Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4332 01.09.2015 (Ausgegeben am 01.09.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Friedhöfe in Sachsen-Anhalt und Umgang mit Grabsteinen ausbeuterischer Kinderarbeit Kleine Anfrage - KA 6/8881 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales 1. Wie viele Friedhöfe gibt es in Sachsen-Anhalt? Bitte differenziert nach Landkreisen und kreisfreien Städten darstellen samt Nennung des jeweiligen Trägers. Die Anzahl der Friedhöfe wird nicht gesondert erfasst. Nach der Wirtschaftszweigsystematik 2008 hat Sachsen-Anhalt 199 Betriebe im Bereich Bestattungswesen; dazu zählen Friedhöfe, Krematorien sowie Bestattungsinstitute. Aus der Statistik der Kommunalfinanzen können lediglich die Einnahmen und Ausgaben für Friedhöfe, nicht aber die Anzahl der Betriebe ersehen werden. 2. Wie viele Grabsteine werden nach Sachsen-Anhalt importiert? Angaben bitte für die Jahre 2010 bis 2014 samt Informationen zu den Herkunftsländern der Steine. Falls keine exakten Daten vorliegen, bitte Schätzung zum Anteil der jeweiligen Herkunftsländer. Der Landesregierung liegen keine statistischen Angaben über die Anzahl importierter Grabsteine vor. Da es keine verlässliche Basis gibt, kann auch keine Schätzung zum Anteil des jeweiligen Herkunftslandes abgegeben werden. Zur Identifikation importierter Waren ist für die Außenhandelsstatistik eine Zolltarifnummer (TARIC) erforderlich. Spezielle Grabsteine sind darunter nicht erfasst. Aus der TARIC-Abfrage ist lediglich das Material (z. B. Granit, Marmor), aus dem u. a. auch Grabsteine hergestellt werden können, ersichtlich. Dies lässt keine Rückschlüsse zu, wie viel davon für Grabsteine verwendet wird. 2 3. Welchen gesetzlichen Regelungen unterliegt der Import von Grabsteinen und inwieweit beziehen sich diese Regelungen auf die Arbeitsbedingungen unter denen die Steine gebrochen und weiterverarbeitet werden? Der Import von Waren richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen der Europäischen Union, umgesetzt in deutsches Recht durch das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Laut § 1 AWG ist der Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland grundsätzlich frei. Gleichwohl bestehen für einige Waren mit Ursprung in bestimmten Ländern Einfuhrgenehmigungspflichten und zum Teil auch mengenmäßige Beschränkungen. Grabsteine, wie auch Steine generell, sind bei den Beschränkungen der „Einfuhrfibel“ des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle für gewerbliche Waren (BAFA) weder unter den genehmigungspflichtigen noch unter den überwachungspflichtigen Waren aufgeführt. Besondere Regelungen zu Arbeitsbedingungen in den Ursprungsländern finden keine Erwähnung. 4. Wie viele Grabsteine in Sachsen-Anhalt werden aufgearbeitet? Angaben bitte für die Jahre 2010 bis 2014 und samt der Angabe wie hoch der Anteil der aufgearbeiteten Grabsteine an der Gesamtzahl der aufgestellten Steine in Sachsen-Anhalt ist. Hierzu gibt es keine statistische Erfassung. 5. Welchen gesetzlichen Regelungen unterliegt der Import von Steinen für Grabumfassungen, Wegepflasterungen und ähnlich zu verwendenden Steinen und inwieweit beziehen sich diese Regelungen auf die Arbeitsbedingungen unter denen die Steine gebrochen und weiterverarbeitet werden ? Siehe Antwort zu Frage Nr. 3. 6. Wie beurteilt die Landesregierung Bemühungen, durch Importregelungen die Kinderarmut in Steinbrüchen zu verhindern? Im Hinblick auf Kinderarbeit in Steinbrüchen sind aus Sicht der Landesregierung geeignete Maßnahmen zur Verhinderung ausbeuterischer Kinderarbeit zu begrüßen und anzustreben. In diesem Sinne ist der Handel mit Produkten, welche nachweislich aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen, abzulehnen. Eine Umsetzung über das Bestattungswesen wird jedoch nicht als geeigneter Weg angesehen. Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - ergeben sich zwar keine generellen Bedenken gegen ein Aufstellungsverbot; es wäre aber erforderlich, ein Nachweissystem - zumindest in den Grundzügen - gesetzlich zu regeln. Eine Regelung lediglich für den Teilbereich der Grabsteine würde jedoch den großen übrigen Bereich der Natursteine für Gehwegpflasterungen, Gehwegplatten , Grundstücksmauern oder Gebäudeteile nicht erfassen. Effektiv müsste daher eine Lösung über bundesweite bzw. europaweite Verbote für den Handel von Produkten , die nachweislich ausbeuterischer Kinderarbeit entstammen, auf entsprechender rechtlicher Grundlage gesucht werden. Dabei wäre die Frage nach der rechtssicheren Umsetzbarkeit derartiger bundes- bzw. europarechtlicher Regelungen von besonderer Bedeutung. 