Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4024 29.04.2015 (Ausgegeben am 29.04.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Nadine Hampel (SPD) Weiterentwicklung der Qualitätsoffensive Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8723 Vorbemerkung des Fragestellenden: Auf dem Ostdeutschen Sparkassenbarometer anlässlich der ITB in Berlin am 5. März 2015 wurden aktuelle Entwicklungen und zukünftige Herausforderungen in der Tourismusbranche in Deutschland dargestellt. Als eine der größten Chancen um in Zukunft neue Gästegruppen zu erschließen, wird die Verbesserung von Service und Qualität und der damit verbundenen Gästezufriedenheit gesehen. Der Durchschnittswert der Gästezufriedenheit liegt in den ostdeutschen Ländern bei 80,8 Prozent. In Sachsen-Anhalt beträgt die Gästezufriedenheit aktuell 79,4 Prozent und ist damit im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern der niedrigste Wert. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: Mit welchen Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung, die Gästezufriedenheit entlang der gesamten touristischen Servicekette zu erhöhen und wo sieht die Landesregierung besonderen Handlungsbedarf? Die Erhöhung der Gästezufriedenheit ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung und auch der touristischen Regional- und Fachverbände. Wichtig für die Gästezufriedenheit ist, dass die Vorstellungen des Gastes über ein touristisches Angebot mit den tatsächlichen Erlebnissen vor Ort übereinstimmen. Dabei ist die Zufriedenheit der Gäste maßgeblich für die Kundenbindung und von höchstem Interesse für die Betriebe als auch für die jeweilige Destination. 2 Der Entwicklung der Gästezufriedenheit wird daher in der Marktforschung der Investitions - und Marketinggesellschaft mbH (IMG) eine hohe Bedeutung beigemessen. In der regelmäßig durchgeführten „Permanenten Gästebefragung Sachsen-Anhalt“ sowie auch im GfK/IMT DestinationMonitor Deutschland wird u. a. die Zufriedenheit der Gäste mit den Angeboten im Land gemessen. Über die Jahre ist dabei eine stetige Verbesserung der Zufriedenheit der Gäste mit dem touristischen Angebot in Sachsen -Anhalt festzustellen. Die Ergebnisse der Befragungen werden den Tourismusverbänden für deren Arbeit zur Verfügung gestellt. Gemäß „Masterplan Tourismus Sachsen-Anhalt 2020“ sind die Reiseregionen für die Angebotsentwicklung als auch für die Betreuung der Gastgeber im Innenmarketing zuständig. Die Landesregierung unterstützt die touristischen Regional- und Fachverbände bei ihrer Arbeit zur Förderung qualitativ hochwertiger Angebote im Rahmen der „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Durchführung von touristischen Werbemaßnahmen für die Reiseregionen in Sachsen-Anhalt (Tourismuswerbung )“. Für die neue Strukturfondsperiode wird die Förderung der Angebotsentwicklung im Rahmen der „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Projekten zur Modernisierung und Diversifizierung des touristischen Angebots “ fortgeführt. Auch in der neuen Strukturfondsperiode wird die Qualitätsentwicklung ein wichtiges Kriterium für die Projektauswahl sein. Entscheidend für die Gästezufriedenheit ist das konkrete Erlebnis vor Ort am Besuchsziel , wobei verschiedene Elemente in die Bewertung einfließen. Es geht um die Aufenthalts- und Servicequalität in der Unterkunft, die Qualität von besuchten Einrichtungen am Ort (Museen, Ausstellungen, Gastronomie etc.) bis hin zur Qualität im Erscheinungsbild der besuchten Stadt. Die Landesregierung unterstützt die touristischen Akteure seit vielen Jahren im Rahmen der Initiative Servicequalität