Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4168 15.06.2015 (Ausgegeben am 16.06.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Steffen Rosmeisl (CDU) Rückbau von Windkraftanlagen Kleine Anfrage - KA 6/8802 Vorbemerkung des Fragestellenden: Seit den 90er-Jahren werden in Sachsen-Anhalt Windkraftanlagen errichtet. Nach etwa 20 Jahren ist damit zu rechnen, dass in den kommenden Jahren verstärkt auch ein Rückbau bzw. Repowering zu erwarten ist. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Wie wird sichergestellt, dass die gemäß Baugesetzbuch und Landesbau- ordnung vorgeschriebene Rückbauverpflichtung durch die zuständigen Behörden auch umgesetzt wird, und wie wird sichergestellt, dass die dafür vorgesehenen Rücklagen auch tatsächlich zur Verfügung stehen? Nach § 35 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 Baugesetzbuch (BauGB) ist für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB - und damit auch für Anlagen nach Nr. 5, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen - als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Nach Satz 3 der Vorschrift soll die Baugenehmigungsbehörde die Einhaltung dieser Verpflichtung durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise sicherstellen. Diese Bestimmungen sind durch das zum 20. Juli 2004 in Kraft getretene Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) in das BauGB aufgenommen worden . Nach § 71 Abs. 3 Satz 2 Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) hat die Bauaufsichtsbehörde u. a. für Windkraftanlagen die Erteilung der Bau- 2 genehmigung von der Leistung eines geeigneten Sicherungsmittels abhängig zu machen, durch das die Finanzierung der Kosten des Rückbaus der Anlagen bei dauerhafter Aufgabe der Nutzung der Anlage sichergestellt wird. Diese Rechtsgrundlage ist mit der zum 1. August 2004 in Kraft getretenen Änderung der BauO LSA 2001 (§ 77 Abs. 3) geschaffen worden. Die für Windkraftanlagen erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt nach § 13 BImSchG die Baugenehmigung ein. Für die Handhabung dieser beiden Instrumente hat die oberste Bauaufsichtsbehörde mit Datum vom 21. Juni 2005 „Hinweise zur Umsetzung bauplanungsund bauordnungsrechtlicher Anforderungen zur Rückbauverpflichtung und Sicherheitsleistungen an Windenergieanlagen (WEA)“ herausgegeben. Seit Inkrafttreten der genannten Vorschriften sind die unteren Bauaufsichtsbehörden entsprechend verfahren. Genehmigungen für Windkraftanlagen werden nur dann erteilt, wenn der Antragsteller die Rückbauverpflichtungserklärung abgegeben hat. Diese wird entweder als Baulast (§ 82 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA) in das Baulastenverzeichnis der jeweils zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde eingetragen (§ 82 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 BauO LSA) oder - wenn Bauherr und Grundstückseigentümer nicht identisch sind - wird die Genehmigung auf der Grundlage des § 71 Abs. 3 Satz 1 BauO LSA unter der Nebenbestimmung erteilt, dass die Anlage entsprechend der abgegebenen Rückbauverpflichtungserklärung innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach endgültiger Nutzungsaufgabe zu beseitigen ist. Sowohl die Baulast als auch die bestandskräftige Nebenbestimmung können dann durch Erlass einer unselbstständigen bauaufsichtlichen Verfügung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren bildet § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA in Verbindung mit § 12 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) die Rechtsgrundlage für die Forderung der Sicherheitsleistung. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kann die Genehmigung unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gehört es auch zu den Genehmigungsvoraussetzungen , dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen dürfen. Hierzu gehören auch die Vorschriften des Bauordnungsrechts. Die Bauaufsichtsbehörde kontrolliert dann spätestens bei Eingang der Anzeige über den Baubeginn (§ 71 Abs. 8 BauO LSA), ob die aufschiebende Bedingung erfüllt ist. 3 2. Wer trägt die Kosten des Rückbaus bei Insolvenz des Betreibers bzw. bei Zahlungsausfall Dritter? Im Falle einer Insolvenz des Betreibers bzw. bei Zahlungsausfall Dritter kann bei einer erforderlich werdenden Ersatzvornahme nach endgültiger Nutzungsaufgabe einer Windkraftanlage auf eine erbrachte Sicherheitsleistung zurückgegriffen werden, die nach den Berichten der unteren Bauaufsichtsbehörden fast ausschließlich in Form von Bankbürgschaften erbracht und damit insolvenzfest sind. Bei Anlagen, die vor Aufnahme des § 77 Abs. 3 in die BauO LSA und damit ohne eine Sicherung der Rückbaukosten zugelassen worden sind, würden in diesen Fällen die Rückbaukosten der öffentlichen Hand zur Last fallen, es sei denn, dass neue Anlagen unter Beseitigung von Altanlagen im Wege des Repowerings zugelassen werden, die dann der Betreiber selbst ausführt. Für die neuen Anlagen kommt dann wiederum § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA zur Anwendung . 