Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3848 26.02.2015 (Ausgegeben am 27.02.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bergrechtliche Erlaubnis „Kunrau“ (Altmark) zur Aufsuchung von Erdgas Kleine Anfrage - KA 6/8649 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) hat der GDF SUEZ E&P Deutschland GmbH am 20. August 2013 die bergrechtliche Erlaubnis Nr. I-B-a- 394/12 –„Kunrau“ zur Aufsuchung von Erdgas erteilt. Aufgrund des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und des voranschreitenden Klimawandels haben sich Menschen in der Altmark bei Bürgerversammlungen am 1. Oktober 2014 in Kusey und am 27. November 2014 in Köckte gegen die Aufsuchungserlaubnis ausgesprochen und Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des bergbaulichen Erlaubnisverfahrens geäußert. Die Gründe für die Infragestellung der Rechtmäßigkeit der Bergbauberechtigung sind von der Bürgerinitiative „Kein CO2-Endlager Altmark“ in ihrem Schreiben vom 20. November 2014 an das LAGB dargelegt worden. Bis heute liegt weder eine Antwort vom LAGB noch des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft und des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt, die das Schreiben am 1. Dezember 2014 zur Kenntnis bekamen, vor. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: In Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben die Landesregierungen ihre Bergbehörden angewiesen, bei der Erteilung von Aufsuchungsgenehmigungen die betroffenen Gemeinden zu beteiligen. Wie positioniert sich die Landesregierung zu der Frage, auch in Sachsen-Anhalt einen entsprechenden Erlass auf den Weg zu bringen? Im Vorfeld der Erteilung jeder Erlaubnis beteiligt das LAGB den jeweils betroffenen Landkreis. Dieser kann schon heute die betroffenen Gemeinden einbeziehen. Für einen Erlass, die Gemeinden einzubeziehen, besteht also keine Notwendigkeit. 2 Unabhängig davon wurde das LAGB angewiesen, im eigenen Ermessen einzelfallbezogen die Notwendigkeit einer unmittelbaren Information der Gemeinden zu prüfen . Des Weiteren wird das LAGB gegenüber dem jeweiligen Bergbauunternehmer auf eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 25 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz hinwirken. Frage 2: Bei der bergrechtlichen Erlaubnis Nr. I-B-a-394/12 –„Kunrau“ zur Aufsuchung von Erdgas sind die betroffenen Gemeinden in der Altmark nicht beteiligt worden . Hält es die Landesregierung für demokratisch und transparent, dass die Gemeinden nicht beteiligt wurden? Sieht die Landesregierung einen Ansatzpunkt , dass die Aufsuchungserlaubnis zurückgenommen werden kann? Nach § 15 Bundesberggesetz (BBergG) ist den Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen (z. B. Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, der Raumordnung, des Verkehrs und des Gewässerschutzes) im Sinne des § 11 Nr. 10 BBergG gehört. Das BBergG ist durch den Deutschen Bundestag und damit durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber beschlossen worden. Die zuständigen Behörden sind im Fall der Erteilung der bergrechtlichen Erlaubnis „Kunrau“: der Landkreis Börde und der Altmarkkreis Salzwedel, das Landesverwaltungsamt , die Naturparkverwaltung „Drömling“ sowie die regionalen Planungsgemeinschaften Altmark und Magdeburg. Diese Behörden sind ordnungsgemäß durch das LAGB angehört worden. Da das Verwaltungsverfahren zur Erteilung der Erlaubnis weder formell noch materiell fehlerhaft war, besteht für die Landesregierung keine Veranlassung, die Aufsuchungserlaubnis zurückzunehmen. Frage 3: Im Schreiben des LAGB vom 28. Oktober 2014 an die Bürgerinitiative „Kein CO2-Endlager Altmark“ wird dargelegt, dass die beantragte Berechtigung versagt werden kann, wenn öffentliche Interessen - wie z. B. Belange des Naturschutzes - vorliegen, die die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen . Dies entspricht den Vorgaben von § 12 Abs. 1 Satz 1 Bundesberggesetz in Verbindung mit § 11 Nr. 10 Bundesberggesetz. In der Verordnung zum Naturpark Drömling – veröffentlicht im Amtsblatt des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 30. Juni 2005 - gibt es ein Verbot, Mineralien und sonstige Bodenschätze zu suchen, zu gewinnen oder sich anzueignen. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund die Erlaubniserteilung rechtfertigen, wenn sich der überwiegende Teil des Naturpark Drömling, dessen Anerkennung als Unesco-Biosphärenreservat beantragt ist, von der Aufsuchungserlaubnis betroffen ist? Bergbauunternehmen haben nach dem geltenden Bergrecht einen Anspruch darauf, dass ihnen eine Bergbauberechtigung (Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum) eingeräumt wird, wenn keine Versagensgründe vorliegen. Nur wenn überwiegende öffentliche Interessen - wie z. B. Belange des Naturschutzes - die Aufsuchung oder Gewinnung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen, ist die Erlaubnis oder 3 Bewilligung zu versagen (§ 11 Nr. 10 bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 BBergG). Dies hat zur Folge, dass eine Bergbauberechtigung durch die Bergbehörde selbst dann erteilt werden muss, wenn das Berechtigungsfeld (hier Erlaubnisfeld „Kunrau“) Naturschutzgebiete einschließt, solange diese nicht die gesamte Fläche des Feldes einnehmen . Auch aus den Stellungnahmen der beteiligten Behörden gehen keine Bedenken hervor , die eine Aufsuchungserlaubnis ausschließen. Die Hinweise der beteiligten Behörden lassen erkennen, dass die mit dem Naturpark „Drömling“ betroffenen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes nicht für das gesamte zu betrachtende Aufsuchungsfeld gelten und auch in dem für die Erkundungsarbeiten notwendigen Betriebsplanverfahren entsprechend berücksichtigt werden können. Frage 4: In dem übrigen, unmittelbar an den Naturpark Drömling angrenzenden Aufsuchungsgebiet sollen Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Naturschutz, mittelständisches Gewerbe und Erneuerbare Energien entwickelt werden, nicht jedoch eine Erweiterung der Erdgasförderung. Wie bewertet die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Bestrebungen, die Erdgasförderung zu erweitern ? Gemäß Landesentwicklungsplan 2010 (LEP 2010) sind in dem von der Erlaubnis „Kunrau“ umfassten Bereich als Ziele der Landesplanung zum einen das Vorranggebiet für Natur und Landschaft „Drömling und Feldflur bei Kusey“ und zum anderen als Vorranggebiet für die Rohstoffgewinnung das Erdgasfeld des Bergwerkseigentums Wenze „Erdgasfelder Altmark“ gesichert. Beides ist im öffentlichen Interesse und schließt sich grundsätzlich nicht aus, weil die konventionelle Erdgasgewinnung im tiefen geologischen Untergrund bei sachgerechter Durchführung erfahrungsgemäß keine oder nur unerhebliche Auswirkungen (z. B. geringe, gleichmäßige Senkungen) auf Natur und Landschaft haben kann. Insofern steht der LEP 2010 einer Weiterentwicklung des Förderfeldes Wenze durch eine Erkundung der Umgebung unter Beachtung der entsprechenden Umweltauflagen und gesetzlichen Beschränkungen nicht entgegen, zumal der LEP 2010 außerhalb der genannten Vorranggebiete keine weiteren Ziele für die Entwicklung des Freiraumes enthält. Frage 5: Die Altmark ist seit mehreren Jahren „Bioenergieregion“ und seit einigen Monaten mit EU-Geldern geförderte „Energetische Modellregion“. Wie erklärt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Bestrebungen, die Erdgasförderung auszuweiten? Im „Energiekonzept 2030 der Landesregierung von Sachsen-Anhalt“ bekennt sie sich sowohl zur Entwicklung von energetischen Modellregionen als auch zur vollständigen Förderung der konventionellen Gasvorkommen in der Altmark, soweit diese umweltverträglich erfolgen kann. Mit der Entwicklung von energetischen Modellregionen ist vor allem beabsichtigt, zukünftig Energiekosten einzusparen, die kommunalen Haushalte zu entlasten, regionale Wertschöpfungsprozesse auszulösen, Verbesserungen in der Wirtschaftsstruktur zu ermöglichen und damit letztlich dem demografischen Wandel in den Regionen entgegenzuwirken. 4 Dies schließt nicht aus, Erdgas als bedeutenden und klimafreundlichen Primärenergieträger in dieser Region aufzusuchen und ggf. auch zu fördern. Denn die Erdgasgewinnung ist zwar an den Standort der Lagerstätte gebunden, das geförderte Erdgas leistet als überregional bedeutender Bodenschatz jedoch auch außerhalb der energetischen Modellregion einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung. Die finanzielle Förderung der energetischen Modellregion durch das Land und die EU widerspricht daher einer eventuellen Ausweitung der Erdgasförderung nicht. Aus gesellschaftlicher Sicht leistet die Nutzung des heimischen Erdgases für die Erreichung der Ziele der Energiewende ebenso einen Beitrag, wie Energieeffizienzprogramme zur Erzielung von Energieeinsparungspotenzialen und der Ausbau der erneuerbaren Energien.