Deutschland (SQD) in Sachsen-Anhalt. Im Rahmen der Initiative werden die Beschäftigten im Hinblick auf die Verbesserung der Servicequalität im Unternehmen geschult. Zur Förderung des „Tourismus für Alle“ wurde das einheitliche Kennzeichnungssystem für barrierefreie Anbieter in Sachsen-Anhalt eingeführt. Hierfür wurde in der IMG eine Projektstelle eingerichtet und eine landesweite Schulung für Erheber durchgeführt. Auf zwei Veranstaltungen in Kooperation mit den Industrie- und Handelskammern wurde für die einheitliche Kennzeichnung geworben. Zwischenzeitlich wurden erste Betriebe auf der Grundlage des neuen Kennzeichnungssystems überprüft . Handlungsbedarf sieht die Landesregierung auch weiterhin bei der Verbesserung der Servicequalität bei kulturellen und touristischen Leistungsträgern und bei der Herstellung der Barrierefreiheit. Dabei geht es nicht zwingend nur um Fragen der Freundlichkeit und Zuvorkommenheit. Vielfach geht es auch um Rahmenbedingungen (Öffnungszeiten , Sprache, Differenziertheit im Angebot etc.). Aufgrund der notwendigen Internationalisierung des touristischen Angebots in Sachsen-Anhalt besteht auch Handlungsbedarf in der weiteren Qualifizierung der Angebote für Gäste aus dem Ausland, vor allem dem nicht deutschsprachigen Ausland. Das heißt, die touristischen Leistungsträger sind zunehmend aufgefordert, sich den Anforderungen ausländischer Gäste zu stellen und ihre eigenen Angebote entsprechend auszurichten. Dies betrifft beispielsweise das Bereitstellen von fremdsprachigen Informationsmedien (Broschüren, Webseite) sowie die Vertiefung interkultureller Kenntnisse. 3 Frage 2: Welche Mittel stehen zur Weiterentwicklung der Initiative ServiceQualität Deutschland im Doppelhaushalt 2015/2016 zur Verfügung? Bitte nach den einzelnen Maßnahmen und Ministerien darstellen. Der Tourismusverband Sachsen-Anhalt e. V. (LTV) fungiert als Koordinierungsstelle der SQD in Sachsen-Anhalt. Für die Umsetzung der Initiative und deren Weiterentwicklung stellt das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft (MW) im Haushaltsjahr 2015 einen projektbezogenen Zuschuss i. H. v. 95.000 € zur Verfügung. Für 2016 sind für das Projekt Haushaltsmittel i. H. v. 100.000 € eingeplant. Das Ministerium für Arbeit und Soziales bereitet derzeit die Förderrichtlinie „SachsenAnhalt WEITERBILDUNG BETRIEB“ im Rahmen des Operationellen Programms 2014-2020 vor. Als Starttermin ist das IV. Quartal 2015 vorgesehen. Das Programm wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds kofinanziert. Aus diesem Förderprogramm können auch Unternehmen der Tourismuswirtschaft für betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen und für Beratungsmaßnahmen zur Personal- und Organisationsentwicklung gefördert werden. Frage 3: Wie viele Qualitäts-Coaches und Qualitäts-Trainer wurden im Rahmen der Initiative ServiceQualität Deutschland in den Jahren 2012 bis 2014 in SachsenAnhalt ausgebildet? Im Zeitraum 2012 bis 2014 wurden in offenen und geschlossenen SQD-Seminaren der Stufe I 507 Qualitäts-Coaches und in der Stufe II 84 Qualitäts-Trainer in Sachsen -Anhalt ausgebildet. Jahr 2012 2013 2014 Qualitäts-Coach 186 171 150 Qualitäts-Trainer 20 29 35 Frage 4: Wie soll die Initiative ServiceQualität Deutschland in Zukunft fortgeführt werden ? Im Zeitraum 2007 bis 2014 wurden die Schulungs- und Zertifizierungsmaßnahmen der Initiative SQD in Sachsen-Anhalt durch die Hochschule Harz umgesetzt und im Rahmen des Europäischen Sozialfonds unterstützt. Ab dem Jahr 2015 hat der LTV als Landeskoordinierungsstelle alle operativen Aufgaben der Initiative übernommen. Unterstützt wird