Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/3968 14.04.2015 (Ausgegeben am 14.04.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Frank Hoffmann (DIE LINKE) Schwerpunktsetzung der Landesregierung im ÖPNV und SPNV im ländlichen Raum Kleine Anfrage - KA 6/8708 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das von der NASA während der Haushaltsverhandlungen zum Doppelhaushalt 2015/2016 angekündigte Kürzungstableau für den SPNV sowie die Abbestellung der Bahnstrecken Klostermansfeld-Wippra und Wittenberg-Bad Schmiedeberg werfen Fragen zur grundsätzlichen Ausrichtung der Verkehrspolitik der Landesregierung hinsichtlich des Schienenpersonennahverkehrs auf. Daher frage ich die Landesregierung : Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Teilt die Landesregierung auch für Sachsen-Anhalt die Auffassung des früheren Bundesbahnchefs Heinz Dürr, der im Jahr 1993 beklagte, dass „für den Hauptkonkurrenten Auto […] so ziemlich alles getan [werde], für die Bahn nur das Allernötigste“ (Dürr, Heinz: Aktuelle verkehrspolitische Probleme der Deutschen Bahnen. In: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft (Hrsg.). 31. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1993)? Die Landesregierung teilt nicht die lang zurückliegende Auffassung des früheren Bundesbahnchefs, Heinz Dürr. Nach der Bahnreform ist die Infrastruktur mit hohem Mitteleinsatz ertüchtigt worden, der Fernverkehr wurde schneller und komfortabler und der Regionalverkehr wurde mit entsprechender Mittelausstattung in die Verantwortung der Länder überführt. Die Regionalisierung des SPNV wird wegen der Ausweitung des Angebotes und der erfreulichen Entwicklung der Fahrgastzahlen von allen Eisenbahnfachleuten als Erfolg bewertet. Auch der Schienengüterverkehr hat vor 2 einigen Jahren die Wende geschafft. Die beiden Ziele der Bahnreform, mehr Verkehr auf die Schiene bei gleichzeitiger Haushaltsentlastung sind damit erreicht worden. 2. Welche Schwerpunktsetzung verfolgt die Landesregierung beim ÖPNV und SPNV im ländlichen Raum mit Blick auf die oben zitierte Feststellung, angesichts 20 abbestellter Bahnstrecken seit 2002 (Quelle: Drs. 6/3005) und das Bekenntnis im Koalitionsvertrag, verstärkte Anstrengungen zur Verkehrs -Verlagerung von der Straße auf die Schiene zu unternehmen? Die von der Landesregierung verfolgte Schwerpunktsetzung beim öffentlichen Straßenpersonennahverkehr (ÖSPV) und Schienenpersonennahverkehr (SPNV) im ländlichen Raum folgt der auf der Basis des ÖPNVG LSA und des ÖPNV-Plans entwickelten Strategie eines Verkehrsträgermixes. Danach sollen Bahn, Bus und flexible Bedienformen entsprechend ihrer jeweiligen Stärken eingesetzt werden. Die Landesregierung bringt daher konsequent das Massenverkehrsmittel Eisenbahn dort zum Einsatz, wo es seine Stärken auch ausspielen kann. Im ländlichen Raum ist es daher auf der Basis der im ÖPNV-Plan definierten Prüfbedarfe zu Abbestellungen von Bahnleistungen gekommen, die aber bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen durch Busangebote im Bahn-Bus-Landesnetz ersetzt wurden. In Kombination mit lokalen Bus- und Rufbusverkehren kann es dann gelingen, ein insgesamt aufgewertetes , weil in die Fläche vernetztes ÖPNV-Angebot zu schaffen. Beispielhaft dafür ist die Umgestaltung des ÖPNV-Angebotes im Altmarkkreis Salzwedel in den Jahren 2002 bis 2009. 