Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3870 06.03.2015 (Ausgegeben am 09.03.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kryptografischer Manipulationsschutz für Registrierkassen - INSIKA Kleine Anfrage - KA 6/8657 Vorbemerkung des Fragestellenden: Bereits im Jahresbericht 2003 des Bundesrechnungshofes wird auf drohende Steuerausfälle durch Manipulationsmöglichkeiten in modernen Registrierkassen hingewiesen . In Registrierkassen gespeicherte Daten können in vielen Systemen beliebig, ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen, verändert werden. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) erarbeitete einen Gesetzentwurf zur Verhinderung dieser Manipulationen unter Bezug auf ein von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und dem BMF vorgeschlagenen Verfahren. In einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe Registrierkassen wurde ein Fachkonzept zur Umsetzung des Gesetzes entwickelt . Unter Leitung der PTB wurde eine entsprechende technische Lösung im Rahmen des INSIKA-Projektes (INtegrierte SIcherheitslösung für messwertverarbeitende KAssensysteme) konzipiert und umgesetzt. Dieses Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als MNPQ-Projekt (Messen, Normen, Prüfen und Qualitätssicherung) mit 225.000 € gefördert. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium der Finanzen Vorbemerkung: Manipulierte Daten sind ein bundesweites und sogar internationales Problem. Auf diese besorgniserregende Entwicklung hat auch die OECD im Jahr 2013 in ihrer Studie „Umsatzverkürzung mittels elektronischer Kassensysteme: eine Bedrohung für die Steuereinnahmen“ hingewiesen. Durch den Betrug mit manipulierten Kassen entgehen den Haushalten von Bund und Ländern Jahr für Jahr schätzungsweise fünf bis zehn Milliarden €. 2 Die derzeitige Situation ist zudem dadurch geprägt, dass steuerloyale Unternehmen zunehmend unter den Wettbewerbsnachteilen gegenüber steuerunehrlichen Konkurrenten leiden und sich wegen der ausgereiften und keine Spuren hinterlassenden Manipulationstechniken kaum noch in der Lage sehen, die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Buchführungsunterlagen zu dokumentieren. Die Landesregierung beantwortet die Einzelfragen wie folgt: 1. Wie hoch wären, nach Einschätzung der Landesregierung, die Kosten ei- ner Implementierung von INSIKA in Sachsen-Anhalt? Bitte auch die Datengrundlage der Kostenschätzung erläutern. Eine Abschätzung der Kosten des praktischen Einsatzes von INSIKA ist nicht pauschal möglich. Generell entstehen Zusatzkosten bei Neugeräten durch die Integration der INSIKA-Smartcard. Die Kosten für eine INSIKA-Smartcard der Bundesdruckerei für den realen Einsatz liegen momentan bei 75,20 € (netto) einschließlich Zertifikat. Weitere Kosten entstehen durch den anfallenden Arbeitsaufwand für den Einbau der Smartcard in die Kassen. Entsprechend der letzten dreijährigen, turnusmäßigen Einordnung der Betriebe in Betriebsgrößenklassen beträgt die Gesamtzahl der Kleinst-, Klein-, Mittelund Großbetriebe in Sachsen-Anhalt zum Stichtag 01.01.2013: 156.528. Die Anzahl der in den Betrieben eingesetzten Registrierkassen ist nicht bekannt und wird weder in Finanzämtern noch anderen Behörden erfasst, sodass keine Kosten für den flächendeckenden Einsatz in Sachsen-Anhalt ermittelt werden können. 