der LTV von den Kooperationspartnern der Qualitätsoffensive in Sachsen-Anhalt (DEHOGA Landesverband Sachsen-Anhalt, Industrie- und Handelskammer Magdeburg, Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, Hochschule Harz, Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH und MW). Bei der Akquisition der touristischen Betriebe wird der LTV von den regionalen Tourismusverbänden unterstützt. Seit dem Start der Initiative SQD in Sachsen-Anhalt im Jahr 2001 wurden über 2.000 Qualitäts-Coaches und -Trainer aus über 800 Betrieben geschult. Ca. 20 Prozent haben sich zertifizieren lassen. Neben der Stabilisierung der Anzahl an wiederholten Zertifizierung soll die Lücke zwischen Seminarteilnahme und der Zertifizierung der 4 Betriebe verringert und damit die Zertifizierungsquote erhöht werden. Dieser Ansatz wird durch ein Beratungsangebot des Projektteams „Transferunterstützung für ServiceQualität in Sachsen-Anhalt an der Hochschule Harz“ in den Jahren 2015 und 2016 unterstützt. Der Schwerpunkt der Akquisition von Teilnehmern für die Qualifizierungsseminare wird sich verstärkt auf touristisch relevante Orte und touristische „Leuchttürme“ sowie tourismusnahe Dienstleister konzentrieren. Das entspricht der bundesweiten Ausrichtung der Initiative auf Tourismus- und Kulturerlebnisanbieter. Die Vernetzung touristischer Qualitätssiegel soll bewusst vorgenommen und die Entwicklung der SQDLandeskoordinierungsstellen zu Kompetenzzentren für touristisches Qualitätsmanagement vollzogen werden. Der LTV ist Lizenznehmer und Koordinierungsstelle verschiedener Qualitätslabel wie „i-Marke“, DTV-Klassifizierung und „Wanderbares Deutschland“. Frage 5: Welche Rolle spielt aus Sicht der Landesregierung zur Verbesserung des Qualitätstourismus in Sachsen-Anhalt der Ausbau von Klassifizierungssystemen und Zertifizierungen, insbesondere bei Trendthemen wie im Aktivtourismus? Klassifizierungssysteme und Zertifizierungen sind eine wichtige Grundlage für die Etablierung und Durchsetzung von bundesweit einheitlichen Qualitätsstandards. Diese sind heutzutage unerlässlich und entsprechen dem Qualitätsempfinden der Gäste. Das Ziel der Landesregierung ist es daher, den Anteil von Betrieben aus SachsenAnhalt in allen bundesweit gut etablierten Zertifizierungs- und Klassifizierungssystemen (z. B. Hotel- und Gaststättenklassifizierung des DEHOGA, bett+bike, ADFC Qualitätsroute, Wanderbares Deutschland, Viabono oder Reisen für Alle) zu erhöhen . Es sollen vor allem die Synergien und Vorteile aufgezeigt werden, die durch eine erfolgreiche Aufnahme in bekannten Zertifizierungssystemen für Leistungsträger entstehen, z. B. die positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Bundesweit akzeptierte, themenspezifische Klassifizierungs- und Zertifizierungssysteme fordern aber die Bereitschaft der Anbieter touristischer Leistungen, festgelegte Standards einzuhalten, diese prüfen zu lassen und ggf. weiterzuentwickeln. Die im Aktivtourismus etablierten Zertifizierungssysteme verfügen über einen hohen Bekanntheitsgrad und eine breite Akzeptanz bei der Zielgruppe. Insbesondere im Radtourismus hat Sachsen-Anhalt mit einer hohen Anzahl an zertifizierten Betrieben mit dem Qualitätslabel „Radfreundliche Unterkunft und Gastronomie am Elberadweg“ einen guten Standard vorzuweisen. Um zusätzliche Anreize seitens der Leistungsträger für eine Zertifizierung zu schaffen , wird in der Kommunikation der touristischen Angebote Sachsen-Anhalts verstärkt darauf geachtet, dass touristische Anbieter (Betriebe, Infrastruktureinrichtungen , kulturelle Einrichtungen), die über eine Zertifizierung