Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4306 13.08.2015 (Ausgegeben am 14.08.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dr. Frank Thiel (DIE LINKE) Auswirkungen der Sanktionen bzw. Handelsbeschränkungen gegen und durch Russland auf die Wirtschaft Sachsen-Anhalts Kleine Anfrage - KA 6/8862 Vorbemerkung des Fragestellenden: In den letzten Monaten verdichteten sich die Meldungen, dass die Sanktionen und Handelsbeschränkungen gegen und durch Russland auch Auswirkungen auf Sachsen -Anhalts Wirtschaft haben. Im März wurde bekannt, dass der Magdeburger Maschinenbauer Vakoma nach Auftragseinbrüchen aufgrund der Ukraine-Krise Insolvenz anmelden musste. Auch der Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. und die IHK Magdeburg vermeldeten Probleme aufgrund der Sanktionen und Handelsbeschränkungen. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz des Wirtschaftsministers, Herrn Hartmut Möllring, und dem Präsidenten des Statistischen Landesamtes, Herrn Michael Reichelt , am 29. April 2015 wurden unter anderem die Russland-Sanktionen und die daraus resultierenden schlechten Wechselkurse für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung des Landes verantwortlich gemacht. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zu den Auswirkungen der Sanktionen bzw. Handlungsbeschränkungen gegen und durch Russland auf die wirtschaftliche Lage Sachsen-Anhalts? Bereits 2013 war deutschlandweit und auch in Sachsen-Anhalt ein Rückgang der Exporte nach Russland zu verzeichnen. Hinzu kam der Verfall des Rubel-Kurses. 2 Verstärkt wurde dies ab August 2014 durch die Wirtschaftssanktionen gegen Russland und die russischen Importrestriktionen im Agrar- und Nahrungsgüterbereich. Effekte und auch Folgeeffekte durch die Sanktionen bzw. Handelsbeschränkungen gegen und durch Russland auf die wirtschaftliche Lage Sachsen-Anhalts sind aus vielfältigen Gründen schwer konkret verifizierbar. Dies ist zum einen in einer starken Verflechtung der Volkswirtschaften der einzelnen Länder begründet. Zum anderen betreffen mögliche Auswirkungen die gesamte Fertigungsstrecke eines Produkts (von der Vorleistung bis zum finalen Produkt) und sind somit schwer einschätzbar. Des Weiteren kann bei einer Erhöhung der Exporte in andere Länder nicht unterschieden werden, ob generell neue Märkte erschlossen werden sollen oder ob die Unternehmen die Produkte aufgrund von Absatzschwierigkeiten nach Russland lediglich in ein anderes Land verkauft haben. Frage 2: Wie hat sich der Warenhandel zwischen Sachsen-Anhalt und Russland seit 2010 entwickelt? Bitte nach Jahresscheiben, einzelnen Wirtschaftsbereichen und Ein- und Ausfuhren untergliedern. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Exporte und Importe SachsenAnhalt /Russland in den Jahren 2010 bis 2014: Jahr Exporte nach Russland (€) Importe aus Russland (€) 2010 374.286.399 3.396.266.134 2011 442.322.349 4.286.483.919 2012 504.005.896 5.448.109.335 2013 432.290.138 6.440.382.066 2014 369.781.217 4.756.498.217 Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt Eine Aufteilung der Exporte und Importe nach Wirtschaftsbereichen ist nicht möglich, da dies vom Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt nicht erfasst wird. Erfasst werden aber Warengruppen. Als Anlage beigefügt ist eine Darstellung über die in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils am häufigsten exportierten bzw. importierten zehn Warengruppen . Die Listen unterliegen in Bezug auf die Waren bzw. die Warenmengen jährlichen Veränderungen. Deutlich wird aber, dass „pharmazeutische Erzeugnisse“, „Kunststoffe“ und „chemische Vorerzeugnisse“ im genannten Zeitraum