Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3957 10.04.2015 (Ausgegeben am 13.04.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) V-Personen bei der sachsen-anhaltischen Polizei Kleine Anfrage - KA 6/8689 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der sachsen-anhaltischen Polizei ist auf gesetzlicher Grundlage die Möglichkeit eröffnet , zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr V-Personen einzusetzen, um Straftaten von erheblicher Bedeutung aufzuklären oder diese zu verhüten. Die sachsen-anhaltische Polizei hat in der Vergangenheit vom Instrument der V-Personen Gebrauch gemacht. Dies ergibt sich u. a. aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Henriette Quade „Versteuerung der Honorare von V-Personen bei der Polizei in Sachsen-Anhalt“ (Drs. 6/1948). Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Vorbemerkung: Die mit den Fragen 5, 6, 7, 8 und 10 gewünschten Auskünfte stehen der Landesregierung nicht zur Verfügung. Nur ein Teil der angefragten Daten wäre im Zuge einer händischen Auswertung einer Vielzahl von Akten zu erheben, was mit einem erheblichen zeitlichen und personellen Aufwand für die betroffenen Polizeibehörden verbunden wäre. Auch die dann erlangten Daten wären aber wegen des angefragten Zeitraums von zehn Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit unvollständig und aus diesem Grund nicht aussagekräftig. 1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt der Einsatz von V-Personen zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr im Einzelnen? Welche untergesetzlichen Vorschriften (Verordnungen, Richtlinien, Dienstanweisungen etc.) regeln den Einsatz im Detail? Im Bereich der Strafverfolgung ist eine Vertrauensperson (V-Person) eine Person , die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei 2 der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird. Eine ausdrückliche gesetzliche Rechtsgrundlage für den Einsatz von V-Personen im Rahmen der Strafverfolgung liegt bislang nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat jedoch höchstrichterlich entschieden, dass die §§ 161, 163 Strafprozessordnung (StPO) eine hinreichende gesetzliche Legitimation darstellen. Darüber hinaus enthalten die Anlage D der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) und der Gemeinsame Runderlass des MI und MJ zur „Inanspruchnahme von Informanten und Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung“ vom 08.07.1994, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 19.05.2011, (MBl. LSA S. 244), Bestimmungen zum Einsatz von V-Personen im Rahmen der Strafverfolgung. Im Bereich der Gefahrenabwehr ist eine V-Person eine Person, die der Polizei nicht angehört, aber bereit ist, mit ihr zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zusammenzuarbeiten. Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung personenbezogener Daten durch den gezielten Einsatz von V-Personen ist § 18 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) einschließlich der Ausführungsbestimmungen zum SOG LSA. Darüber hinaus regeln nachfolgend aufgeführte Verwaltungsvorschriften den Einsatz von V-Personen im Detail: 1. RdErl. des MI vom 30.09.1993, Az.: 24.1.1-12334/10.4 VS-NfD, „Auswahl von V-Personen und Meldungen von V-Personen an das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt“; 2. Erl. des MI vom 04.10.1993, Az.: 24.1.1-12334/10.1 VS-NfD, „Auswahl von V-Personen und Meldungen von V-Personen an das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt“ (nur an das LKA, ansonsten identischer Regelungsinhalt wie Nr. 1); 3. RdErl. des MI vom 15.04.1997, Az.: 24.3/21-12334/10.61 VS-NfD, „Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) im Land Sachsen-Anhalt; Führung von V-Personen“; 4. Gem. RdErl. des MJ, der StK, der übr. Min., des Präs. des LT und des Präs. des LRH vom 21.11.2002 (MBl. LSA S. 1185), „Durchführung des Verpflichtungsgesetzes “; 5. RdErl. des MI vom 31.07.2003, Az.: 24/22-12339/5.1 VS-NfD, „Allgemeine Grundsätze und Richtlinien zur Bezahlung von Vertrauenspersonen und Informanten im Land Sachsen-Anhalt“ zuletzt geändert durch RdErl. des MI vom 19.03.2010, Az.: 24.2-A-12339/5.1 VS-NfD; 6. Erl. des MI vom 10.07.2007, Az.: 24/22-12339/9.1-1 VS-NfD, „Beschaffung von einsatztaktisch notwendigen neuen und gebrauchten Kraftfahrzeugen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (OK) und der politisch motivierten Kriminalität (PMK)“; 3 7. RdErl. des MI vom 07.05.2009, Az.: 22.21-04031-2009 VS-NfD, „Haushalt der Landespolizei – Kapitel 03 20-; Einkommensbesteuerung von V-Personen“; 8. Verordnung zur Änderung der Verordnung über Polizeidirektionen und be- sondere polizeiliche Zuständigkeiten vom 16.12.2014 (GVBl. LSA Nr. 24/2014, S. 541). Im Zuge der Organisationsfortentwicklung der Polizei des Landes SachsenAnhalt wird ein Teil der vorgenannten Verwaltungsvorschriften derzeit einer Überprüfung unterzogen, die sich im Wesentlichen auf Modifizierungen der organisatorischen Regelungsinhalte erstreckt. 