verfügen, gesondert und hervorgehoben dargestellt werden. Dies ist in besonderer Weise bei der Broschüre „Klasse reisen in Sachsen-Anhalt“ gelungen, in der ausschließlich zertifizierte Beherbergungsbetriebe vorgestellt wurden. Im Hinblick auf die Investitionstätigkeit im touristischen Gewerbe wurde in den Landesregelungen zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt- 5 schaftsstruktur“ (GRW) in Punkt 2.2.3 festgelegt: „Fördervorhaben im Tourismus der gewerblichen Wirtschaft haben in geeigneter Weise Maßnahmen zur Qualitätssteigerung nachzuweisen. Der Nachweis kann durch die Erlangung und Vorlage eines am Markt akzeptierten Qualitätszertifikates erfolgen.“. Frage 6: Mit welchen Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung, die weitere Klassifizierung der Wanderwege in Sachsen-Anhalt mit dem Qualitätssiegel „Wanderbares Deutschland“ sowie die Zertifizierung von Unterkünften als wanderfreundliche Unterkünfte voranzubringen? Für die Zertifizierung der Wanderwege ist der jeweilige Betreiber bzw. Verantwortliche des Weges zuständig. In der Hauptwanderdestination des Landes, dem Harz, kümmern sich der Harzer Tourismusverband (HTV) in Kooperation mit dem Harzklub und dem Nationalpark Harz in einem dreijährigen Rhythmus um die Zertifizierung des Harzer-Hexen-Stieges. Der Karstwanderweg wurde ebenfalls zertifiziert, hierfür ist die Arbeitsgemeinschaft „Drei Länder - Ein Weg“ verantwortlich. Generell schätzt der Harzer Tourismusverband ein, dass der Harz mit den bestehenden beiden Qualitätswanderwegen und dem umfänglichen Wanderwegenetz als Wanderdestination sich gut positioniert hat. Für die Vermarktung in einschlägigen Medien ist ein Qualitätswanderweg als TOP-Produkt ausreichend. Die Zertifizierung der Qualitätswanderwege ist sehr aufwendig und kostenintensiv. Dazu kommen strenge Kriterien, die es zu erfüllen gilt (u. a. Wegbeschaffenheit, Beschilderung , Aussichtspunkte, Ruheplätze etc.). Um diese Kriterien zu erfüllen, sind regelmäßig umfangreiche Maßnahmen zur Erhaltung und Qualitätssicherung im Bereich der Infrastruktur notwendig. In Abstimmung mit dem Land Niedersachsen hat das Land Sachsen-Anhalt deshalb den HTV dabei unterstützt, den Harzer Hexenstieg durch Investitionsmaßnahmen (thematisches Inszenierungskonzept) weiter aufzuwerten . Aufgrund der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen sieht der HTV derzeit keine weiteren Anwärter auf die Zertifizierung „Qualitätswanderweg“. Weitere wichtige Wanderwege in der Region haben gemäß den strengen Zertifizierungskriterien ohnehin wenig Chancen, als Qualitätswanderweg zertifiziert zu werden. Die Bemühungen der Partner vor Ort richten sich daher vielmehr auf den grundsätzlichen Erhalt des Streckennetzes und nicht auf die Auszeichnung bzw. Zertifizierung. Im Naturpark Dübener Heide fördert das MW ein Pilotprojekt zur Entwicklung einer Qualitätswanderregion Dübener Heide. Für die Zertifizierung wanderfreundlicher Unterkünfte zeichnet im Harz der HTV verantwortlich . Der Tourismusverband reicht die Anträge aus und berät die Unternehmen . Ein unabhängiger Prüfer prüft die Betriebe vor Ort. Dann erfolgt die Auszeichnung und ggf. die medienwirksame Übergabe des Zertifikates durch den HTV. Derzeit sind 29 Betriebe im Harz (9 davon in Sachsen-Anhalt) zertifiziert. Die Auszeichnung wird in den Medien des HTV veröffentlicht. Darüber hinaus informiert und wirbt der HTV bei gegebenen Anlässen für das Zertifikat. 6 Zur Unterstützung hat das MW - wie in der Antwort zu Frage 5 dargelegt - Festlegungen in den Landesregelungen zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) vorgenommen.