die drei Hauptexportgüter waren. Bei den Importen lagen „Erdöl und Erdgas“ mit Abstand vorn. Frage 3: Wie groß ist die Anzahl der Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die für einen Export nach Russland produzieren und welche Unternehmen aus welcher Branche haben einen besonders hohen Exportanteil nach Russland? Die Anzahl der Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die Waren - in diesem Fall nach Russland - exportieren - wird statistisch nicht erfasst. Anhaltspunkte zu Unternehmen bestimmter Branchen, die einen besonders hohen Exportanteil nach Russland haben, ergeben sich aus den exportierten Warengruppen . 3 Siehe Antwort zu Frage 2 einschl. der Anlage. Frage 4: Inwieweit hat sich die Landesregierung mit den Auswirkungen der Sanktionen bzw. Handlungsbeschränkungen auf die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt befasst? Die Auswirkungen der Sanktionen bzw. der Handelsbeschränkungen waren bereits mehrfach Gegenstand der Beratungen in der Wirtschaftsministerkonferenz sowie im Bund-Länder-Ausschuss „Außenwirtschaft“. Zudem hat sich der „Außenwirtschaftsbeirat Sachsen-Anhalts“ regelmäßig mit der Thematik befasst und die Situation der Unternehmen bzw. Branchen im Land gemeinsam mit den gewerblichen Kammern erörtert. Frage 5: Wie bewertet die Landesregierung im Allgemeinen die Situation für Unternehmen aus Sachsen-Anhalt, insbesondere der Ernährungswirtschaft und dem Maschinenbau, vor dem Hintergrund der bestehenden Sanktionen bzw. Handlungsbeschränkungen und dem Euro-Russischen-Rubel-Wechselkurs? Russland ist - auch traditionell - ein wichtiger Absatzmarkt für sachsen-anhaltische Produkte. Im Jahr 2012 erreichten die Exporte einen Wert von mehr als 500 Mio. €. Dies war der Höchstwert seit 2002 (rd. 115 Mio. €). Trotz dieser nicht unbeachtlichen Steigerung und Größe ist Russland dennoch nicht unter den zehn Hauptexportländern vertreten. In den Jahren 2013 und 2014 fiel der Anteil Russlands am Gesamtexport Sachsen-Anhalts auf unter 3 %. Hauptexportland für die Unternehmen aus Sachsen-Anhalt ist seit Jahren Polen. Zum Vergleich: Exporte nach Polen erreichten jeweils Jahreswerte von um die 1,5 Mrd. €. Platz 2 und 3 belegen im Jahr 2014 Großbritannien (rd. 1,2 Mrd. €) und Frankreich (rd. 1,1 Mrd. €). Zudem gehörten „Maschinen“ und „Ernährungsgüter“ in den vergangenen drei Jahren nicht zu den Warengruppen, die die obersten Plätze im Bereich der Ausfuhr nach Russland einnahmen. Hier sind Erzeugnisse der Pharmaindustrie, der Chemie und der Kunststoffindustrie höher gewichtet. Sicherlich können an der einen oder anderen Stelle Überproduktion und Preisdruck entstehen, weil Russland als Markt Einschränkungen unterliegt, die direkten Folgen dürften sich jedoch in Grenzen halten. Zwar spüren vor allem die Unternehmen, die aus DDR-Kombinaten hervorgegangen sind und traditionell gute Geschäftsbeziehungen zu Russland pflegen, die Auswirkungen der Sanktionen am stärksten. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass Russland nicht der alleinige Absatzmarkt dieser Unternehmen ist. Inwieweit die Entwicklung des Euro-Rubel-Wechselkurses neben den Sanktionen einen Einfluss auf die sachsen-anhaltischen Exporte und damit auf die Unternehmen des Landes hat, kann nicht eingeschätzt werden. 