Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/414 20.09.2011 (Ausgegeben am 22.09.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Jan Wagner (DIE LINKE) Netzsperren Kleine Anfrage - KA 6/7168 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Debatte um den Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) wurde erneut über eine eventuelle Einführung von Netzsperren diskutiert. Die sachsen-anhaltische Staatskanzlei erarbeitet die Änderung des Staatsvertrages federführend. Antwort der Landesregierung erstellt von der Staatskanzlei 1. Unter welchen Umständen kann sich die Landesregierung vorstellen eine Netzsperreninfrastruktur im Rahmen der Glücksspielkontrolle im Internet aufzubauen? Der Glücksspielstaatsvertrag wird derzeit überarbeitet. Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben auf ihrer Sonderkonferenz am 6. April 2011 dem Entwurf des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages bei einer Stimmenthaltung grundsätzlich mit Maßgaben zugestimmt. Der unter Berücksichtigung dieser Maßgaben überarbeitete Entwurf (Stand: 14. April 2011) sieht in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 vor, dass die zuständige Landesbehörde Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes , insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen kann. In der derzeitigen politischen Diskussion zeichnet sich jedoch ab, dass diese Vorschrift in dem Entwurf gestrichen wird. 2 2. Plante die Landesregierung Netzsperren aufzubauen? Sieht die Landesregierung heute noch Anlass, ggf. bei anderen Themen als dem Glücksspiel, Netzsperren zu implementieren? Falls ja, auf welcher rechtlichen und technischen Grundlage sollen diese erfolgen? Seitens der Landesregierung wurde der Aufbau von Netzsperren bisher nicht geplant. 3. Teilt die Landesregierung die Einschätzung des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Meinungs- und Pressefreiheit, Frank La Rue, dass Netzsperren „als schwerwiegende Einschränkung des Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung grundsätzlich abzulehnen“ seien, uneingeschränkt ? Falls nein, welche Bedenken hat die Landesregierung an der Haltung des UN-Sonderbeauftragten? Nein. Durch eine Netzsperre ist die uneingeschränkte Nutzung des Internets nicht mehr möglich. Damit wird in die Informationsfreiheit eingegriffen, die vom Schutzbereich des Artikels 5 Abs. 1 GG umfasst ist. Allerdings ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet (Artikel 5 Abs. 2 GG), so dass Einschränkungen - solange sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen - grundsätzlich möglich wären. Ob die Einführung von Netzsperren, um die Nutzung unerlaubter Glücksspielangebote im Internet zu verhindern, dem Gesetzesvorbehalt in Artikel 5 Abs. 2 GG genügt, ist immer eine Frage des Einzelfalls und kann nicht pauschal beantwortet werden. Maßgebend ist, wie und auf welche Art und Weise solche „Netzsperren“ installiert werden und welchen Informationsfluss sie an welcher Stelle konkret zu welchem Zweck unterbrechen sollen und ob es möglicherweise mildere Mittel gibt, um das gleiche Ziel zu erreichen . Darüber hinaus wäre gleichwohl eine Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 Abs. 1 GG gegeben, dessen Schutzbereich gemäß Artikel 10 Abs. 2 GG aber ebenfalls nicht schrankenlos gewährleistet wird. 4. Beabsichtigt die Landesregierung, wenn ein anderes Bundesland im Bun- desrat eine Initiative startet, welche die Einführung von Netzsperren impliziert , sich gegen diese Initiative auszusprechen? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über entsprechende Initiativen im Bundesrat vor. 5. Wie viele Rechtsverfügungen gegen Anbieter im Internet auf Sperrung oder Löschung des jeweiligen Angebotes wurden bisher durch Behörden des Landes Sachsen-Anhalt erlassen? Das Landesverwaltungsamt hat in zwei Fällen ein anderes Bundesland ermächtigt , gegenüber dem jeweiligen Zugangsanbieter auch mit Wirkung für das Land Sachsen-Anhalt tätig zu werden und eine Anordnung auf Sperrung der entsprechenden Internetseiten zu erlassen. Diese Sperrungsanordnungen wurden am 12. August 2010 erlassen. Die Klageverfahren hierzu sind noch nicht abgeschlossen ; allerdings wurde die Vollstreckung aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH vom 8. September 2010 ausgesetzt.