Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3845 26.02.2015 (Ausgegeben am 26.02.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Daniel Sturm (CDU) Gemeinsamer Frauenstrafvollzug Sachsen-Anhalt und Brandenburg Kleine Anfrage - KA 6/8642 Vorbemerkung des Fragestellenden: Nach einer Verwaltungsvereinbarung vom 28. September 2012 kooperieren Sachsen -Anhalt und Brandenburg beim Frauenstrafvollzug. Danach werden weibliche Gefangene aus Sachsen-Anhalt zum Vollzug ihrer Freiheitsstrafe in der JVA LuckauDuben untergebracht. Bis 2012 wurden weibliche Gefangene aus Sachsen-Anhalt in der JVA Chemnitz untergebracht. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung Vorbemerkung: Vor dem Hintergrund, dass Grundlage für den Vollzug die Regelungen des Landes sind, in dem die weiblichen Gefangenen aus dem Land Sachsen-Anhalt untergebracht sind (Nr. V der o. g. Verwaltungsvereinbarung), wurde das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg zur Beantwortung der Frage 2 um Stellungnahme gebeten. 1. Wie hat sich die Umsetzung der Verwaltungsvereinbarung vom 28. September 2012 generell bewährt? Die Kooperation zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und dem Land Brandenburg zum gemeinsamen Frauenvollzug in der JVA Luckau-Duben hat sich aus hiesiger Sicht sehr gut bewährt. Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende, eigenständige Vollzugsanstalt in angemessener Größe für die zahlenmäßig relativ kleine Gruppe von weiblichen 2 Gefangenen in Sachsen-Anhalt war und ist weder aus Gründen der inhaltlichen Vollzugsgestaltung noch aus personeller und wirtschaftlicher Sicht sinnvoll und vertretbar . Vielmehr ermöglicht die Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg auch für diese – verhältnismäßig wenigen – weiblichen Gefangenen ein breites Behandlungs-, Ausbildungs - und Arbeitsangebot vorzuhalten. Aus vollzugspraktischer und wirtschaftlicher Sicht ist dies eine optimale Lösung. 2. Wie hat sich die Umsetzung der Verwaltungsvereinbarung vom 28. September 2012 bewährt in Bezug auf a. Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft, b. Leistungen bei Erkrankungen allgemeiner Art und Zahnbehand- lung, c. die Unterbringung von Müttern mit Kindern, d. den Besuch von Angehörigen aus allen Landesteilen, die infolge der schlechten Erreichbarkeit von Luckau erheblich längere Bahnfahrten in Anspruch nehmen müssen als nach Chemnitz und mitunter die Rückfahrt an demselben Tag nicht mehr antreten können ? Rechtliche Grundlage für den Frauenvollzug im Land Brandenburg ist das Brandenburgische Justizvollzugsgesetz (BbgJVollzG). Hier im Land sind in keinem Fall Schwierigkeiten, Qualitätseinbußen oder Beschwerden gleich welcher Art durch die Unterbringung der weiblichen Gefangenen im Land Brandenburg bekannt geworden. Den nachfolgenden Ausführungen des Ministeriums der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg kann vollumfänglich beigetreten werden : Zu a. Gemäß § 74 Abs. 1 BbgJVollzG haben Gefangene einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Leistungen unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung des allgemeinen Standards der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch umfasst auch Vorsorgeleistungen, ferner die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln, soweit diese mit Rücksicht auf die Dauer des Freiheitsentzuges nicht ungerechtfertigt ist und die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Darüber hinaus richtet sich die medizinische Versorgung der Inhaftierten grundsätzlich nach der Dienstordnung für das Gesundheitswesen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg (DOG), im thematischen Zusammenhang insbesondere nach Nr. 46 DOG in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“) vom 28.06.2014. Schwangere Inhaftierte werden über die im Rahmen des Zugangs obligatorisch vorgesehene Vorstellung beim Anstaltsarzt hinaus regelmäßig einem in der JVA 3 Luckau-Duben konsiliarisch tätigen Gynäkologen vorgestellt. Dieser entscheidet über gegebenenfalls notwendige medizinische Behandlungsmaßnahmen. Sofern erforderlich , wird die Schwangere auch zu einer medizinischen Behandlung oder zu einer Beratung (Pro Familia/Jugendamt) außerhalb des Vollzuges ausgeführt. Bei Bedarf kann sie Gespräche mit dem Psychologischen Dienst der JVA Luckau-Duben