4 Frage 6: Welche konkreten Auswirkungen auf Unternehmen in Sachsen-Anhalt infolge von Sanktionen bzw. Handlungsbeschränkungen gegen Russland sind der Landesregierung bekannt? Bitte aufgeschlüsselt nach Wirtschaftsbereichen und wenn vorhanden, jeweils die Höhe des wirtschaftlichen Schadens angeben . Informationen über konkrete Auswirkungen auf Unternehmen oder Wirtschaftsbereiche , z. B. die Situation der VAKOMA Production GmbH, liegen in Einzelfällen vor. Es gibt jedoch keine statistischen Erhebungen zu den Auswirkungen auf Unternehmen und Wirtschaftsbereiche insgesamt. Insofern kann auch keine Aussage über die Höhe des wirtschaftlichen Schadens getroffen werden. Frage 7: Welche konkreten Auswirkungen auf Unternehmen in Sachsen-Anhalt infolge von Sanktionen bzw. Handlungsbeschränkungen durch Russland und dem Euro -Russischen-Rubel-Wechselkurs sind der Landesregierung bekannt? Bitte aufgeschlüsselt nach Wirtschaftsbereichen und wenn vorhanden, jeweils die Höhe des wirtschaftlichen Schadens angeben. Siehe Antwort zu Frage 6. Frage 8: Welche konkreten Unterstützungsmaßnahmen hat die Landesregierung für von den Sanktionen bzw. Handlungsbeschränkungen betroffene Unternehmen bisher initiiert bzw. geplant? Grundsätzlich steht den Unternehmen das gesamte Förderspektrum des Bundes und Landes zur Verfügung. Um Liquiditätsschwierigkeiten aufgrund der Auswirkungen der Sanktionen bzw. Handelsbeschränkungen zu überbrücken, können vor allem mittelständische Unternehmen das bestehende Instrumentarium, wie Betriebsmittelkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder das Instrumentarium der Bürgschaftsbanken nutzen. Bei Schäden aus bestehenden Verträgen für Warenlieferungen oder Investitionen können die spezifischen Instrumente der Außenwirtschaftsförderung, wie Exportkreditversicherungen oder Investitionsgarantien, unter der Voraussetzung zum Einsatz kommen, dass die Versicherungen rechtzeitig abgeschlossen wurden. In Einzelfällen bemüht sich das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft bei den zuständigen Bundesbehörden um die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren bei Exportgeschäften. Das Land Sachsen-Anhalt plant darüber hinaus zurzeit keine zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen . 5 Ausfuhr Warenuntergruppen in die Russische Föderation im Jahr 2010 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warengruppe 1 47.257 Kunststoffe 2 42.659 Käse 3 36.100 chemische Vorerzeugnisse 4 31.859 pharmazeutische Erzeugnisse 5 26.595 Waren aus Kunststoffen 6 18.376 Halbzeuge aus Kupfer und Kupferlegierungen 7 17.110 Fleisch und Fleischwaren 8 11.482 Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung 9 10.113 Maschinen 10 9.089 Maschinen für das Ernährungsgewerbe u. Tabakverarbeitung Einfuhr Warenuntergruppen aus der Russischen Föderation im Jahr 2010 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warengruppen 1 4.219.210 Erdöl und Erdgas 2 23.193 Kupfer und Kupferlegierungen 3 7.208 Roheisen 4 7.072 chemische Vorerzeugnisse 5 3.417 Rohkautschuk 6 2.518 Halbzeuge aus Aluminium 7 2.360 chemische Halbwaren 8 2.032 Stäbe und Profile aus Eisen oder Stahl 9 1.830 Nickel und Nickellegierungen 10 1.791 Rückwaren Quelle: Berechnungen Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft auf der Grundlage von Angaben des Statistischen Landesamtes 2010 6 Ausfuhr Warenuntergruppen in die Russische Föderation im Jahr 2011 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warengruppen 1 45.004 pharmazeutische Erzeugnisse 2 41.470 Kunststoffe 3 39.712 chemische Vorerzeugnisse 4 25.852 Waren aus Kunststoffe 5 23.466 Käse 6 20.755 Fleisch und Fleischwaren 7 15.778 Halbzeuge aus Kupfer und Kupferlegierungen 8 15.283 Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung 9 14.806 Maschinen 10 13.307 Bergwerks-, Bau- und Baustoffmaschinen Einfuhr Warenuntergruppen aus der Russischen Föderation im Jahr 2011 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warengruppen 1 5.380.100 Erdöl und Erdgas 2 12.185 Kupfer und Kupferlegierungen 