2. Wo werden in Sachsen-Anhalt Informationen über den Einsatz von V-Personen bei der Polizei zentral vorgehalten/koordiniert? Welche Behörden ordnen den Einsatz von V-Personen jeweils an? In Sachsen-Anhalt hält das Landeskriminalamt (LKA) zentral Informationen über den Einsatz von V-Personen vor. Der Einsatz von V-Personen wird vom Direktor des LKA oder einen von ihm Beauftragten angeordnet. Vor dem Einsatz einer V-Person im Rahmen der Strafverfolgung bedarf es einer Geheimhaltungszusage der sachleitenden Staatsanwaltschaft . 3. Wer führt die V-Personen jeweils? Nach welcher Zeitspanne werden die V-Personen führenden Mitarbeiter/innen jeweils spätestens ausgetauscht? Prüft eine Innenrevision regelmäßig, ob Gründe für den Einsatz vorliegen? V-Personen werden ausschließlich durch speziell ausgebildete Polizeivollzugsbeamte , die als hauptamtliche Führer von V-Personen (VP-Führer) tätig sind, geführt . Eine Regelung zur Höchstverwendungsdauer für VP-Führer besteht in Sachsen-Anhalt nicht. Im Bereich der Strafverfolgung erfolgt die Entscheidung über die Dauer des Einsatzes der V-Person in enger Abstimmung zwischen Sachbearbeitung, VPFührung und Staatsanwaltschaft. Einsätze von V-Personen zur Gefahrenabwehr werden grundsätzlich befristet, in der Regel auf drei Monate. Eine Einsatzverlängerung erfolgt ausschließlich nach Prüfung des weiteren Vorliegens der Einsatzvoraussetzungen. Darüber hinaus bewerten die sachbearbeitende Organisationseinheit und die VP-Führung fortlaufend, ob der Einsatz der V-Person, auch wenn er rechtlich zulässig ist, aus einsatztaktischen Gründen weiterhin erfolgversprechend erscheint. 4. Wie wird der Einsatz von V-Personen dokumentiert? Welche Akten werden im Einzelnen angelegt? Der Einsatz von V-Personen wird in Schriftform dokumentiert. Über jeden Einsatz einer V-Person werden durch den Bereich VP-Führung Berichte, Vermerke 4 und gegebenenfalls Vernehmungsprotokolle gefertigt. Darüber hinaus werden Einsatz-, Kosten- und Grundsatzakten erstellt. Erkenntnisse der V-Person werden durch die VP-Führung in Schriftform der zuständigen Sachbearbeitung anonymisiert übermittelt und in einem Sonderband dokumentiert. 5. Wie viele V-Personen wurden in den vergangenen zehn Jahren in welchen Kriminalitätsfeldern eingesetzt? Bitte nach Einsatzfeld (Strafverfolgung/ Gefahrenabwehr), Jahresscheiben und Kriminalitätsfeldern differenzieren. Der Einsatz von V-Personen erfolgt grundsätzlich im Bereich der Schwerkriminalität , der Organisierten Kriminalität, des illegalen Betäubungsmittel- und Waffenhandels , der Falschgeldkriminalität und der politisch motivierten Kriminalität. In diesen Deliktbereichen wurden im Jahr 2013 17 und im Jahr 2014 13 verschiedene V-Personen von den Polizeibehörden des Landes Sachsen-Anhalt eingesetzt . Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 6. Wie lang war die durchschnittliche Einsatzzeit von V-Personen der Polizei in den vergangenen zehn Jahren? Was war die längste Einsatzzeit, was war die kürzeste Einsatzzeit? Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7. Wie hoch fielen Honorarzahlungen für V-Personen der Polizei in den vergangenen zehn Jahren aus? Bitte nach Jahresscheiben differenzieren. Die Motivation zur Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden beruht bei V-Personen überwiegend auf der Erwartung einer Entlohnung. Daher sind finanzielle Anreize zu schaffen, die unter Berücksichtigung marktwirtschaftlicher Gegebenheiten in angemessener Relation zu ihren persönlichen Lebensbedingungen , den einsatzbezogenen erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, dem damit verbundenen Risiko sowie zum Ermittlungserfolg stehen. Regionale und deliktische Besonderheiten sind dabei flexibel zu berücksichtigen. Zum Zweck einer einheitlichen Verfahrensweise bei der Entlohnung von V-Personen in Bund und Ländern hat der Ständige Arbeitskreis "Innere Sicherheit " (AK II) der Innenministerkonferenz (IMK) vor mehr als zehn Jahren die bundesweit abgestimmten „Allgemeinen Grundsätze zur Bezahlung von V-Personen und Informanten" erarbeitet und beschlossen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die Beantwortung der Frage 1 verwiesen . 8. Soweit für V-Personen neben Honoraren auch Auslagen gezahlt wurden, wie hoch fielen diese Auslagen in den vergangenen zehn Jahren aus? Bitte nach Jahresscheiben differenzieren. Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 7 verwiesen. 5 9. In welchem Haushaltsposten sind die betreffenden Mittel zu Fragen 6 und 7 vertitelt? Honorare und Auslagen werden aus dem Titel 547 61 - Fahndungskosten - gezahlt . 10. Wie hoch war die durchschnittliche Summe, die in den vergangenen zehn Jahren eingesetzte V-Personen für ihren Einsatz an Honoraren erhielten? Wie hoch war die höchste Honorarzahlung für eine V-Person, wie hoch die niedrigste? Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 11. Soweit für V-Personen neben Honoraren auch Auslagen gezahlt wurden, wie hoch war die durchschnittliche Summe, die in den vergangenen zehn Jahren eingesetzte V-Personen für ihren Einsatz erhielten? Wie hoch war die höchste Auslagenerstattung für eine V-Person insgesamt, wie hoch die niedrigste insgesamt? Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 12. Soweit durch V-Personen Straftaten begangen wurden, wurde in der Vergangenheit von Strafverfolgung abgesehen. Falls ja, in wie vielen Fällen in den vergangenen zehn Jahren? V-Personen dürfen im Rahmen ihres Einsatzes keine Straftaten begehen. Beim Einsatz von V-Personen sind Staatsanwaltschaft und Polizei an die Zusicherung der Geheimhaltung gebunden. Diese Bindung entfällt grundsätzlich, wenn sich die V-Person bei ihrer Tätigkeit für die Strafverfolgungsbehörden strafbar macht. Hierüber werden die V-Personen vor Einsatzbeginn belehrt. Fälle, in denen von der Strafverfolgung abgesehen wurde, sind der Landesregierung nicht bekannt. 13. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz von V-Personen durch die Polizei in Sachsen-Anhalt jeweils im Bereich der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr? Hat sich dieses Instrument bewährt? Der Einsatz von V-Personen ist ein unverzichtbares Einsatzmittel bei der Bekämpfung bestimmter Erscheinungsformen der Kriminalität. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung anerkannt, dass die Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ohne den Einsatz von V-Personen nicht auskommen, sofern sie ihrem Auftrag zur rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden sollen.1 Der Einsatz von V-Personen, der immer unter konsequenter Beachtung der einschlägigen rechtlichen Befugnisse und unter Beachtung des verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgt, bietet oftmals die einzige Möglichkeit, in eine gefestigte kriminelle Struktur einzudringen. Herkömmliche polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen sind oftmals wegen der ausgeprägten Konspirativität der Täter, des hohen Professionalisierungsgrades und der Abkehr 1 BVerfG, Beschluss vom 10.03.1987 - 2 BvR 186/87 in NStZ 1987, 276 6 von traditionellen Kommunikationsmitteln bei gleichzeitiger Hinwendung zu persönlichen Absprachen nicht erfolgversprechend. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher Ermittlungsmethoden anwenden, die es ermöglichen, in das Innere der Organisation bzw. der Tätergruppierung vorzudringen. Ein wesentliches Mittel hierfür ist der Einsatz von V-Personen. Nur auf diesem Wege können einerseits im Rahmen der Gefahrenabwehr Strukturerkenntnisse gewonnen und andererseits begangene Straftaten ermittelt bzw. damit in Beziehung stehende Gegenstände sichergestellt werden. Vor diesem Hintergrund hat sich aus der Sicht der Landesregierung das Instrument des Einsatzes von V-Personen bewährt. Ohne die Möglichkeit des Einsatzes von V-Personen ginge den Strafverfolgungsbehörden eine wesentliche Zugangsmöglichkeit in die zuvor bereits benannten Deliktbereiche verloren. 14. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass Polizeibehörden anderer Bundesländer, des Bundes oder anderer Länder in den vergangenen Jahren V-Personen zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr in SachsenAnhalt eingesetzt haben? Falls ja, war/ist in diesen Fällen das Einvernehmen mit dem Land Sachsen-Anhalt herzustellen? In wie vielen Fällen geschah dieses? Welche Prüfungen gehen ggf. dem Erteilen eines Einvernehmens voraus? Falls kein Einvernehmen hergestellt werden muss, ist das Benehmen herzustellen? Zur Anzahl der Fälle, in denen Polizeibehörden anderer Bundesländer, des Bundes oder anderer Länder in den vergangenen Jahren V-Personen zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr in Sachsen-Anhalt eingesetzt haben, liegen dem LKA und den Polizeidirektionen keine Statistiken oder belastbaren Schätzungen vor. Grundsätzlich ist es in diesen Fällen jedoch üblich, das LKA oder die örtlich zuständige VP-Dienststelle über entsprechende Einsätze zu unterrichten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.