3. Für wie viele Windkraftanlagen in Sachsen-Anhalt bzw. welchen Anteil an Windkraftanlagen liegen Bürgschaften für die Übernahme der Rückbaukosten vor und in welcher Höhe? Nach den Berichten der unteren Bauaufsichtsbehörden, soweit diese in der Kürze der zur Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit Angaben beziffern konnten, ergibt sich: Anzahl WKA gesamt: 2652 Anzahl WKA mit Bürgschaften: 760 Anteil %: 28,66 % Höhe der Bürgschaften: 50.009.564,42 € 4. Werden Rückstellungen und Bürgschaften für den Rückbau von Windkraftanlagen an die allgemeine Kostenentwicklung und die tatsächlich zu erwartenden Rückbaukosten angepasst, um eine mögliche spätere Unterdeckung zu verhindern, bzw. sind für die allgemeine Preisentwicklung Mechanismen in den Rückstellungen und Bürgschaften enthalten? Wenn ja, welche? Für Windkraftanlagen wird die Höhe der Sicherheitsleistung in Sachsen-Anhalt grundsätzlich mit 36.000 € je Megawatt installierter elektrischer Leistung veranschlagt . Diese Summe resultiert aus Kostenschätzungen der Bauaufsichtsbehörden und vom Bundesverband Windenergie genannten Rückbaukosten (s. BT-Drucksache 15/1417 S. 2) als Ausgangspunkt mit 30.000 €, zuzüglich einer angenommenen jährlichen Preissteigerung von 1 %, bezogen auf eine durchschnittliche Betriebsdauer von 20 Jahren. Es bleibt den unteren Bauaufsichtsbehörden aber unbenommen, der Sicherheitsleistung im Einzelfall auch abweichende, vom Antragsteller angegebene Rückbaukosten zugrunde zu legen, wenn diese nachvollziehbar dargelegt sind und angemessen erscheinen. 4 Eine Erhöhung dieses Betrages in Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung war bisher nicht erforderlich. 5. Muss der Rückbau vollständig erfolgen, im Sinne einer vollständigen Be- seitigung und Entsorgung aller Anlagenteile inklusive dem Fundament und auch die Wiederherstellung der eigens für Windkraftanlagen errichteten Wege und elektrischen Anlagen? Ja. Entsprechend § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist für Vorhaben nach Abs. 1 Nr. 2 bis 6 (hierzu gehören Windkraftanlagen, die unter Nr. 5 fallen) als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Somit ist die jeweils genehmigte Anlage selbst einschließlich der mit dieser verbundenen Bodenversiegelungen zu beseitigen. Damit sind alle Anlagenteile einschließlich der Fundamente, Leitungen, befestigten Zuwegungen und Plätze erfasst . Der Rückbau umfasst auch die ordnungsgemäße Wiederherstellung der Geländeoberfläche. Speziell für die Errichtung von Windkraftanlagen hergestellte Wege sind nur dann zurückzubauen, wenn sie nicht noch der Erschließung anderer, noch vorhandener Windkraftanlagen dienen. 6. Gibt es besondere Rückbauverpflichtungen für Windkraftanlagen in der Nähe von Naturschutzflächen bzw. im direkt angrenzenden Bereich? Nach den baurechtlichen Vorschriften gibt es keine solchen besonderen Rückbauverpflichtungen . 7. Wann werden nach derzeitigem Erkenntnisstand der Landesregierung die Rückbaumaßnahmen erfolgen und nach welcher durchschnittlichen Laufzeit ? Ab welchem Jahr ist dementsprechend mit einer verstärkten Rückbauaktivität zu rechnen? Nach den Typenprüfberichten für Windkraftanlagen wird eine durchschnittliche technische Lebensdauer von 20 Jahren angenommen. Zu der Frage, ab welchem Jahr mit einer verstärkten Rückbauaktivität zu rechnen ist, kann keine verlässliche Aussage getroffen werden. Dies hängt zunächst von der Anzahl der in den vergangenen Jahren jeweils genehmigten Anlagen und deren Betriebsbeginn ab. Weiterhin ist auch nicht vorhersehbar, in welchem Umfang Anlagenbetreiber ihre Anlagen vorzeitig durch neue Anlagen ersetzen („Repowering “). 8. Wie viele Windkraftanlagen wurden in den vergangenen Jahren aufge- schlüsselt nach Jahresscheiben und Landkreisen zurückgebaut? Wie hoch waren im Durchschnitt die Kosten für diese Rückbaumaßnahmen pro Windkraftanlage? Wenn möglich, bitte aufgeschlüsselt nach Rückbau 5 der Wege und der genutzten Flächen, Turm und Turbine, Fundament, elektrische Anlagen. Die Aufschlüsselung kann der folgenden Tabelle entnommen werden. Angesichts der Verpflichtung zum vollständigen Rückbau der jeweiligen Windkraftanlage (s. zu Frage 5) ist eine Aufschlüsselung nach Kostenanteilen für einzelne Anlagenteile nicht erforderlich. Sie ist auch nicht möglich, weil unter diesem Aspekt auch eine entsprechende Differenzierung bei der Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung nicht erfolgt. Insgesamt wurden für die Einzelfälle erfolgter Rückbauten keine Sicherheitsleistungen in Anspruch genommen, da die Rückbauten von den Betreibern selbst durchgeführt werden. Landkreis/kreisfreie Stadt Anzahl zurückgebauter WKA Jahr des Rückbaus Kosten Altmarkkreis Salzwedel 0 Anhalt-Bitterfeld 1 2014 Rückbau durch Betreiber Börde 1 2015 “ Burgenlandkreis 8 keine Angaben “ Dessau-Roßlau 0 Halle (Saale) 0 Harz 2 keine Angaben “ Jerichower Land 1 2015 “ LH Magdeburg 0 Mansfeld-Südharz 0 Saalekreis 0 Salzlandkreis 0 Stendal 3 (geschätzt) keine Angaben “ Wittenberg 0 Gesamt 16