Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4271 23.07.2015 (Ausgegeben am 24.07.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Brandschutz und Haltungsbedingungen in der Schweinezuchtanlage der JRS Hybrid Deutschland GmbH in Maasdorf („Schweinehochhaus“) Kleine Anfrage - KA 6/8811 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im sogenannten Schweinehochhaus in Maasdorf (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) werden auf sechs Etagen rund 500 Sauen gehalten. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Wie viele Tiere welcher Art sind im Schweinehochhaus untergebracht? In der Schweinezuchtanlage der JRS Hybrid Deutschland GmbH in Maasdorf werden insgesamt 2.905 Schweine gehalten (Stand 04.05.2015). Im Einzelnen sind das: Sauen/Jungsauen 492 Eber 3 Zuchtläufer 553 Absatzferkel 665 Saugferkel 1.192 2. Gibt es im Schweinehochhaus Übergangsregelungen zur Umsetzung der geltenden tierschutzrechtlichen Bestimmungen? Wenn ja, welche? Nein. 2 3. In welchen Haltungseinrichtungen (beispielsweise Gruppenbuchten, Einzelbuchten , Kastenstände etc.) sind die Tiere untergebracht? Entsprechend den Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV ) werden die Schweine in folgenden Haltungssystemen gehalten: Saugferkel Abferkelbucht Absatzferkel Gruppenhaltung (Flatdeck) Zuchtläufer Gruppenhaltung Sauen Kastenstand (28 Tage) Gruppenhaltung (4 Wochen nach Decken bis 1 Woche vor errechnetem Abferkeltermin) Abferkelbucht Jungsauen Gruppenhaltung Eber Einzelhaltung in Buchten 4. Wie viel Platz steht pro Tier zur Verfügung? Den Tieren stehen die im Folgenden genannten Flächen zur Verfügung. Saugferkel bis 5 kg Abferkelbucht/keine gesetzliche Flächenvorgabe Absatzferkel 5 bis 20 kg 0,35 m²/Tier (0,15 - 0,35 m²/Tier gemäß TierSchNutztV) Zuchtläufer bis 110 kg 0,8 m²/Tier (0,5 - 0,75 m²/Tier gemäß TierSchNutztV) Zuchtläufer über 110 kg 1,04 m²/Tier (1,0 m²/Tier gemäß TierSchNutztV) Jungsauen Gruppengröße 6 bis 39 Tiere 2,36 m²/Tier (1,65 m²/Tier gemäß TierSchNutztV) Sauen Gruppengröße 6 bis 39 Tiere 2,27 m²/Tier (2,25 m²/Tier gemäß TierSchNutztV) Eber jünger als 24 Monate ungehindertes Umdrehen sowie Hören, Riechen und Sehen anderer Schweine möglich über 24 Monate: 6,0 m²/Tier (gemäß TierSchNutztV) 5. Wie breit sind die Kastenstände (lichtes Maß)? Zum Stand der Kontrolle am 10. März 2015 betrug die lichte Breite der Kastenstände 62 cm. Zur Umsetzung des § 24 (4) TierSchNutztV wurde eine Anpassung der Kastenstände an die Größe der Tiere bis zum 30.06.2015 angeordnet. Am 8. Juli 2015 fand dazu eine Nachkontrolle mit folgendem Ergebnis statt: Die Kastenstandbreite betrug für  Jungsauen mit max. 75 cm Höhe = 75 cm  Sauen mit max. 85 cm Höhe = 85 cm und  Sauen mit max. 90 cm Höhe = 90 cm. 3 Sauen mit > 90 cm Höhe werden in Gruppenhaltung gehalten (auch zur Besamung ). Damit sind die Rechtsvorgaben des § 24 (4) TierSchNutztV erfüllt. 6. Wird im Schweinehochhaus die Anforderung aus § 30 Abs. 7 der Tierschutz -Nutztierhaltungsverordnung eingehalten, wonach jeder Jungsau oder Sau in der Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin ausreichend Stroh oder anderes Material zur Befriedigung ihres Nestbauverhaltens zur Verfügung gestellt wird? Welches Material und wie viel davon wird den Sauen oder Jungsauen in der Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin im Schweinehochhaus zur Verfügung gestellt? Den Sauen werden in der Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin Papiersäcke als Material zur Befriedigung ihres Nestbauverhaltens zur Verfügung gestellt. Die Bereitstellung von Jutesäcken ist in Vorbereitung. 