Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3863 04.03.2015 (Ausgegeben am 05.03.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ralf Wunschinski (CDU) Aufbewahrung von Asservaten bei den Staatsanwaltschaften im Land Sachsen -Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8645 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Nach welchem Archivierungs- und Ablagesystem erfolgt die Verwahrung von Beweismitteln (asservierte Gegenstände) bei den Staatsanwaltschaften im Land Sachsen-Anhalt? Beweismittel in Strafverfahren (asservierte Gegenstände) sind nach Maßgabe der bundeseinheitlichen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in amtliche Verwahrung zu nehmen und zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen vor Verlust, Entwertung oder Beschädigung zu schützen (Nr. 74 RiStBV). Die konkreten Anforderungen können je nach Art der Beweismittel unterschiedlich sein und werden im Einzelfall von dem für das Verfahren zuständigen Dezernenten festgelegt, die Umsetzung wird von der zuständigen Geschäftsstelle überwacht (§ 9 Abs. 1 AktO-oG). Für Gegenstände, die besonders vor Verlust oder Beschädigung zu schützen sind oder von denen eine Gefährdung ausgeht (beschlagnahmte Rausch- und Betäubungsmittel, Waffen und Munition), sind nach § 4 Abs. 1, 3 und Abschnitt C. der Anweisung für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände (Gewahrsamssachenanweisung) besonders gesichert in einem Stahlschrank oder Tresor aufzubewahren. Geld ist an die Landeshauptkasse abzuliefern. Im jeweiligen Strafverfahren werden asservierte Gegenstände in ein „Verzeichnis der Überführungsstücke“ aufgenommen, das jeweils der Akte und Handakte vorgeheftet wird. Dieses enthält zur eindeutigen Identifizierung eine Erfassungsnummer pro Gegenstand , dessen Bezeichnung und Verweise auf die Aktenblätter, aus denen sich auf die Verwahrung bezogene Anordnungen ergeben (§ 9 Abs. 2 bis 4 AktO-oG). 2 Die einzelnen Gegenstände werden in geeigneter Weise mit der Erfassungsnummer und der Bezeichnung des jeweiligen Strafverfahrens gekennzeichnet. Annahme und Herausgabe der Gegenstände erfolgen nur auf Anordnung aus dem jeweils bezeichneten Strafverfahren und sind auf der Annahme- bzw. Herausgabeverfügung in Kurzform zu dokumentieren. Auf dieser Grundlage erfolgt die Verwahrung von Beweismitteln (asservierten Gegenständen ) bei den Staatsanwaltschaften im Land Sachsen-Anhalt in verschlossenen und gesondert gesicherten Räumen. Zu den Räumen hat lediglich ein kleiner Personenkreis, welcher mit den Aufgaben der Asservatenverwaltung beauftragt ist, Zutritt. Die Lagerung der Beweismittel (asservierten Gegenstände) erfolgt in den besagten Räumen weitestgehend in Regalen und teilweise in Stahlschränken (z. B. Waffen, Munition). Die Erfassung der asservierten Gegenstände erfolgt in sog. ÜL-Listen (Überführungsstücklisten ) im Asservatenmodul, welches in der Fachanwendung WEB.STA mit integriert ist. Die einzelnen Regale und Stahlschränke sind entsprechend beschriftet. Zum jeweiligen Verfahren und den ÜL-Listen werden Aufkleber mit Barcode gedruckt und am Asservat angebracht. Mit dem Aufkleber wird das Asservat eindeutig im System kenntlich gemacht, sodass im System der Lagerort (Räume, Regale und Fach) der asservierten Gegenstände zu jedem Zeitpunkt festgestellt werden kann. 2. Wie hoch sind die Anschaffungskosten für ein elektronisches Archivie- rungssystems (Etikettierung und Scanner) für alle Aufbewahrungsstellen von Asservaten bei den Staatsanwaltschaften im Land Sachsen-Anhalt? Ein „elektronisches Archivierungssystem“ im Bereich der Asservatenverwaltung setzt zwingend eine Anbindung und Einbeziehung der im Fachverfahren der Staatsanwaltschaften (web.sta) vorhandenen Daten und des darin enthaltenen Asservatenmoduls voraus. Die hierzu notwendigen Arbeiten zur Anpassung des Fachverfahrens können nur durch die für die Pflege- und Weiterentwicklung des Fachverfahrens durch den Länderentwicklungsverbund web.sta beauftragte Programmierfirma Lunzer + Partner GmbH (L+P) durchgeführt werden. Auch die Integration von notwendigen HandheldComputern zur mobilen Erfassung und Auslagerung von Asservaten kann nur durch die Firma L+P erfolgen. Aus den bekannten Gründen ist daher auch eine Einholung alternativer Angebote ausgeschlossen. Nach einer ersten Grobkalkulation durch die Firma L+P würden die Kosten für die Programmierung und die Erweiterung der technischen Ausstattung der Staatsanwaltschaften in Sachsen-Anhalt insgesamt 215.000 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer (mithin ~ 255.000 EUR) betragen. Dabei beträgt der reine Programmieraufwand einschließlich Konzepterstellung insgesamt rd. 71.000 EUR. 3 Hinzu kommen die Kosten für die Einrichtung von WLAN-Strukturen in den Staatsanwaltschaften sowie die Beschaffung der Handheld-Computer zum Scannen der Asservate. Abhängig von der Größe und den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten der Staatsanwaltschaften müssen dafür Kosten von 15.000 bis 25.000 EUR je Dienststelle veranschlagt werden. Es ist davon auszugehen, dass Sachsen-Anhalt diese Kosten vollständig allein tragen muss, weil in anderen Ländern des Entwicklungsverbundes web.sta ein praktischer Bedarf für eine solche Lösung bisher nicht gesehen wird. Haushaltsmittel zur Realisierung der neuen Funktionalitäten im Zusammenhang mit einem „elektronischen Archivierungssystem“ im Bereich der Asservatenverwaltung sind im Haushaltsplan für die Jahre 2015 und 2016 nicht vorgesehen und können frühestens im nächsten Haushaltsaufstellungsverfahren ab 2017 berücksichtigt werden . Darüber hinaus sind auch die personellen Voraussetzungen in der IuK-Stelle bei der Generalstaatsanwaltschaft zur Begleitung eines solchen Vorhabens nicht gegeben. Da es sich um eine alleinige Anwendung für Sachsen-Anhalt handelt, müssen die technischen und organisatorischen Anforderungen an die Lösung von SachsenAnhalt und nicht im Entwicklungsverbund beschrieben werden (Mitwirkung am Fachfeinkonzept ) und darüber hinaus die Funktions- und Abnahmetests durch SachsenAnhalt allein bewältigt werden. Auch der reine Einführungsaufwand zum Einsatz im Echtbetrieb in den Staatsanwaltschaften ist mit der aktuellen Personalausstattung nicht zu leisten. Die neu zu entwickelnden Funktionalitäten können die Arbeit der Asservatenverwalter allenfalls unterstützen, vor menschlichem Fehlverhalten oder organisatorischen Mängeln schützen sie indes nicht. Wenn der Asservatenverwalter die neue Funktionalität nicht oder fehlerhaft nutzt, kann ein Vorkommnis wie bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg auch weiterhin trotz teurem IT-Aufwand nicht ausgeschlossen werden.