Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4077 26.05.2015 (Ausgegeben am 26.05.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vorsteuerabzugsberechtigung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen Kleine Anfrage - KA 6/8761 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium der Finanzen 1. Wie viele außeruniversitäre Forschungseinrichtungen der privaten Wirt- schaft in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereines sind in SachsenAnhalt aktuell tätig? Die Angabe bitte um eine (anonymisierte) Auflistung der nachfolgenden Kriterien ergänzen: Vereinsgründung, Vereinssitz und zuständiges Finanzamt. Der Landesregierung liegt keine Übersicht darüber vor, wie viele Forschungseinrichtungen in Sachsen-Anhalt tätig sind, die in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins bestehen, der als gemeinnützig anerkannt ist. 2 Die Befragung sowohl der Finanzämter als auch des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft hat Folgendes ergeben: Lfd. Nr. Vereinsgründung Vereinssitz Zuständiges Finanzamt 1 1996 Wittenberg Wittenberg 2 2005 Wittenberg Wittenberg 3 2013 Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau 4 1993 Bernburg Bitterfeld-Wolfen 5 1996 Köthen Bitterfeld-Wolfen 6 1998 Köthen Bitterfeld-Wolfen 7 1993 Weißandt-Gölzau Bitterfeld-Wolfen 8 1996 Barleben Haldensleben 9 1999 Merseburg Merseburg 10 1991 Magdeburg Magdeburg 11 1990 Magdeburg Magdeburg 12 1993 Magdeburg Magdeburg 14 1999 Halle (Saale) Halle (Saale) 15 1991 Halle (Saale) Halle (Saale) 2. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, wo außeruniversitären For- schungseinrichtungen der privaten Wirtschaft in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereines durch das zuständige Finanzamt kein Vorsteuerabzug gewährt wird? Wenn ja, wie viele Fälle? Welches Finanzamt ist für jeden Fall jeweils zuständig? 3. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, wo außeruniversitären For- schungseinrichtungen der privaten Wirtschaft in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereines durch das zuständige Finanzamt ein anteiliger Vorsteuerabzug gewährt wird? Wenn ja, wie viele Fälle? Welches Finanzamt ist für jeden Fall jeweils zuständig? Welcher Aufteilungsmaßstab wurde jeweils verwendet? 4. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, wo außeruniversitären For- schungseinrichtungen der privaten Wirtschaft in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereines durch das zuständige Finanzamt ein vollumfänglicher Vorsteuerabzug gewährt wird? Wenn ja, wie viele Fälle? Welches Finanzamt ist für jeden Fall jeweils zuständig? Die Fragen 2 bis 4 werden zusammenhängend beantwortet. Im Hinblick auf das Steuergeheimnis sieht die Landesregierung davon ab, zu konkretisieren, in welchem Finanzamt in wie vielen Fällen ein voller, ein anteiliger oder kein Vorsteuerabzug gewährt wurde. Auch wenn in der Antwort zu Frage 1 die Vereine nicht benannt wurden, ist nicht auszuschließen, dass über die Daten „Vereinsgründung, Vereinssitz und zuständiges Finanzamt“ und das Vereinsregister herauszufinden wäre, um welchen konkreten Verein es sich handelt und wie der Vorsteuerabzug genau bei dem konkreten Verein beurteilt wurde. 3 Von den in o. b. Übersicht enthaltenen Forschungseinrichtungen wurde in drei Fällen kein Vorsteuerabzug gewährt, in acht Fällen ein anteiliger Vorsteuerabzug und in vier Fällen der volle Vorsteuerabzug, was belegt, dass die Entscheidung über den Umfang des Vorsteuerabzugsrechts von den Verhältnissen im jeweiligen Einzelfall abhängt. 