7. Gemäß § 14 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt sind bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Welche Anforderungen an den Brandschutz ergeben sich aus dem geltenden Recht für das Schweinehochhaus? Bitte auch die jeweiligen rechtlichen Grundlagen nennen. § 14 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt findet vorliegend keine Anwendung , da das „Schweinehochhaus Maasdorf“ im Umfang der erfolgten baurechtlichen Zulassung formellen und materiellen Bestandsschutz genießt. Vorliegend ist für den Rohbau der Anlage die Baugenehmigung Nr. 17/68 der Staatlichen Bauaufsicht vom 19. Februar 1968 in Verbindung mit einem Prüfbescheid H 215/68 der Staatlichen Bauaufsicht vom 13. Februar 1968 erteilt worden . In dem Prüfbescheid ist als Prüfbemerkung enthalten, dass das Projekt entsprechend dem Protokoll über brandschutztechnische Fragen vom 5. Mai 1967 der BDVP Halle, Abteilung Feuerwehr vorzulegen sei. Nach der TGL 10685 „Bautechnischer Brandschutz, Gebäude und Anlagen der tierischen Produktion“ der ehemaligen DDR in den Fassungen ab 1979 (ältere liegen nicht vor) war für mehrgeschossige Tierhaltungsanlagen u. a. vorgesehen , dass die Haltung einstreulos erfolgt, um insofern eine Brandlast auszuschließen . Darüber hinaus war eine Vielzahl brandschutztechnischer Anforderungen für Tierhaltungsanlagen formuliert. Die Bauausführung stellt sich nach den vorliegenden Unterlagen im Wesentlichen wie folgt dar: Das Stallgebäude ist freistehend. Das Kellergeschoss und sämtliche Geschossdecken wurden in Stahlbeton errichtet. Die Tierhaltung erfolgt , wie o. g. einstreulos. 4 8. Liegt für das Schweinehochhaus ein Brandschutzkonzept vor? Wenn nein, wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit eines Brandschutzkonzeptes ? Wenn ein Brandschutzkonzept vorliegt, welche Anforderungen ergeben sich aus dem Brandschutzkonzept für die Rettung der Tiere? Für das Schweinehochhaus ist der örtlichen Feuerwehr kein Brandschutzkonzept bekannt. Das Gebäude wurde in den Jahren 1969/1970 errichtet. Zu den weiteren Teilfragen siehe Antwort zu Frage Nr. 7. 9. Wie ist im Falle eines Brandes gewährleistet, dass die Tiere aus allen Etagen gerettet werden können? Aufgrund des Verhaltens von Tieren kann eine Rettung aus Stallanlagen in einer kurzen Zeit, ob erdgeschossig oder wie in diesem Fall in einem mehrgeschossigen Gebäude, nicht erfolgreich durchgeführt werden. Die Rettung von Tieren im Brandfall gestaltet sich grundsätzlich schwierig. Die Tiere verlassen regelmäßig die Buchten nicht, ohne von Menschen getrieben zu werden. Die Tiere suchen bei Gefahr instinktiv die sichere Bucht bzw. den sicheren Stall auf. Sie würden dazu auch zurück ins Feuer laufen. Der Umgang mit Tieren und hier insbesondere mit Schweinen erfordert ein umsichtiges und ruhiges Handeln. 10. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass die Anforderungen über Rettungswege nach § 32 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt auch für die Tiere in Tierhaltungsanlagen gelten? Wenn nein, welche Anforderungen an die Rettungswege für die Nutztiere müssen im Schweinehochhaus verwirklicht sein? Welche Länge haben die Fluchtwege aus der obersten Etage bis ins Freie? zu Frage 10 Satz 1: Nein. § 32 BauO LSA umfasst lediglich die notwendigen Anlagen zur Rettung von Menschen aus Aufenthaltsräumen und zur Sicherung des Löscheinsatzes. zu Frage 10 Satz 2: Siehe Antwort zu Frage 7. zu Frage 10 Satz 3: Die Länge des Fluchtwegs für Menschen beträgt ca. 25 Meter bis zum Podest und Stegleiter (Nordseite des Gebäudes) und ca. 25 Meter bis zum Treppenhaus (Südseite des Gebäudes). Der längste Weg von der Nordseite des Gebäudes über das Treppenhaus zum Erdgeschoss und der sich südlich befindlichen Rampe oder Treppe und damit ins Freie beträgt ca. 85 Meter. 