3 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim aus diesem Jahr, in welchem eine Regelung in der Friedhofssatzung der Stadt Stuttgart für rechtswidrig erklärt wurde, nach welcher die Herkunft von Grabsteinen ohne ausbeuterische Kinderarbeit durch Zertifikat einer anerkannten Organisation erbracht werden sollte? Basierend auf den Darlegungen zu Frage Nr. 6 ist aus Sicht der Landesregierung die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim zum aktuellen Zeitpunkt nachvollziehbar. 8. Wie beurteilt die Landesregierung die sog. „Musterstein-Überprüfung“, um die tatsächliche Herkunft eines Grabsteins zweifelsfrei nachzuvollziehen? Der Landesregierung liegen keine ausreichenden Informationen zur Methode der sog. „Musterstein-Überprüfung“ vor, so dass eine eindeutige Bewertung nicht erfolgen kann. 9. Welche Organisationen zur Überprüfung von Kinderarbeit sind der Landesregierung bekannt und wie werden diese beurteilt? Der Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung von Kindern ist in Artikel 32 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) geregelt. Demnach sind die der Konvention beigetretenen Vertragsstaaten verpflichtet, durch Gesetzgebungs -, Verwaltungs-, soziale- und Bildungsmaßnahmen die Umsetzung des Artikels sicher zu stellen und angemessene Strafen oder andere Sanktionen zur wirksamen Durchsetzung vorzusehen. Zur Prüfung der von den Vertragsstaaten eingegangenen Verpflichtungen und somit auch des Schutzes vor wirtschaftlicher Ausbeutung haben die Vereinten Nationen gemäß Artikel 43 der UN-Kinderrechtskonvention einen Ausschuss für die Rechte der Kinder eingesetzt. Die Mitwirkung weiterer Organe und die Hinzuziehung von Sonderorganisationen und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen obliegen nach Artikel 45 dem Ausschuss. Welche weiteren Organisationen im Auftrag des UN Ausschusses in Kontrollverfahren einbezogen werden, ist der Landesregierung nicht bekannt. Darüber hinaus ist die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) als Sonderorganisation der Vereinten Nationen damit beauftragt, soziale Gerechtigkeit sowie Menschenund Arbeitsrechte zu befördern. Deutschland hat sowohl die ILO-Konvention 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung als auch die ILOKonvention 182 gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit ratifiziert und steht damit insgesamt in der Verantwortung, den weltweiten Einsatz gegen Kinderarbeit zu unterstützen. Für die Überprüfung von Kinderarbeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind auch die Arbeitsschutzaufsichtsbehörden der Länder, in Sachsen -Anhalt das Landesamt für Verbraucherschutz, zuständig. Die Landesregierung ist nicht berechtigt, internationale bzw. international operierende Organisationen zu beurteilen. 4 10. Die ILO-Konvention 182 fand beim Landesvergabegesetz Berücksichtigung . Warum findet sie im Bestattungsgesetz keine Erwähnung? Hinsichtlich der Schwierigkeiten rechtssicherer Regelungen im Bereich des Bestattungsrechts wird auf die Antworten zu den Fragen Nrn. 6 und 7 verwiesen. Nordrhein -Westfahlen hat mit § 4a des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen NRW im Jahr 2014 den Versuch unternommen, eine Regelung zu Grabsteinen aus Kinderarbeit zu finden, die den Anforderungen der Rechtsprechung nachkommt. Um nicht alle Länder unter Generalverdacht zu stellen und damit auch Einschränkungen des freien Warenverkehrs zu verhindern, sollte zunächst ermittelt werden, in welchen Ländern tatsächlich bei der Herstellung von Naturstein gegen das ILO Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit verstoßen wird, um anschließend siegelerteilende Stellen anzuerkennen. Das in Nordrhein-Westfahlen für die Eine-Welt-Politik zuständige Ressort befasst sich seit geraumer Zeit mit dieser Thematik. Sichere Anhaltspunkte konnten jedoch bislang nicht ermittelt werden, so dass Verstöße gegen die Zertifizierungspflicht des § 4a Bestattungsgesetz NRW aktuell nicht geahndet werden (s. dazu RdErl. vom 18.3.2015, Ministerialblatt NRW vom 15.4.2015, S. 231). Eine praktisch umsetzbare und rechtssichere Regelung im Bestattungsgesetz auf Landesebene erscheint derzeit aus Sicht der Landesregierung nicht möglich.