Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3869 06.03.2015 Hinweis: Die Antworten zu den Fragen 3 und 11 wurden dem Fragesteller mit der Maßgabe übermittelt, § 33 GSO LT zu beachten. Eine Einsichtnahme o. g. Antworten ist für Abgeordnete in der Landtagsverwaltung - Geheimschutzstelle - möglich. (Ausgegeben am 09.03.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Veranstaltung mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck in Naumburg Kleine Anfrage - KA 6/8655 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 31. Januar 2015 fand in Naumburg eine Veranstaltung mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck statt. Nach Berichten in sozialen Netzwerken und im Internet einsehbaren Videos war die Veranstaltung offenbar ursprünglich verboten worden, fand dann aber als „Neujahrsempfang“ der NPD statt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Landesregierung trifft aber eine Schutzpflicht gegenüber ihren nachrichtendienstlichen Quellen. Teile der Antwort der Landesregierung müssen insoweit als „Verschlusssache - Vertraulich“ eingestuft werden. Hierbei wird der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt gefolgt, nach der bei der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Parlament unter Geheimhaltungsaspekten wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen mit einbezogen werden können (vgl. Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2013, Az.: LVG 14/12). Hierzu zählt auch die Geheimschutzordnung des Landtages (GSOLT ). Die Einstufung als Verschlusssache ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das 2 Wohl des Landes Sachsen-Anhalt und die schutzwürdigen Interessen Dritter geeignet , das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Landesregierung zu befriedigen (Art. 53 Abs. 3 und 4 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt). Die öffentliche Preisgabe von weiteren Informationen zu den Fragen drei und elf würde Rückschlüsse auf sensible Verfahrensweisen und Taktiken der Verfassungsschutzbehörde ermöglichen. Das Bekanntwerden dieser Informationen ließe somit befürchten, dass verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht mehr wirksam entgegengetreten werden kann und hierdurch dem Wohl des Landes Sachsen-Anhalt Nachteile zugefügt würden. Darüber hinaus ist das Vertrauen in die Fähigkeit der Verfassungsschutzbehörden, Nachrichtenzugänge zu schützen für ihre Funktionsfähigkeit essentiell. Die öffentliche Mitteilung dieser weiteren Informationen, die Rückschlüsse auf Quellen zulassen , würde sich nachteilig auf die Fähigkeit des Verfassungsschutzes in SachsenAnhalt auswirken, solche Zugänge zu gewinnen bzw. solche Kontakte fortzuführen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wer war die/der Veranstalter/in der genannten Veranstaltung? Welche Er- kenntnisse liegen zu möglichen Aktivitäten der betreffenden Person/en im Bereich des Neonazismus und Rechtsextremismus vor? Veranstalter des „NPD-Neujahrsempfangs“ war Hans Püschel. Bei Hans Püschel handelt es sich um den im Mai 2013 seines Amtes enthobenen Bürgermeister der Gemeinde Krauschwitz im Burgenlandkreis. Der Landesregierung ist bekannt, dass Hans Püschel neben seiner Kandidatur für die NPD zur Landtagswahl 2011 bei zahlreichen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene als Referent auftrat. Er unterstützt mit seinen vielfältigen Äußerungen und Aktivitäten das ideologische Konzept der NPD. In zahlreichen Beiträgen auf seiner privaten Internetseite www.hans-pueschel.de äußert er sich u. a. zur gesellschaftlichen Aufarbeitung mit der jüngeren und jüngsten deutschen Geschichte und belegt seine Nähe zum historischen Nationalismus . Er widmet sich auf seiner Internetseite dem Stichwort „Holocaust“, wobei er die Vernichtung von Menschen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern als erlogen beziehungsweise völlig übertrieben darstellt. Zudem ist Hans Püschel in der Vergangenheit durch das Begehen rechtsmotivierter Straftaten in Erscheinung getreten. 2. In welchem Veranstaltungsobjekt in welchem Ort fand die Veranstaltung statt und in welchem Eigentumsverhältnis stand bzw. standen die/der Veranstalter/innen zum Veranstaltungsobjekt? Die Veranstaltung fand in Naumburg, Ortsteil Saaleck, im Gasthof Burgblick, Am Saaleck 7 statt. Das Objekt war zum Zeitpunkt der Veranstaltung nicht Eigentum des Veranstalters. 3 3. Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zur genannten Veran- staltung? Aus welchen Landkreisen/kreisfreien Städten Sachsen-Anhalts kamen wie viele Teilnehmer und welchen Organisationen waren diese ggf. zuzurechnen? Aus welchen anderen Bundesländern und ggf. welchen Staaten haben wie viele Personen an der Veranstaltung teilgenommen? Der Landesregierung ist bekannt, dass an der Veranstaltung ca. 30 Personen teilnahmen. Informationen zur Herkunft dieser Personen liegen der Landesregierung insoweit vor, als Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt aus dem Landkreis Saalekreis, dem Landkreis Harz sowie dem Landkreis Burgenlandkreis anreisten . Darüber hinaus kamen weitere Teilnehmer aus den Bundesländern Niedersachsen , Nordrhein-Westfalen sowie aus Sachsen. Die Mitteilung weiterer Erkenntnisse ist der Landesregierung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung der Kleinen Anfrage aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Zur Begründung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung zu dieser Kleinen Anfrage verwiesen. Die vollständige Antwort der Landesregierung muss deshalb als „Verschlusssache - Vertraulich“ eingestuft werden. Sie kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. 4. Welches war ggf. der Anlass der Veranstaltung? Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen hatte Hans Püschel am 30. Januar 2015 zu einem Neujahrsempfang der NPD-Fraktion mit Gedankenaustausch eingeladen. 5. Trifft es zu, dass die Veranstaltung zunächst verboten wurde? Wenn ja, welche Behörde sprach das Verbot aus? Wie wurde das Verbot begründet und verfügt? Inwieweit hält die Landesregierung das Verbot für gerechtfertigt ? Es ist zutreffend, dass die ursprünglich vorgesehene Veranstaltung der Frau Haverbeck verboten wurde. Die Veranstaltung der Frau Haverbeck wurde von den Behörden zunächst nicht als Versammlung gewertet. Das Vorgehen bei Veranstaltungen, die nicht dem Versammlungsbegriff unterfallen, richtet sich nach den Regelungen des Gefahrenabwehrrechts , insbesondere des SOG LSA. Die Stadt Naumburg als zuständige Sicherheitsbehörde erstellte - auch unter Einbeziehung polizeilicher Erkenntnisse - eine Gefahrenprognose und kam zu der Einschätzung, dass wegen zu befürchtender Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (insbesondere Straftaten nach §§ 90a, 130, 166, 185 und 187 StGB) eine Untersagung der Veranstaltung geboten sei. Eine entsprechende Verfügung der Stadt Naumburg erging am 29. Januar 2015. Gegen diese Verfügung beantragte Frau Haverbeck einstweiligen Rechtschutz beim Verwaltungsgericht Halle. Dieses wertete - nach Angaben der Stadt 4 Naumburg - die Veranstaltung als Versammlung. Wegen ihrer nunmehr festgestellten Unzuständigkeit hob die Stadt Naumburg ihre Verfügung auf. Der Landkreis Burgenlandkreis als Versammlungsbehörde verfügte daraufhin - unter Zugrundelegung der bereits erstellten Gefahrenprognose - am 30. Januar 2015 ein Verbot der nunmehr als Versammlung zu wertenden Veranstaltung der Frau Haverbeck. Die Verfügung wurde Frau Haverbeck persönlich zugestellt. Frau Haverbeck erklärte daraufhin den Vertretern des Landkreises Burgenlandkreis, dass sie ihre Veranstaltung nicht durchführen werde. Der tatsächlich durchgeführte Neujahrsempfang der NPD wurde nicht verboten (siehe Antwort zu Frage 7). 6. Welche Behörden waren im Vorfeld über die Veranstaltungsplanung in- formiert? Welche Behörde war zu welchem Zeitpunkt für die Begleitung, Beauflagung, Prüfung und das Verbot auf welcher Grundlage zuständig und an den Entscheidungen beteiligt? Über die ursprünglich geplante Veranstaltung von Frau Haverbeck waren die Stadt Naumburg, der Landkreis Burgenlandkreis, das Landesverwaltungsamt, das Polizeirevier Burgenlandkreis sowie der Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt im Vorfeld informiert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Der Neujahrsempfang der NPD wurde dem Landkreis Burgenlandkreis, dem Polizeirevier Burgenlandkreis und dem Verfassungsschutz des Landes Sachsen -Anhalt am 30. Januar 2015 bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 7. Wie kam es dazu, dass die Veranstaltung unter geändertem Titel stattfin- den konnte? Inwieweit ist nach den Kenntnissen der Landesregierung davon auszugehen, dass es sich um eine Ersatzveranstaltung gehandelt hat? Inwieweit bestanden die Gründe, die zum Verbot der ursprünglich geplanten Veranstaltung führten, für die realisierte Veranstaltung nicht und wer hat dies entschieden? Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich um verschiedene Veranstaltungen. Der NPD-Neujahrsempfang wurde von den zuständigen Behörden rechtlich anders bewertet als die ursprünglich von Frau Haverbeck öffentlich beworbene Veranstaltung. Im Vorfeld des NPD-Neujahrsempfangs führten Vertreter des Landkreises Burgenlandkreis und der Polizei ein Gespräch mit dem Veranstalter. Dieser erklärte , dass der NPD-Neujahrsempfang keine öffentliche Veranstaltung sei. Gemäß der auf seiner Internetseite veröffentlichten Einladung hatte jeder Interessent sich vorher unter der dort angegebenen Telefonnummer anzumelden. Nur die auf diese Weise registrierten Teilnehmer seien zu dieser Veranstaltung zugelassen . Die Veranstaltung wurde vom Burgenlandkreis daher als nicht öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen gewertet. Hinreichende Gründe für ein Verbot dieser Veranstaltung sah der Landkreis Burgenlandkreis nicht. 5 8. Wann wurde von wem die Veranstaltung „Neujahrsempfang der NPD“ an- gemeldet? Diese Veranstaltung wurde nicht angemeldet. 9. Welche weiteren behördlichen Auflagen wurden gegebenenfalls erteilt und welche sonstigen Maßnahmen wurden durch welche Behörde ergriffen ? Wie wurde die Einhaltung der Auflagen ggf. vor Ort auf welcher Rechtsgrundlage kontrolliert? Aufgrund der Erklärung Frau Haverbecks, am NPD-Neujahrsempfang teilzunehmen , wurde der Veranstalter vor Beginn der Veranstaltung von Vertretern der Versammlungsbehörde auf die gegenüber Frau Haverbeck ergangene Verbotsverfügung hingewiesen. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, entweder Frau Haverbeck von der Teilnahme auszuschließen oder aber die Anwesenheit zweier Polizeibeamter bei der Veranstaltung zuzulassen. Der Veranstalter entschied sich letztlich für die zweite Möglichkeit. Im Verlauf eines Vortrages der Frau Haverbeck ergaben sich Anhaltspunkte, wonach wegen des Inhaltes der Rede ein Anfangsverdacht einer Straftat nicht ausgeschlossen werden konnte. Die Veranstaltung wurde deshalb von der Polizei unterbrochen. Die Polizei führte mit dem Veranstalter und Frau Haverbeck eine Gefährderansprache durch und leitete strafrechtliche Ermittlungen ein. 10. Wie viele und welche Straftaten wurden im Vorfeld der, während oder im Nachgang der genannten Veranstaltung registriert (Angabe der Paragrafen )? Falls Gegenstände beschlagnahmt wurden, welche waren das? Falls Platzverweise ausgesprochen wurden, wie viele waren es jeweils? Es wurden drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) eingeleitet. Gegenstände wurden nicht sichergestellt bzw. beschlagnahmt. Platzverweisungen wurden nicht angeordnet. 11. Über welche weiteren Veranstaltungen der neonazistischen und/oder rechten bzw. rechtsextremen Szene in den genannten Räumlichkeiten hat die Landesregierung Kenntnis? Bitte konkret aufschlüsseln nach Datum und Art der Veranstaltung sowie den veranstaltenden und auftretenden Personen. Die Landesregierung sammelt Informationen zu rechtsextremistischen Aktivitäten . Nach der gebräuchlichen Definition ist der Neonazismus eine Teilmenge des Rechtsextremismus. „Rechte“ Aktivitäten, die nicht als rechtsextremistisch bewertet werden, werden nicht erfasst. Dies vorangestellt, ist der Landesregierung bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Todestag der Rathenaumörder Fischer und Kern Mitglieder der rechtsextremistischen Szene in der Vergangenheit das Wochenende vor bzw. nach dem 17. Juli für Gedenkveranstaltungen nutzten, die in der Regel auf dem Friedhof der Gemeinde Saaleck stattfanden . Zuweilen trafen sich die Teilnehmer anschließend in der Gaststätte „Burgblick “. Konkret sind der Landesregierung nachstehende Veranstaltungen in den genannten Räumlichkeiten bekannt: 6 Datum Art der Veranstaltung veranstaltende/auftretende Personen 20.07.2013 Gedenkveranstaltung zum Todestag der Rathenaumörder Fischer und Kern 15 Teilnehmer, Redner: Lutz Battke, Hans Püschel und Gerd Fritzsche Die Mitteilung weiterer Erkenntnisse ist der Landesregierung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung der Kleinen Anfrage aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Zur Begründung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung zu dieser Kleinen Anfrage verwiesen. Die vollständige Antwort der Landesregierung muss deshalb als „Verschlusssache - Vertraulich“ eingestuft werden. Sie kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. 12. Welche Personen traten bei der Veranstaltung als Redner/innen auf? Über welche Themen wurde dabei gesprochen? Als Redner traten Christian Bärthel aus Ronneburg zu den Themen „ChristusOpfer “ und „Biblisch belegter Holocaust“, Hans Püschel zu den Themen „Holocaust “ und „Kommandanturbefehle des KZ Auschwitz“ sowie Ursula Haverbeck zum Thema „Holocaust“ auf.