2. In welcher Größenordnung könnten die zusätzlichen Steuereinnahmen nach einer flächendeckenden Einführung von INSIKA in Sachsen-Anhalt liegen? Bitte auch die Datengrundlage der Kostenschätzung erläutern. Nordrhein-Westfalen schätzt den bundesweiten Steuerausfall aus Kassenmanipulationen auf jährlich fünf bis zehn Milliarden € (Drucksache 16/5720 des Landtages Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2014). Davon entfallen auf den Landeshaushalt Sachsen-Anhalt rein rechnerisch etwa 2,9 Prozent. Die Schätzungen aus Nordrhein-Westfalen beruhen unter anderem auf Studien aus anderen Industrieländern, auf die sich auch die OECD beruft. Vorsichtige Hochrechnungen ergeben allein für das Gastronomie- und Hotelgewerbe ein mögliches Hinterziehungsvolumen (im Wesentlichen Umsatz- und Ertragsteuern ) von über sechs Milliarden € jährlich. Nach den Erfahrungen der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung sind jedoch auch andere Bargeldbranchen in erhöhtem Maß betrugsanfällig (u. a. Fleischer, Bäcker, LebensmittelEinzelhandel , Apotheken, Taxen, Frisöre, Spielhallen). Auch unter Berücksichtigung der von diesen Branchen erzielten und versteuerten Umsätze ist ein Steuerausfallrisiko von bis zu zehn Milliarden € nicht unrealistisch. 3 3. Wie hat sich die Landesregierung in der Vergangenheit in der Finanzmi- nisterkonferenz bzw. auf Bundesebene zur bundesweiten Einführung von INSIKA positioniert? Wie wird sich die Landesregierung zukünftig verhalten ? In der Finanzministerkonferenz vom 28. Mai 2014 habe alle 16 Finanzminister das INSIKA-Konzept als geeigneten Lösungsansatz zur Bekämpfung systematischer Kassenmanipulationen angesehen. Bezüglich des praktischen Einsatzes von INSIKA sind noch zahlreiche Fragen europarechtlicher, strafrechtlicher, technischer und organisatorischer Natur zu klären. Da sich diese Fragen zurzeit in intensiver Diskussion auf Bundes- und Länderebene sowohl in den Finanzministerien als auch den Wirtschaftsministerien befinden , kann zur Frage des zukünftigen Verhaltens der Landesregierung keine Aussage getroffen werden. 4. Auf welchem Weg könnte INSIKA in Sachsen-Anhalt verpflichtend einge- führt werden? Aus welchen Gründen hat die Landesregierung bisher darauf verzichtet? Eine verpflichtende Einführung von INSIKA ist nur möglich, wenn eine entsprechende gesetzliche Vorschrift in die Abgabenordnung (AO) aufgenommen wird. Das INSIKA-Konzept könnte dahingehend eingeführt werden, dass die digitale Signatur der einzelnen Aufzeichnung eines Geschäftsvorfalls in § 146 Abs. 4 AO als gesetzlicher Standard zur Führung des Nachweises der ordnungsmäßigen Aufzeichnung der Daten gesetzlich aufgenommen wird. Da eine solche gesetzliche Regelung noch nicht besteht, konnte INSIKA in Sachsen-Anhalt bisher nicht eingesetzt werden. 5. Sieht die Landesregierung in INSIKA auch ein Instrument zum Bürokratie- abbau, weil Betriebsprüfungen wesentlich schneller durchgeführt werden könnten? Wenn nein, warum? Der bürokratische Aufwand für den Einbau der Smartcards in die Registrierkassen ist gering. Derzeit entfällt bei Außenprüfungen ein wesentlicher Zeitanteil auf die Prüfung und Diskussion der Frage, ob der Datenbestand des Unternehmens richtig und vollständig ist. Mit INSIKA würde hierfür nur noch ein Bruchteil der Zeit erforderlich sein; eine entsprechende Verkürzung der Prüfungsdauer wäre eine wesentliche Entlastung der Unternehmen. Erfahrungen in Hamburg (siehe Frage 6) zeigen, dass Betriebsprüfungen schneller und einfacher ablaufen als vor der Einführung von INSIKA. 4 6. Wie beurteilt die Landesregierung die Entscheidung Hamburgs, Konzes- sionen nur noch den Taxi-Unternehmen zu erteilen, die ihre Zuverlässigkeit durch den Einbau sogenannter Fiskaltaxameter nachgewiesen haben ? Abstimmungsgespräche zu diesem Thema zwischen dem Ministerium der Finanzen , dem Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft sowie dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr sollen erst geführt werden, wenn über den Einsatz von INSIKA auf Bundesebene entschieden worden ist.