3 10.775 chemische Vorerzeugnisse 4 9.173 Roheisen 5 3.849 Rohkautschuk 6 3.579 Aluminium und Aluminiumlegierungen 7 3.207 chemische Halbwaren 8 3.169 Nickel und Nickellegierungen 9 2.862 Farben, Lacke, Kitte 10 2.672 Rückwaren Quelle: Berechnungen Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft auf der Grundlage von Angaben des Statistischen Landesamtes 2011 7 Ausfuhr Warenuntergruppen in die Russische Föderation im Jahr 2012 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warenuntergruppe 1 60.046 Pharmazeutische Erzeugnisse 2 45.874 chemische Vorerzeugnisse 3 43.880 Kunststoffe 4 27.557 Bergwerks-, Bau- und Baustoffmaschinen 5 21.548 Pumpen und Kompressoren 6 17.427 Maschinen für das Ernährungsgewerbe und die Tabakverarbeitung 7 17.052 Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung 8 16.991 Käse 9 16.537 Halbzeuge aus Kupfer und Kupferlegierungen 10 15.838 Fleisch und Fleischwaren Einfuhr Warenuntergruppen aus der Russischen Föderation im Jahr 2012 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warenuntergruppe 1 6.387.777 Erdöl und Erdgas 2 13.130 Chemische Vorerzeugnisse (nicht näher bezeichnet) 3 6.815 Roheisen 4 5.027 Rohkautschuk 5 4.483 Steinkohle, Steinkohlebriketts 6 3.138 chemische Halbwaren 7 2.883 Kunststoffe 8 2.626 Halbzeuge aus Aluminium 9 2.618 Kupfer und Kupferlegierungen einschl. Abfälle u. Schrott 10 1.149 Mineralölerzeugnisse Quelle: Berechnungen Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft auf der Grundlage von Angaben des Statistischen Landesamtes 2012 8 Ausfuhr Warenuntergruppen in die Russische Föderation im Jahr 2013 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warenuntergruppe 1 75.281 Pharmazeutische Erzeugnisse 2 44.291 Kunststoffe 3 35.089 chemische Vorerzeugnisse 4 30.924 Waren aus Kunststoffen 5 19.664 Bergwerks- ,Bau- und Baustoffmaschinen 6 11.778 Papierwaren 7 11.369 Fotochemische Erzeugnisse 8 11.038 Fleisch und Fleischwaren 9 11.001 chemische Erzeugnisse 10 10.887 Maschinen (nicht näher bezeichnet) Einfuhr Warenuntergruppen aus der Russischen Föderation im Jahr 2013 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warenuntergruppe 1 5.857.112 Erdöl und Erdgas 2 168.081 Kupfer und Kupferlegierungen 3 8.393 Chemische Vorerzeugnisse (nicht näher bezeichnet) 4 7.829 Mineralölerzeugnisse 5 5.151 Rohkautschuk 6 4.280 Halbzeuge aus Aluminium 7 4.147 Roheisen 8 3.001 Kunststoffe 9 2.756 Halbstoffe aus zellulosehaltigen Faserstoffen 10 2.594 chemische Halbwaren Quelle: Berechnungen Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft auf der Grundlage von Angaben des Statistischen Landesamtes 2013 9 Ausfuhr Warenuntergruppen in die Russische Föderation im Jahr 2014 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warengruppe 1 72.605 pharmazeutische Erzeugnisse 2 36.477 chemische Vorerzeugnisse 3 34.478 Kunststoffe 4 29.940 Waren aus Kunststoffen 5 13.624 chemische Vorerzeugnisse 6 12.988 Maschinen 7 10.888 Halbzeuge aus Kupfer und Kupferlegierungen 8 10.649 Farben, Lacke, Kitte 9 10.424 Eisen-, Blech- und Metallwaren 10 10.030 Bergwerks-, Bau- und Baustoffmaschinen Einfuhr Warengruppen aus der Russischen Föderation im Jahr 2014 Position 1 bis 10 Position Betrag in Tsd. € Warengruppe 1 4.598.030 Erdöl und Erdgas 2 72.451 Kupfer und Kupferlegierungen 3 33.896 Aluminium und Aluminiumlegierungen 4 9.527 chemische Vorerzeugnisse 5 8.470 Roheisen 6 7.827 Halbzeuge aus Aluminium 7 4.269 Rohkautschuk 8 2.834 Kunststoffe 9 2.497 chemische Halbwaren 10 2.151 Erze und Metallaschen Quelle: Berechnungen Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft auf der Grundlage von Angaben des Statistischen Landesamtes 2014