5 11. Ist es richtig, dass die Tiere im Schweinehochhaus mit Aufzügen transportiert werden? Welche Kapazität haben die Aufzüge? Wie viele Aufzüge sind vorhanden? Sind alle Aufzüge für alle Etagen nutzbar? Können die Tiere die Boxen im Brandfall in die Richtungen aller Fluchtwege verlassen ? Sind alle Entriegelungssysteme von elektrischem Strom unabhängig und leicht zu öffnen? Ist eine Blitzschutzanlage im Sinne des § 45 BauO LSA vorhanden? zu Frage 11 Satz 1: Ja. zu Frage 11 Satz 2: Pro Aufzug können, je nach Art und Größe der Tiere, zwei bis drei Schweine transportiert werden. zu Frage 11 Satz 3: Es befinden sich zwei Aufzüge im Gebäude. zu Frage 11 Satz 4: Ja. zu Frage 11 Satz 5: Ja (Buchtengitter sind herausnehmbar). zu Frage 11 Satz 6: Elektronische Verriegelungen sind nicht vorhanden; die Verriegelungen der Buchten sind manuell zu öffnen. zu Frage 11 Satz 7: Ja. 12. Können die Aufzüge im Brandfall genutzt werden? Nein. 13. Ist bei der zuständigen Feuerwehr ein Feuerwehrplan nach DIN 14095 vorhanden ? Sind der zuständigen Feuerwehr die Schließmechanismen von Buchten, Boxen und Ausgängen sowie die Absperrbereiche im Freien für bereits evakuierte Tiere bekannt? Verfügt die für das Schweinehochhaus zuständige Feuerwehr über die in § 32 Abs. 3 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt genannten Rettungsgeräte wie Hubrettungsfahrzeuge? Verfügt die Feuerwehr über die Möglichkeit, im Falle eines Brandes alle Tiere aus den oberen Etagen zu retten? Ein aktueller Feuerwehrplan auf der Grundlage der DIN 14095 liegt für das betreffende Gebäude nicht vor. Die Schließmechanismen sind der zuständigen Feuerwehr bekannt. Das gesamte Betriebsgelände der Schweinezuchtanlage besitzt eine Einfriedung . Bis zur Entscheidung über weitere notwendige Maßnahmen kann das Gelände im Bedarfsfall als vorübergehender Absperrbereich genutzt werden. Die genannten Rettungsgeräte wie Hubrettungsfahrzeuge gemäß § 32 Abs. 3 BauO LSA sind für die Feuerwehr nicht erforderlich, da für das Gebäude nach § 32 Abs. 1 zwei bauliche, voneinander unabhängige Fluchtwege für die Personenrettung vorhanden sind. Hubrettungsfahrzeuge sind technisch nicht zur Ret- 6 tung von Schweinen aus oberen Etagen ausgelegt und können für diesen Einsatzzweck nicht genutzt werden. Zu Teilfrage 4 siehe Antwort zu Nr. 9. 14. Welche Abstimmungen erfolgten zwischen der Aufsichtsbehörde und der zuständigen Feuerwehr über die Rettung der Tiere im Falle eines Brandes ? Besteht eine Brandmeldeanlage nach den Anforderungen der DIN 14675 und der DIN VDI 0833? Abstimmungen zwischen der Aufsichtsbehörde für die Einrichtung und der zuständigen Feuerwehr sind der Landesregierung nicht bekannt. Technische Ausrüstungen , wie eine Brandmeldeanlage nach DIN 14675 sind in dem Gebäude nicht vorhanden und auch nicht geplant, da die Technik widerstandsfähig gegenüber aggressiven Gasen und Dämpfen sein muss, was technisch kaum oder gar nicht sichergestellt werden kann. 15. Wie viel Personal befindet sich zu welchen Tages- und Nachtzeiten im Schweinehochhaus? Falls sich nicht ununterbrochen Personal im Schweinehochhaus befindet, auf welche Weise wird das Betriebspersonal bei Betriebsstörungen alarmiert? zu Frage 15 Satz 1: Drei Tierpfleger und ein Techniker befinden sich regelmäßig von Montag bis Freitag von 07.00 bis 16.00 Uhr im Gebäude. Am Wochenende (Sonnabend und Sonntag) sowie an Feiertagen befinden sich von 07.00 bis 11.00 Uhr und 14.00 bis 16.00 Uhr zwei Tierpfleger im Objekt. zu Frage 15 Satz 2: Die Stunden der Abwesenheit des Betriebspersonals werden mittels eines Bereitschaftsdienstes abgesichert. Bei Betriebsstörungen wird über die vorhandene Alarmanlage im Objekt ein Signal auf das Bereitschaftshandy gesendet. Hierfür stehen zwei Handy- und eine Festnetznummer zur Verfügung. 16. Wäre es mit der Eigensicherung des Personals vereinbar, falls vorgesehen sein sollte, dass das Personal im Brandfall die Tiere aus dem Haus treiben soll? Nein. 17. Gibt es für den Brandfall außerhalb des Schweinehochhauses Absperrbereiche für bereits evakuierte Tiere? Nein.