstoffe enthalten oder aus Explosivstoffen bestehen und Kampfstoffe, Nebelstoffe, Brandkampfstoffe und Reizstoffe enthalten. In Sachsen-Anhalt sind nach § 1 Abs. 1 KampfM-GAVO Kampfmittel gewahrsamslos gewordene zur Kriegsführung bestimmte Munition oder Munitionsteile (siehe auch Antwort zu Frage 1). Die Rechtslage in Hessen unterscheidet sich daher von der Rechtslage in Sachsen-Anhalt.