5. Nach welchen Kriterien beurteilt die Finanzverwaltung die Vorsteuerab- zugsberechtigung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen der privaten Wirtschaft in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereines? Auch für gemeinnützige Vereine, die neben ihrer gemeinnützigen, d. h. nicht auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten, Tätigkeit entgeltliche Leistungen erbringen und insoweit Unternehmer sind, gelten die Regelungen des Umsatzsteuerrechts . Beziehen solche Vereine Lieferungen und sonstige Leistungen, für die Umsatzsteuer gesetzlich geschuldet wird und in Rechnungen an den Verein offen ausgewiesen ist, können sie diese Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, soweit sie die bezogenen Lieferungen und sonstigen Leistungen für ihre unternehmerische Tätigkeit verwenden. Die unternehmerische Tätigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass Lieferungen bzw. sonstige Leistungen gegen Entgelt erbracht werden. Forschungseinrichtungen, die sowohl Entgelte für Lieferungen oder sonstige Leistungen als auch Mitgliederbeiträge und Zuschüsse vereinnahmen, sind nur insoweit Unternehmer, als ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, nachhaltig entgeltliche Lieferungen oder sonstige Leistungen zu bewirken (vgl. Abschnitt 2.10 Absatz 1 Satz 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)). Der unternehmerische Bereich umfasst die gesamte zur Ausführung der entgeltlichen Leistungen entfaltete Tätigkeit einschließlich aller unmittelbar hierfür dienenden Vorbereitungshandlungen . Eine Forschungseinrichtung erbringt entgeltliche Leistungen z. B. im Bereich der Auftragsforschung, durch die Einräumung von Lizenzen oder durch die Übernahme von Projektträgerschaften. Finanziert sich der Träger einer Forschungseinrichtung überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung, betätigt sich die Forschungseinrichtung im Bereich der Forschung nicht in erster Linie gewerblich. Da das Vorsteuerabzugsrecht nur für solche Lieferungen und sonstigen Leistungen (Eingangsleistungen) besteht, die für den unternehmerischen Bereich bezogen werden, ist bei jedem Leistungsbezug zu prüfen, ob die jeweilige Eingangsleistung ausschließlich für den unternehmerischen Bereich (dann voller Vorsteuerabzug für die konkrete Leistung) oder ausschließlich für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wurde (dann kein Vorsteuerabzug) oder ob sie in beiden Bereichen genutzt werden kann (z. B. wenn bestimmte Geräte angeschafft werden, die sowohl für eine nichtunternehmerische Grundlagen- als auch für eine unternehmerische Auftragsforschung genutzt werden. In letzterem Fall ist der Vorsteuerabzug nur insoweit möglich, als die Eingangsleistung unternehmerisch verwendet wird, der Vorsteuerabzug erfolgt also anteilig. 4 Da es bei Forschungseinrichtungen und ähnlichen, mit öffentlichen Mitteln finanzierten Einrichtungen schwierig ist, Leistungen konkret dem unternehmerischen bzw. dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen oder den im Zeitpunkt des Leistungsbezuges zutreffenden Aufteilungsschlüssel zu ermitteln (der sich von Leistung zu Leistung nochmals unterscheiden kann, je nachdem, für welche konkreten unternehmerischen bzw. nichtunternehmerischen Tätigkeiten die Eingangsleistung verwendet wird), ist es derartigen Einrichtungen gestattet, in Abstimmung mit dem Finanzamt die Vorsteuerbeträge für Leistungen, die teilweise dem unternehmerischen und teilweise dem nichtunternehmerischen Bereich zuzurechnen sind, auf diese Bereiche im Verhältnis der Einnahmen aufzuteilen. Das Finanzamt kann anordnen, dass hierbei das Verhältnis des laufenden, eines früheren oder mehrerer Kalenderjahre zugrunde zu legen ist (wegen Einzelheiten zu den Erleichterungen bei der Ermittlung des Vorsteuerabzuges siehe Abschnitt 2.10 Absatz 6 Satz 4 UStAE). Im Einzelfall kann auch ein anderes Aufteilungsverfahren zugelassen werden. Die vereinfachten Aufteilungsverfahren dürfen jedoch nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen (Abschnitt 2.10 Absatz 7 Satz 1 und Absatz 8 Satz 2 UStAE).