Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3813 16.02.2015 (Ausgegeben am 17.02.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wildkatze in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8647 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Wildkatze (Felis silvestris) war ursprünglich in ganz Deutschland verbreitet. Heute beschränkt sich ihr Vorkommen im Wesentlichen auf die Mittelgebirgsregionen u. a. auf die Eifel, den Hunsrück, den Pfälzer Wald, den Taunus, den Westerwald, den Solling, das Nordhessische Bergland, den Thüringer Wald und Hainich sowie den Harz. Die Wildkatze ist auf Laub- und Mischwälder mit einem hohen Anteil an Waldrandzonen und Totholz angewiesen. Auch Trittsteinbiotope und Wanderkorridore sind für das Erschließen von Lebensräumen sowie für ihren arttypischen großen Aktionsradius unerlässlich. Die Wildkatze ist nach FFH-Richtlinie Anhang IV eine streng geschützte Art und wird laut Roter Liste als stark gefährdet eingestuft. Der Hauptgrund dafür ist die Zerschneidung von Lebensräumen etwa durch große Infrastrukturprojekte . In Sachsen-Anhalt liegt ihr Verbreitungsschwertpunkt im Harz. Das Land Sachsen-Anhalt trägt für die Wildkatze eine besondere Verantwortung. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Wie hat sich der Bestand der Wildkatze in Sachsen-Anhalt und deutsch- landweit seit 1990 entwickelt? Bitte tabellarisch und graphisch angeben sowie eine Karte der Verbreitungsgebiete in Sachsen-Anhalt anfügen. Es wird eingeschätzt, dass in Deutschland zwischen 5.000 und 7.000 Wildkatzen leben. Konkrete Angaben über die Bestandsgröße und -entwicklung liegen allerdings nicht vor. Dem FFH-Bericht für die Jahre 2000 bis 2012 ist für den Parameter Population auf der Grundlage von Schätzungen eine Größe von 914 bis 934 besiedelten TK25-Quadranten zu entnehmen. 2 Die Verbreitungszentren der Wildkatze umfassen zum einen Vorkommen in Eifel , Hunsrück, Pfälzer Wald und Taunus sowie zum anderen Vorkommen im Harz, in Teilen des Leine-Weserberglandes und den Waldgebieten Hessens und Nordthüringens. Weitere Vorkommen befinden sich auch im Spessart, der Rhön und im Fichtelgebirge. Anlage 1 zeigt die Verbreitungskarte für Deutschland aus der letzten FFH-Berichterstattung . Eine intensivere Erfassung der Vorkommen in Sachsen-Anhalt erfolgte erst ab dem Jahr 2004. Vorherige Daten entstammen Zufallsfunden oder der Auswertung von Totfundnachweisen. Demnach besiedelt die Wildkatze vornehmlich den Harz und sein näheres Umfeld. Neue Nachweise aus dem Bereich der Colbitz -Letzlinger Heide sowie der Altengrabower Heide müssen in den folgenden Jahren gezielt überprüft werden. Die nachstehenden Abbildungen zeigen die Vorkommen der Zeiträume 1995 bis 2012. Eine Zunahme von Rasterzellen mit Vorkommen ist durch ein optimiertes Monitoring sowie durch einen positiven Ausbreitungstrend begründet. Trotz des intensivierten Monitorings können keine konkreten Angaben zur Größe der Population gemacht werden. 3 2. Ist in Anbetracht der in Frage 1 abgefragten Daten die Wildkatze in Sach- sen-Anhalt als (stark) gefährdet einzustufen? Die Bewertung für die letzte FFH-Berichterstattung ergab nach Landesschema in den Parametern Populationszustand, Habitatqualität und Beeinträchtigungen und damit in der Gesamtbewertung die Einschätzung „B“ (gut). Unter Einbeziehung der Kriterien des FFH-Ampelschemas ergibt sich gemäß des endgültigen Berichtes (Stand Dezember 2013) eine bundesweite Einschätzung für die atlantische Region in „U2“ (rot) und für die kontinentale Region in „U1“ (gelb). Trotz eines offenbar zunehmenden Bestandstrends muss die Wildkatze nicht zuletzt wegen einer hohen unnatürlichen Todesrate (z. B. durch den Straßenverkehr ) sowie der weiterhin unsicheren Zukunftsaussichten als stark gefährdet angesehen werden. 