Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/410 16.09.2011 (Ausgegeben am 19.09.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dickstoffversatzanlage Angersdorf Kleine Anfrage - KA 6/7160 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Betreiberfirma der Grube Teutschenthal, GTS, plant mittels einer sog. Dickstoffversatzanlage gefährliche Abfälle, unter anderem hochgiftige Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen mit anderen Stoffen zu vermischen und das Gemisch in das ehemalige Kalibergwerk zu pumpen. Unter anderem durch die geplante Lagerung von ca. 1 000 m3 gefährlichen Abfällen in Silos birgt die Anlage eine Vielzahl von Risiken . So entsteht in dem Versatzgemisch Wasserstoff, was wiederum zur Entstehung explosionsfähiger Luft-Wasserstoff-Gemische mit dem Risiko einer Verfrachtung dioxinhaltiger Stäube (worst-case-Szenario) führen könnte. Daneben bestehen ökologische und gesundheitliche Gefahren bei der Verarbeitung des Giftmülls. Mögliche Gefahrenquellen sind: Unfälle beim Antransport via LKW; Havarien bei der Lagerung , Aufbereitung und Verfüllung und nicht zuletzt das unvorhersehbare Verbreitungsrisiko im Falle eines Gebirgsschlags vor Fertigstellung der Verfüllung. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: Wie ist der aktuelle Stand des Genehmigungsverfahrens? Ist geplant, das Verfahren nach der Unterbrechung weiter zu führen? Existiert ein Zeitplan? Wenn ja, wie sieht dieser aus? Aus genehmigungsrechtlicher Sicht sieht der bergrechtliche Abschlussbetriebsplan eine langzeitsichere Verwahrung des Bergwerks vor. Für die Verwahrung mit Dickstoffversatz ist somit nicht nur die Zulässigkeit der Dickstoffversatzanlage sondern auch die Eignung des Dickstoffversatzes für das Verwahrkonzept sicherzustellen. 2 In dem Verfahren auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Dickstoffversatzanlage durch die GTS Grube Teutschenthal Sicherungs GmbH & Co. KG am Standort Angersdorf wurde die Entscheidungsfrist bislang bis zum 31. August 2011 verlängert. Da die vorgelegten Berichte und Untersuchungsergebnisse für eine endgültige Beurteilung der Eignung des Dickstoffversatzes weiterhin nicht ausreichen, wurde durch das LAGB eine erneute Verlängerung der Entscheidungsfrist bis zum 30. November 2011 erarbeitet. Sofern innerhalb dieses 4. Verlängerungszeitraums keine Änderungen der Sachbescheidungsvoraussetzungen eintreten, ist beabsichtigt, über den Antrag nach Aktenlage zu entscheiden. Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb der Dickstoffversatzanlage Angersdorf wird damit solange nicht weitergeführt, bis die Eignung des Versatzmaterials gemäß Langzeitsicherheitsnachweis von der GTS erbracht worden ist. Die Nachweisführung und deren zeitlicher Rahmen liegen in der Verantwortlichkeit der GTS. Frage 2: Welche Alternativen, wie die Einlagerung von unbelastetem Material der Bergbau -Abraumhalden, wurden geprüft? Welche Kosten würden die Alternativen verursachen? Die GTS hat bisher lediglich einen Antrag für eine Dickstoffversatzanlage zur Verwahrung des Bergwerks mit Dickstoffversatz eingereicht, der von der Genehmigungsbehörde zu prüfen ist. Ein Antrag zur alternativen Verfüllung mit unbelastetem Material bzw. bergbaueigenen Abfällen wurde von GTS nicht gestellt. Demzufolge wurden solche Vorhaben auch nicht geprüft. Presseberichten zufolge veranlasste der Bund (Treuhandanstalt) vor dem Verkauf der Grube Teutschenthal an die GTS eine Kostenschätzung für eine Alternativverfüllung mit bergbaueigenem Haldenmaterial. Dabei wurden durch die Treuhandtochter KALIMAG Kosten in Höhe von ca. 1 Milliarde DM ermittelt, woraufhin der Verkauf an die GTS erfolgte, weil diese Kosten damals nicht durch den Bund oder das Land gedeckt werden konnten. Frage 3: Mit welchen Schäden - insbesondere hinsichtlich der Gesundheit betroffener Anwohner - wäre in einem worst-case-Szenario zu rechnen? Welche Kosten würde das Eintreten eines Worst-case-Szenarios verursachen? Wie weit könnten in einem worst-case-Szenario gefährliche Abfälle (Filterstäube) verdriftet werden? Neben der Sicherheit für die Beschäftigten ist die Vorsorge gegen Gefahren für Leben , Gesundheit und Sachgüter Dritter eine maßgebliche Grundlage für die bergrechtlichen Genehmigungsverfahren, welche im Bundesberggesetz verankert ist. Der Antrag richtet sich auf die Erteilung der Genehmigung einer Dickstoffversatzanlage nach BImSchG. Der Geltungsbereich des BImSchG erstreckt sich auf die Errichtung und den (regulären) Betrieb der genehmigungspflichtigen Anlagen. Eine entsprechende Überprüfung notwendiger und hinreichender Kriterien ergibt sich dabei aus den einschlägigen Vorschriften für die Auslegung und den Betrieb der Anlage. 