3. Teilt die Landesregierung die Auffassung des früheren Landesverkehrsmi- nisters Dr. Karl-Heinz Daehre, dass insbesondere in ländlichen Regionen, die finanzielle Darstellbarkeit des Schienenverkehrs keine reine Frage der Zu- und Ausstiege pro Haltepunkt ist und darauf abgestellt werden muss, ob die Infrastruktur insgesamt einen vernünftigen Nutzen für die Region erbringt (Daehre, Karl-Heinz. In: DBV Schriftenreihe: Das Schmiedeberger Modell. Deutscher-Bahnkunden-Verband (Hrsg.). 2011)? Die Landesregierung teilt diese Auffassung. Die aktuellen Entscheidungen ordnen sich in diese Strategie ein. Bei der Abwägung zur Bestellung von Bahnleistungen werden viele andere Aspekte, wie die hier genannten mit einbezogen. Insbesondere wird jeweils die Wirkung auf das gesamte ÖPNV-System in die Betrachtung einbezogen (z. B. Verbesserung von Anschlüssen und dadurch deutlich über die zeitliche Wirkung der Bedienung eines Haltepunkts hinausgehende Reisezeitvorteile bei der Anbindung des ländlichen Raums). 4. Teilt die Landesregierung die Auffassung von Dr. Daehre, dass standardi- sierte Bewertungsmaßstäbe und isolierte Betrachtungen für Bahnstrecken im ländlichen Raum zu kurz greifen (Daehre, ebd.)? Ja, die Landesregierung teilt diese Auffassung. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Antwort zu Ziffer 3 verwiesen. 3 5. Nach welchem Verfahren identifiziert die NASA Strecken für eine Ausdünnung oder Abbestellung einer Bahnstrecke im SPNV, insbesondere im ländlichen Raum? Ist dieses ein standardisiertes Verfahren? Wenn ja, welche Bewertungsmaßstäbe liegen diesem zugrunde? Die Identifizierung von Bahnstrecken im SPNV insbesondere im ländlichen Raum für eine Ausdünnung oder Abbestellung erfolgt nach dem im ÖPNV-Plan, Abschnitt 5.2.1 beschriebenen Verfahren. Die Nachfragehöhe hat dabei die Funktion eines ersten Indikators. Weiterhin werden die Entwicklungspotentiale und die unter optimalen Bedingungen erreichbare Nachfragehöhe beurteilt. Weitere Aspekte sind: Raumordnerische Belange, insbesondere die Funktion der Strecke im Netz und innerhalb der zentralörtlichen Gliederung, die Bedeutung für den Güterverkehr, der Aufwand für ersetzende Busleistungen, erfolgte und absehbare Investitionen in Strecke, Stationen und Umfeldmaßnahmen sowie die touristische Bedeutung. 6. Haben sich die Bewertungsmaßstäbe, nach denen die NASA Strecken für eine Ausdünnung oder Abbestellung identifiziert innerhalb der aktuellen oder vorangegangen Legislaturperiode verändert? Bitte ggf. Änderungen einzeln aufführen und begründen. Die Bewertungsmaßstäbe haben sich nicht geändert. 7. Inwiefern berücksichtigt die NASA bei ihren Prüfungen nach ÖPNV-Plan raumordnerische Belange? Das im ÖPNV-Plan definierte Bahn-Bus-Landesnetz orientiert sich in erster Linie an raumordnerischen Belangen. Auch die Bedienungshäufigkeit auf den einzelnen Achsen orientiert sich an der Bedeutung der Verbindungsfunktion innerhalb der zentralörtlichen Gliederung. Ausdrücklich umfasst dies Bahn- und Busverbindungen. Eine Verkehrsträgerumstellung steht somit nicht im Gegensatz zu dieser Verfahrensweise. 8. Werden aus Sicht der Landesregierung raumordnerische Belange bei den derzeitigen Prüfverfahren nach ÖPNV-Plan ausreichend berücksichtigt? Ja.