3. Ist die Population der Wildkatze selbständig überlebensfähig oder müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden? Auf der Grundlage einer landesweiten Datenrecherche zur Verbreitung im Jahr 2006 konnte eine positive Entwicklung der Harzer Wildkatzenpopulation in den letzten 5 bis 10 Jahren festgestellt werden. So werden wieder Wildkatzen außerhalb der geschlossenen Waldgebiete des Harzes nachgewiesen, z. B. in den Harsleber Bergen im nördlichen Harzvorland, den östlich angrenzenden Gebieten sowie dem Hakel. Auch im Ziegelrodaer Forst wird die Wildkatze wieder regelmäßig beobachtet. Die bewaldeten Strukturen des südlichen Harzvorlandes sind für den Populationsverbund zwischen dem Harz und den nordthüringischen Waldgebieten bedeutend . Die gegenwärtige Tendenz, dass die Wildkatze eigenständig weitere Lebensräume erschließt, ist als ein Indiz zu werten, dass die Art selbstständig überleben kann. Es ist allerdings sicher zu stellen, dass auf diese Tendenz negativ einwirkende Faktoren beseitigt oder minimiert werden. Dazu zählt insbesondere , dass Unfallschwerpunkte, die zu einer unnatürlichen Todesrate führen, durch entsprechende Querungshilfen entschärft werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die mögliche Bastardisierung mit Hauskatzen, die eine genetische Beeinflussung der Wildkatzenpopulation bewirken kann. 4. Welche Aktivitäten entfaltet die Landesregierung, um den Bestand der Wildkatze zu stabilisieren bzw. zu erhöhen? Bitte auflisten. Zur Verbesserung der Datenlage und Gesamtübersicht wurden mit der Umsetzung von Natura 2000 insbesondere in den letzten 10 Jahren entsprechende Erfassungen und Untersuchungen initiiert bzw. unterstützt. Diese Maßnahmen fanden auch im Rahmen der jeweiligen Managementplanerstellung Berücksichtigung . Aktuell wird im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz Halle (Vertragsdauer 1. September 2013 bis 8. Mai 2015) eine Dokumentation und Publikation 4 zum Erhaltungszustand der Wildkatze erstellt. Auf dieser wissenschaftlich fundierten Basis lassen sich die weiteren Schritte zur Bestandssicherung umsetzen . Diese fachliche Arbeit ergänzt die in der Reihe „NATURa verbunden“ 2014 fertig gestellte populäre Broschüre „Die Wildkatze in Sachsen-Anhalt“. Öffentlichkeitsarbeit wird als ein wichtiger Bestandteil für den Schutz der Wildkatze und für die Vermeidung negativ wirkender Potenziale angesehen. Anhaltspunkte für Schutzbemühungen gibt z. B. der Artikel „Wildkatzen und Straßen - Ermittlung von Unfallschwerpunkten im Ostharz“ von Malte Götz und Saskia Jerosch im Heft Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, Jahrgang 47 (2010). 5. Welche Projekte zur Unterstützung der Wildkatze wurden bzw. werden sei- tens des Landes Sachsen-Anhalt gefördert? Bitte Titel, Summe, Dauer und Projektträger angeben. In Sachsen-Anhalt wurden nachstehende Projekte zur Wildkatze und dessen Schutz umgesetzt:  TU Dresden, Institut für Forstbotanik und Forstzoologie (01.01.2004 bis 31.12.2007): „Reproduktionsökologie und Raum-Zeit-Muster der Wildkatze im Ostharz“ unter Beteiligung des Biosphärenreservates „Karstlandschaft Südharz i. G.“, der Oberen Jagdbehörde und der Dr. Joachim und Hanna Schmidt Stiftung für Umwelt und Verkehr. Das Projekt wurde mit 80.000 Euro gefördert, davon 20.000 Euro aus der Förderung des Jagdwesens.  BUND Regionalverband Halle-Saalkreis (01.10.2012 bis 30.09.2013): „Natura 2000 - Rettungsnetz für Wildkatze und Co“ Im Ergebnis des Projektes sollen Habitatstrukturen für die Zielarten und die Kohärenz zwischen den Gebieten verbessert werden. Bewilligte Mittel: 81.285,48 Euro.  