Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4139 04.06.2015 (Ausgegeben am 05.06.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Rüdiger Erben (SPD) Mitwirkungsverbot im Gemeinderat und im Ortschaftsrat wegen Befangenheit (§ 33 Abs. 1 Kommunalverfassungsgesetz - KVG) Kleine Anfrage - KA 6/8784 Vorbemerkung des Fragestellenden: Nach § 33 Abs. 1 KVG unterliegen Mitglieder von Gemeinde- und Ortschaftsräten einem Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit, wenn eine Entscheidung ihnen oder einem nahen Angehörigen einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. Unmittelbar ist nach Satz 2 der Vorschrift der Vor- oder Nachteil, der sich aus der Entscheidung selbst ergeben würde, ohne dass, abgesehen von der Ausführung von Beschlüssen, weitere Ereignisse eintreten oder Maßnahmen getroffen werden müssen . Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Unmittelbarkeit des Vor- oder Nachteils, wenn auf dem Grundstück eines Mitgliedes des Gemeinderates ein Bauwerk errichtet werden soll und der Gemeinderat über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Baugesetzbuch (BauGB) im Rahmen eines bauordnungs- bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, das beim Landkreis geführt wird, beschließt ? Während die bisherige Rechtslage des § 31 GO LSA das Mitwirkungsverbot von der Möglichkeit eines besonderen Vorteils oder Nachteils abhängig machte, begründet nach der am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Neuregelung des § 33 KVG LSA nicht jeder Vorteil oder Nachteil ein Mitwirkungsverbot, sondern nur 2 der unmittelbare, wobei der Begriff der Unmittelbarkeit nunmehr gesetzlich definiert ist. Das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit ist bewusst formal gefasst und setzt nach der Legaldefinition des § 33 Abs. 1 Satz 2 KVG LSA voraus , dass der Vorteil oder Nachteil ohne weitere Ereignisse oder Maßnahmen allein auf dem Beschluss der Vertretung oder dessen Ausführung beruht oder die zur Verwirklichung des Vorteils oder Nachteils erforderliche Umsetzung des Vertretungsbeschlusses zwangsläufig zu erwarten ist. Das Vorliegen einer die Kausalität nicht unterbrechenden Ausführung des Beschlusses der Vertretung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Unter diesen Voraussetzungen wird auch im angefragten Sachverhalt grundsätzlich von einem Mitwirkungsverbot nach § 33 Abs. 1 KVG LSA auszugehen sein. Die insoweit vorausgesetzte Unmittelbarkeit des Vor- oder Nachteils ergibt sich aus § 36 BauGB selbst. Danach ist das Einvernehmen der Gemeinde wesentliche Voraussetzung für die Entscheidung im bauaufsichtlichen Verfahren über die Zulässigkeit von bestimmten baulichen Vorhaben, über das sich die Baugenehmigungsbehörde nur nach Maßgabe des § 70 BauO LSA bei einer rechtswidrigen Verweigerung durch die Gemeinde hinwegsetzen kann. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Unmittelbarkeit des Vor- oder Nach- teils, wenn auf dem Grundstück eines Mitgliedes des Ortschaftsrates ein Bauwerk errichtet werden soll und der Ortschaftsrat vor der Entscheidung des Gemeinderates über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Baugesetzbuch (BauGB) im Rahmen eines bauordnungs- bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, das beim Landkreis geführt wird, angehört wird? Soweit der Ortschaftsrat nach § 84 Abs. 2 KVG LSA angehört wird, wirken die Mitglieder des Ortschaftsrates an der Entscheidung über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens unmittelbar weder beratend noch entscheidend mit. Da die vom Gemeinderat zu treffende Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 BauGB keine zwangsläufige Folge der Stellungnahme des Ortschaftsrates ist, vermag von einer Unmittelbarkeit im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 2 KVG LSA nicht ausgegangen werden. 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Unmittelbarkeit des Vor- oder Nach- teils, wenn einer Baulasteintragung auf ein gemeindeeigenes Grundstück zugunsten eines Grundstücks, das sich im Eigentum eines Mitgliedes des Gemeinderates befindet, vom Gemeinderat zugestimmt wird? Die Unmittelbarkeit des Vor- oder Nachteils ist der Erklärung einer Gemeinde gegenüber der Bauaufsichtsbehörde zur Übernahme öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA immanent.