führen. Zu b. Für die allgemeinmedizinische Betreuung der weiblichen Inhaftierten stehen zwei Anstaltsärzte sowie darüber hinaus konsiliarisch tätige Ärzte aller Fachrichtungen zur Verfügung. Sofern erforderlich, erfolgt die medizinische Behandlung in der Haftkrankenhausabteilung der JVA Brandenburg a. d. H. bzw. in einer im städtischen Klinikum Brandenburg speziell für den Justizvollzug eingerichteten Station. ln Notfällen erfolgt eine Einweisung der Inhaftierten in eines der nächstgelegenen Krankenhäuser der Region. Die zahnärztliche Versorgung wird durch einen in der Anstalt tätigen Zahnarzt abgesichert. Ein stark erhöhter Bedarf an fachmedizinischer Betreuung ist bei den Inhaftierten, die auf Grundlage der o. g. Verwaltungsvereinbarung im Land Brandenburg untergebracht sind, insbesondere in den Bereichen der psychiatrischen und der zahnärztlichen Versorgung festzustellen. Dies ist damit zu erklären, dass bei einem sehr hohen Anteil der Gefangenen eine bereits langjährig bestehende massiv ausgeprägte Suchtmittelproblematik vorliegt und sich insbesondere durch den vorherrschenden Konsum von Heroin, Kokain, Chrystal und THC erhebliche physische und psychische Schädigungen ergeben haben. Zu c. Die Anzahl der für solch eine Unterbringung infrage kommenden Fälle ist bisher äußerst gering. Im Justizvollzug des Landes Brandenburg ist sie im offenen Vollzug vorgesehen. Die angestrebte Unterbringung bedarf der jeweiligen Prüfung im Einzelfall . Zu den Voraussetzungen der gemeinsamen Unterbringung einer inhaftierten Mutter mit ihrem Kind gehören u. a. die Zustimmung des Jugendamtes, die Persönlichkeitsbeurteilung der Mutter, deren Eignung für eine Unterbringung im offenen Vollzug sowie die Kostenabsicherung für die Versorgung des Kindes (Krankenkasse, soz.-päd. Betreuung, Verpflegung). Unabhängig von einer Unterbringung im offenen Vollzug besteht die Möglichkeit der Unterbringung von Mutter und Kind im Rahmen einer Kooperation mit Berlin und Niedersachsen (JVA Vechta). Positive Erfahrungen sind im Zusammenhang mit der Unterbrechung des Vollzuges gemäߧ 455a Abs. 1 StPO zu verzeichnen. Die Mutter kann dann ihr Kind in einer gewohnten Umgebung zur Welt bringen, sich im Anschluss an die Geburt um dessen weitere Unterbringung aktiv kümmern, sofern diese nicht bereits zuvor abgeklärt worden ist, und sie kann eine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen. Zu d. Die Besuchsregelungen in § 34 Abs. 1 BbgJVollzG sehen für Strafgefangene eine Besuchsdauer von mindestens 4 Stunden und für Jugendstrafgefangene von mindestens 6 Stunden im Monat vor. Diese Besuchsregelung bedeutet eine Besserstellung im Vergleich zu derjenigen im bundeseinheitlichen Strafvollzugsgesetz, welches in Sachsen-Anhalt bis zur Verabschiedung eines dortigen Landesgesetzes für den Strafvollzug noch Gültigkeit hat. Darüber hinaus können Besuche gem. § 34 Abs. 3 und 4 BbgJVollzG zugelassen werden. Dazu gehören auch mehrstündige, unbeauf- 4 sichtigte Besuche zur Pflege von familiären und partnerschaftlichen Kontakten. Besuche von Kindern werden in der JVA Luckau-Duben, sofern die Kindesmutter dies wünscht, großzügig gehandhabt. Die erweiterten Besuchsmöglichkeiten in der JVA Luckau-Duben werden von den weiblichen Gefangenen aus Sachsen-Anhalt auf verschiedene Weise genutzt. Zum einen im Rahmen von mehrstündigen Regelbesuchen in der JVA Luckau-Duben, zum anderen in Form von Besuchsübersteilungen in die JVA Halle im Abstand von zwei Monaten. Im Jahr 2014 konnten insgesamt 78 derartige Besuchsüberstellungen umgesetzt werden. Der Lebensmittelpunkt der sachsen-anhaltinischen Gefangenen liegt im Raum Naumburg-Halle-Dessau-Roßlau-Magdeburg. Nach Wahrnehmung des Besuchsdienstes der JVA Luckau-Duben stellt die Anreise der Angehörigen oder sonstigen Besucher dieser Gefangenen mit der Bahn die Ausnahme dar. Ein Fall von notwendig gewordener Übernachtung aufgrund der Reisedauer ist nicht bekannt. Die Anreise erfolgt überwiegend mit dem PKW. ln diesen Fällen stellen sich die Fahrtzeiten zwischen dem Lebensmittelpunkt der Inhaftierten und der JVA Luckau-Duben vergleichbar mit denen zur JVA Chemnitz dar. Sie liegen zwischen einer und zweieinhalb Stunden für eine Fahrtstrecke und sind vergleichbar mit Fahrtzeiten, die im ungünstigen Fall auch in Brandenburg Besucher der JVA Luckau-Duben zurücklegen müssen.