BUND Regionalverband Halle-Saalkreis (01.10.2013 bis 30.09.2015): „Natura 2000 - Rettungsnetz für Wildkatze und Co“ (Folgeantrag) Weiterführung des Projektes aus 2012. Bewilligte Mittel: 95.500 Euro. Nachstehendes Projekt wirkte auch auf die Besiedlungsgebiete von SachsenAnhalt ein:  TU Dresden, Institut für Forstbotanik und Forstzoologie (01.05.2010 - 30.04.2014): „Populationsdynamik und Migrationsmuster von Wildkatzen im Verbundlebensraum Südharz, Kyffhäuser, Hainleite, Hohe Schrecke/Finne und Ziegelrodaer Forst - ökologische Grundlage der Vernetzung von Subpopulationen als Umsetzung des Wildkatzen-Aktionsplans“ Die Finanzierung erfolgte durch die Zoologische Gesellschaft Frankfurt e. V., die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und die Dr. Joachim und Hanna Schmidt Stiftung für Umwelt und Verkehr. 5 Da die Wildkatze auch dem Bundesjagdrecht unterliegt, findet im Rahmen der Hegeverpflichtung eine Bereitstellung von Finanzmitteln aus der Jagdabgabe statt. So wurden 2014 das Projekt des BUND-Regionalverbandes HalleSaalkreis „Analyse von Wildkatzenhaarproben - ein Beitrag zur Hege der Wildkatze “ und die Herausgabe einer BUND-Broschüre mit jeweils 3.000 Euro unterstützt . Als praktische Maßnahmen wurden sowohl entlang des Helme-Armes bei Oberröblingen erste grüne Korridore gepflanzt, als auch die Entschärfung eines Unfallschwerpunktes an der B 242 durch die Landesstraßenbaubehörde vorgenommen , indem zwei Durchlässe in den Straßenkörper eingelassen und eine wildkatzensichere Zäunung im kritischen Straßenverlauf installiert wurden. 6. Inwiefern unterstützt das Land Sachsen-Anhalt das Projekt „Wildkatzen- sprung Wiedervernetzung der Wälder Deutschlands“? Durch wen und in welcher Höhe wird das Projekt finanziert? Im Rahmen des Projekts sollen in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen bis zu 50 m breite Waldverbindungen entstehen und bestehende Wälder ökologisch verbessert werden. Parallel dazu sollen die aktuellen Bestände und Wanderungen der Wildkatzen erfasst werden. Dazu werden in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland , Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für eine bundesweite Gendatenbank Haarproben gesammelt und genetisch analysiert. Ein Projektpartner für die Auswertung der Daten und die Erstellung der Datenbank ist das Senckenberg -Institut in Frankfurt. Das Projekt ist Teil des Bundesprogramms zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt. Es ist mit einem Finanzvolumen von insgesamt 5,06 Millionen Euro ausgestattet. Die Laufzeit ist vom 1. November 2011 bis zum 30. Oktober 2017. Eine direkte finanzielle Unterstützung durch das Land erfolgt nicht, jedoch wirken sich die in der Antwort zu Frage 5 genannten Projekte auf dieses Vorhaben aus bzw. fließen ein. In Sachen-Anhalt sind Mitarbeiter des Nationalparks, des BUND-Regionalverbandes Halle-Saalekreis, der BUND-Kreisgruppe Harz und des Tierparks Thale in das Projekt eingebunden. 7. Welche Wanderkorridore für Wildkatzen existieren oder befinden sich im Aufbau in Sachsen-Anhalt und wie werden sie genutzt? Bitte auch eine Karte anfügen. Über Wanderkorridore und deren Nutzung liegen bislang nur marginale Informationen vor. Mit Umsetzung des laufenden BUND-Projektes und der Auswertung der durchgeführten Untersuchungen verspricht man sich einen wachsenden Erkenntnisgewinn, der eine konkrete Beschreibung und Wertung zulässt. 6 8. Inwiefern unterstützt das Land Sachsen-Anhalt den Kauf von Flächen für Wanderkorridore zur Vernetzung der Waldgebiete? Durch wen und in welcher Höhe wird das finanziert bzw. unterstützt? Der Landesregierung liegen gegenwärtig keine Kenntnisse über Flächenkäufe zur Realisierung der Wanderkorridore für Wildkatzen vor. Auch die eingereichten bzw. bewilligten Förderanträge beinhalten keine derartigen Finanzpositionen . 7 Anlage 1