3 Eine Betrachtung der von der Anlage ausgehenden Gefährdungen erfolgt innerhalb des Genehmigungsverfahrens. Hier ist unter anderem zu prüfen, ob die Anlage den Bestimmungen der Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung - 12. BImSchV) unterfällt. Eine abschließende Prüfung hierzu ist, unter Bezug auf die Ausführungen zu Punkt 1, noch nicht erfolgt. Frage 4: Bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung am 23. Februar 2011 informierte Herr Ministerialrat Christian Sladek, Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalts, darüber, dass nach der Veröffentlichung der Vorabstellungnahme zur geotechnischen Situation und zur Versatznotwendigkeit im Grubenfeld Angersdorf von Herrn Prof. Dr. Lux und Herrn Dr. Düsterloh, Technische Universität Clausthal, keine weitere Zusammenarbeit mit diesen Gutachtern erfolgt. Warum wurde die Zusammenarbeit mit den Gutachtern nicht weitergeführt? Stattdessen wurde nunmehr ein neues bzw. weiteres Gutachten zur geotechnischen Situation und zur Versatznotwendigkeit im Grubenfeld Angersdorf in Auftrag gegeben und zwar an Prof. Dr.-Ing. habil. Heinz Konietzky, TU Bergakademie Freiberg. Wie begründet die Landesregierung die Beauftragung eines weiteren Gutachtens? Liegt dieses Gutachten bereits vor? Wenn ja, wo kann es eingesehen werden? Wenn nein, wann ist mit der Fertigstellung zu rechnen? Die Beendigung der Zusammenarbeit zwischen dem LAGB und den Gutachtern der TU Clausthal erfolgte auf Wunsch von Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Lux. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Interessenskonflikt bzw. der Unvereinbarkeit von gutachterlicher Tätigkeit im Auftrag des LAGB auf der einen und ähnlich gearteter Tätigkeit im Auftrag eines anderen Unternehmens im Zuständigkeitsbereich des LAGB an anderer Stelle. Das Ende der Zusammenarbeit steht in keinerlei fachlichem Zusammenhang mit dem Vorhaben Angersdorf. Da die Bergbehörde auch nach Beendigung der gutachterlichen Tätigkeit der TU Clausthal in Sachen GTS/Angersdorf eines externen Gutachters für die fachliche Begleitung bei den anstehenden Aufgaben bedurfte, wurden die Leistungen neu ausgeschrieben . Das Auswahlverfahren hat ergeben, dass die TU Bergakademie Freiberg bzw. Herr Prof. Dr.-Ing. habil. Konietzky der am besten geeignete Bewerber ist, so dass der Auftrag entsprechend erteilt wurde. Die Aufgabe von Herrn Prof. Konietzky liegt ganz allgemein in der gutachterlichen Begleitung des LAGB bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben zum Vorhaben Angersdorf. Eine direkte Beauftragung zur Erstellung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der geotechnischen Situation und zur Versatznotwendigkeit ist weder erfolgt noch zum derzeitigen Stand vorgesehen . Durch die TU Bergakademie Freiberg werden derzeit verschiedene durch GTS vorgelegte Unterlagen zum Sonderbetriebsplan Gefahrenabwehr im Grubenfeld Angersdorf und zur Nachweisführung Dickstoffeignung geprüft. Frage 5: Existiert eine vertragliche Beziehung zwischen der GTS und dem Land Sachsen -Anhalt? Wenn ja, wie ist dieses Vertragsverhältnis gestaltet? Ja, es gibt aufgrund der Vereinbarung vom 27. November 2002, ergänzt durch die Vereinbarungen vom 22. Februar 2005, 21. Dezember 2006 und 23. September 2009 eine vertragliche Beziehung zwischen der GTS und der Landesanstalt für Alt- 4 lastenfreistellung des Landes Sachsen-Anhalt, die die Aufgaben des Landes im Zusammenhang mit Altlastenfreistellungen nach Artikel 1 § 4 Absatz 3 des Umweltrahmengesetzes wahrnimmt. Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Fortführung des Versatzbetriebes der GTS durch Übernahme des Altlastenrisikos für näher geregelte Maßnahmen abzusichern. Diese Maßnahmen sind auf die erforderlichen Maßnahmen in den Grubenfeldern Angersdorf und Salzmünde begrenzt. Für das Grubenfeld Angersdorf wurde mit der Vereinbarung vom 21. Dezember 2006 das Sicherungskonzept geregelt, das die langzeitsichere Verwahrung des Grubenfeldes Angersdorf mittels Dickstoffversatz unter Verwendung zulässiger Abfallstoffe umfasst. Die Freistellung ist seinerzeit als sogenannte Härtefallfreistellung ergangen, da GTS ohne Beteiligung des Landes nicht in der Lage gewesen wäre, nach dem Gebirgsschlag von 1996 die erforderlichen Versatzmaßnahmen durchzuführen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Sicherungsmaßnahmen letztendlich vom Land hätten durchgeführt werden müssen. Die Landesanstalt für Altlastenfreistellung des Landes Sachsen-Anhalt beteiligt sich an den Kosten für alle in der Vereinbarung festgelegten notwendigen Maßnahmen grundsätzlich mit 80 %. Sollten die Maßnahmekosten wider Erwarten 32 300 000 € übersteigen, beteiligt sich die Landesanstalt für Altlastenfreistellung des Landes Sachsen-Anhalt nur noch mit 50 % an den darüber hinausgehenden Kosten. Abweichend zur grundsätzlichen Beteiligung in Höhe von 80 % an den Kosten der notwendigen Maßnahmen beteiligt sich die Landesanstalt für Altlastenfreistellung des Landes Sachsen-Anhalt nur zu 36 % an den Kosten für die Errichtung der Dickstoffversatzanlage einschließlich der untertägigen Anlagenteile. Um die Finanzierung der Anlage sicherzustellen, liegt die Beteiligung allerdings zunächst bei 80 %, ab dem Zeitpunkt, in dem die Dickstoffversatzanlage errichtet ist und einen betrieblichen Überschuss erwirtschaftet, hat die GTS den Differenzbetrag zwischen 36 % und 80 % der Kosten in Raten an die LAF zurückzuzahlen. Im Übrigen reduziert sich die Beteiligung der Landesanstalt für Altlastenfreistellung des Landes Sachsen-Anhalt an den Kosten für die Gefahrenabwehrmaßnahmen um 30 % desjenigen Betrages, um den eine anhand von cash-flow-Beträgen ausgewiesene Kapitalrendite überschritten wird, vorausgesetzt eine solche Kapitalrendite würde sich je einstellen. Die Einhaltung der Finanzierungsregelungen wird in einem jährlichen Turnus durch Wirtschaftsprüfer überwacht. Frage 6: Ist beabsichtigt, eine freiwillige Umweltverträglichkeitsprüfung mit öffentlicher Beteiligung durchzuführen? Durch die Antragstellerin wurde die Durchführung einer freiwilligen Umweltverträglichkeitsprüfung zugesagt. Die hierzu von der Antragstellerin angekündigte Tischvorlage zur Vorbereitung der Besprechung zwischen Vorhabensträger, Genehmigungsbehörde und den zu beteiligenden Behörden zur Abstimmung von Inhalt und Umfang der einzureichenden Unterlagen liegt noch nicht vor. 5 Frage 7: Laut Genehmigungsantrag liegt der Gefährdungsbeurteilung ein Sachverständigengutachten von IBExU Institut für Sicherheitstechnik vom Dezember 2009 zugrunde. Wurde dieses Gutachten speziell für die Dickstoffversatzanlage Angersdorf erstellt? Wurde das Gutachten von der Genehmigungsbehörde geprüft ? Wenn ja, welche Ergebnisse erbrachte die Prüfung? Wenn nein, warum nicht? Das Sachverständigengutachten der IBExU Institut für Sicherheitstechnik GmbH wurde für die Dickstoffversatzanlage Angersdorf erstellt. Eine abschließende Prüfung durch die Genehmigungsbehörde ist zunächst nicht erfolgt, weil das Genehmigungsverfahren im November 2010 ausgesetzt wurde. Mit Blick auf die Beantwortung zu Frage 1 wird derzeit kein akuter Handlungsbedarf gesehen. Frage 8: Ist geplant, ein Sicherheitskonzept für die Anlage zu erstellen? Die Frage, ob die geplante Anlage unter die Grundpflichten bzw. die erweiterten Pflichten der 12. BImSchV fällt, wurde (s. a. Beantwortung zu Frage 1 und 3) bislang nicht abschließend geprüft. Insoweit kann derzeit keine Aussage dazu getroffen werden , ob seitens der Antragstellerin ein Konzept zur Verhinderung von Störfällen i. S. v. § 8 12. BImSchV bzw. ein Sicherheitsbericht i. S. v. § 9 12. BImSchV vorzulegen sind.