Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4177 17.06.2015 (Ausgegeben am 18.06.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Sozialversicherungspflicht für Strafgefangene Kleine Anfrage - KA 6/8809 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie steht die Landesregierung zu dem Anliegen, Strafgefangene in die Sozialversicherung miteinzubeziehen? Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit der Einführung einer Sozialversicherungspflicht für Strafgefangene ? Bitte begründen. Die Einbeziehung in soziale Sicherungssysteme gehört grundsätzlich auch im Strafvollzug zu den monetären Anreizen von Arbeit, wie bereits die Einbeziehung in die gesetzliche Arbeitslosen- und Unfallversicherung belegt. Der Strafgefangene erwirbt für seine Arbeit während der Freiheitsentziehung Ansprüche auch für die Zeit nach seiner Entlassung. Gleichwohl ist das dem Strafgefangenen gezahlte Arbeitsentgelt aufgrund der bestehenden Gesetzeslage im Sozialversicherungsrecht nicht in alle Bereiche der Sozialversicherung einbezogen. So unterliegt das im Strafvollzug gezahlte Arbeitsentgelt der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung und zur Unfallversicherung , aber mangels bundesgesetzlicher Regelung nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Der zuständige Bundesgesetzgeber hat bisher davon abgesehen, von der Ermächtigung des § 198 Abs. 3 StVollzG Gebrauch zu machen, die Strafgefangenen mittels einer bundesrechtlichen Regelung in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Mit dem insoweit fehlenden Bundesgesetz zur Einbeziehung Strafgefangener in die Rentenversicherung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 1. Juli 1998 (BVerfGE 98, 169) jedoch kein Ver- 2 stoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG oder das Resozialisierungsgebot vor. Dem Gesetzgeber steht bei der Einbeziehung bisher nicht erfasster Personenkreise in zu erbringende freiwillige Leistungen des Staates aus sozialpolitischen Motiven, wie z. B. der gesetzlichen Rentenversicherung, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Dies bedeutet, dass auch eine Beschränkung des Strafgefangenen auf eine Einbeziehung in die gesetzliche Arbeitslosen- und Unfallversicherung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und insoweit auch keine Notwendigkeit zum Erlass eines weitergehenden Bundesgesetzes besteht . 2. Beabsichtigt die Landesregierung, eine entsprechende Bundesratsinitia- tive mit dem Ziel der Einführung einer generellen Sozialversicherungspflicht für Strafgefangene zu beschließen und zu ergreifen? Wenn ja, wann? Eine entsprechende Bundesratsinitiative ist von Seiten der Landesregierung derzeit nicht beabsichtigt. 3. Wie würde sich die Landesregierung im Bundesrat bei Vorlage einer ent- sprechenden Bundesratsinitiative durch ein anderes Bundesland verhalten ? Eine inhaltliche Bewertung einer (noch) nicht existenten und daher auch in ihren Einzelheiten nicht bekannten Bundesratsinitiative eines anderen Bundeslandes ist der Landesregierung nicht möglich, so dass insoweit auch über ein diesbezügliches Abstimmungsverhalten im Bundesrat keine Aussage getroffen werden kann. 4. Sieht die Landesregierung in der Entlohnung jeglicher Form von Pflicht- arbeit von Gefangenen durch ein angemessenes Arbeitsentgelt (Mindestlohn ) sowie im sozialen Schutz für Gefangene in der Renten- und Kranken - sowie Pflegeversicherung eines der Voraussetzungen bzw. Prinzipien , um das für den Strafvollzug maßgebliche Ziel der Resozialisierung erreichen zu können? Bitte begründen. Aus vollzuglicher Sicht ist es durchaus von Bedeutung, als Resozialisierungsansatz nicht nur Beschäftigungs- und Bildungsangebote vorzuhalten, sondern auch einen substantiellen Nettolohn, unter Einbeziehung in die Sozialversicherungssysteme , zu gewähren. Hinsichtlich der Einbeziehung der Strafgefangenen in die sozialen Sicherungssysteme steht dem Gesetzgeber unterdessen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes in Deutschland hatte insoweit jedoch keine Auswirkungen auf die Vergütung der Arbeit im Strafvollzug des Landes Sachsen-Anhalt. Das Mindestlohngesetz findet ausschließlich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anwendung, welche auf Grundlage eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigt werden. 3 Die Arbeit im Strafvollzug ist mit einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis auch nicht vergleichbar, sondern wird vorrangig als vollzugliche Maßnahme mit dem Ziel der Resozialisierung eingesetzt. Eine wirtschaftliche Wertschöpfung zum Zwecke der Gewinnerzielung wird insoweit gerade nicht verfolgt. So sind die durch die Arbeit der Strafgefangenen erwirtschafteten Einnahmen für den Landeshaushalt nicht kostendeckend. 5. Wie steht die Landesregierung generell zur Pflichtarbeit von Strafgefange- nen? Schon das Strafvollzugsgesetz des Bundes, das gegenwärtig noch die gesetzliche Grundlage für den Strafvollzug im Land Sachsen-Anhalt bildet, war von den beiden Leitgedanken „Fordern“ und „Fördern“ getragen. Gemäß § 41 StVollzG ist der Gefangene verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben (Arbeitspflicht). Gleichzeitig soll die Vollzugsbehörde gem. § 37 StVollzG dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen. Hiernach dient Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbildung und Weiterbildung insbesondere dem Ziel, dem Strafgefangenen Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. Vor diesem Hintergrund wird es von Seiten der Landesregierung befürwortet, die Arbeitspflicht im Strafvollzug als bewährtes Mittel der Resozialisierung künftig weiterhin beizubehalten. 6. Wie positioniert sich die Landesregierung zum Festschreiben eines Rechts auf Arbeit im künftigen Strafvollzugsgesetzbuch von Sachsen-Anhalt ? Die Arbeit im Strafvollzug dient als vollzugliche Maßnahmen in erster Linie dem Ziel der Resozialisierung. Die Zuweisung von Arbeit, arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder sonstiger Beschäftigung hängt daher maßgeblich von der persönlichen, fachlichen und vollzuglichen Eignung des Strafgefangenen ab. Dabei sollen insbesondere auch dessen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund sieht der Entwurf der Landesregierung eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt einen subjektiven Rechtsanspruch eines jeden Strafgefangenen auf Zuweisung von Arbeit nicht vor. Soweit sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Anspruch auf einen Arbeitsplatz ebenfalls nicht herleiten lässt, entspricht dies im Übrigen auch der wirtschaftlichen Realität außerhalb des Vollzuges und trägt damit dem Grundsatz der Angleichung des Lebens im Vollzug an die allgemeinen Lebensverhältnisse Rechnung.