Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4392 17.09.2015 (Ausgegeben am 17.09.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schließung der Bohrschlammdeponie Brüchau (Altmark) Kleine Anfrage - KA 6/8897 Vorbemerkung des Fragestellenden: In die vom Erdgasförderer Gaz de France Suez (GdF) betriebene Bohrschlammdeponie Brüchau (Ortsteil der Ortschaft Kakerbeck von der Einheitsgemeinde Kalbe /Milde) - auch als „Silbersee Brüchau“ bezeichnet - wurden Bohrschlämme aus der Erdgasförderung Altmark und auch andere Sonderabfälle verbracht. Seit dem Jahr 2012 erfolgt dort keine Einlagerung mehr. Die Deponie soll nun abschließend geschlossen werden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Vorbemerkung: Bei der „Bohrschlammdeponie Brüchau“ handelt es sich nicht um eine Deponie im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der darauf basierenden Deponieverordnung , sondern um eine Anlage zur Ablagerung bergbaulicher Abfälle im Sinne von § 22a der Allgemeinen Bundesbergverordnung. Insofern ist die Verwendung des Begriffs „Deponie“, auch entsprechend des Rechtsgutachtens der Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. vom 29. November 2012, zwar historisch gewachsen, aber juristisch nicht korrekt im Sinne der Definition des Abfallrechts. Da die Anlage zur Ablagerung von bergbaulichen Abfällen in der Bevölkerung, der Politik und auch vom Unternehmen als Deponie bezeichnet wird, wird im Folgenden auch weiter der Begriff „Deponie“ verwendet. Für die Schließung der Deponie ist ein Abschlussbetriebsplan gemäß § 53 Bundesberggesetz (BBergG) zu erarbeiten und zuzulassen. 2 1. In welchem Zeitraum wurde in die Deponie eingelagert? In die Bohrschlammdeponie Brüchau wurde von 1972 bis zum 30. April 2012 eingelagert. 2. Wer hat Abfälle in die Deponie verbracht? Falls einfach möglich, bitte auch eine ungefähre Mengenverteilung angeben, wer wie viel eingelagert hat. Wurden zu DDR-Zeiten auch Abfälle aus der damaligen Bundesrepublik eingelagert? Welche Arten von Abfällen wurden im „Silbersee“ deponiert ? Die Deponie wurde vom VEB Kombinat Erdöl Erdgas Gommern und dessen Kombinatsbetrieben für die Einlagerung von ölkontaminiertem Material sowie festen und flüssigen Produktionsabfällen aus der Erdgasförderung genutzt. Weiterhin erfolgten seit 1977 Zuweisungen von Fremdeinlagerungen (Abfällen aus anderen Industriezweigen der DDR) durch den Rat des Bezirkes Magdeburg , Bezirksschadstoffkommission. Eine Einlagerung von Abfällen aus der damaligen Bundesrepublik ist nicht bekannt. 3. Welches sind die wesentlichen Schadstoffe, die sich in der Deponie befinden ? Falls einfach möglich, bitte die jeweilige Menge und das jeweilige Gefährdungspotenzial am Standort einschätzen. Die wesentlichen sich in der Deponie befindenden Schadstoffe können der in Anlage 1 beigefügten Tabelle entnommen werden. 4. Wie bzw. mit welchen technischen Maßnahmen soll die Deponie geschlossen werden? Inwiefern sind für die Schließung Rückbau oder Sanierung vorgesehen? Wie sieht die zeitliche Planung aus? Derzeit laufen die Planungen für die Schließung der Deponie. Im Rahmen der Planung ist eine Oberflächenabdichtung als Kombinationsabdichtung (mineralische Dichtung und Kunststoffdichtungsbahn) als Vorzugsvariante ermittelt worden , um den Austrag von Schadstoffen nachhaltig zu unterbinden. Demgegenüber würde ein Rückbau der Deponie erhebliche Risiken für Arbeitnehmer und Umwelt bedingen (Transporte des Deponiematerials, Arbeitssicherheit). Der Entwurf des Endberichts zur „Erarbeitung einer Vorzugsvariante zur Schließung der Deponie und Beendigung der Bergaufsicht“ wurde am 9. Juli 2015 mit Vertretern des Unternehmens, der Landesanstalt für Altlastenfreistellung (LAF), des Altmarkkreises Salzwedel, des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) und der Stadt Kalbe/Milde diskutiert und ist im Ergebnis dieser Besprechung hinsichtlich der Immobilisierung der Schadstoffe weiter zu ergänzen. Zeitliche Planungen des Unternehmens zur Realisierung liegen dem Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) derzeit noch nicht vor, können aber realistischerweise auch erst nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens erstellt werden. 3 5. Ist beabsichtigt, ein Gutachten zur Schließung bzw. zum Rückbau/zur Sanierung erstellen zu lassen? Wenn ja, wer bzw. welche Stelle gibt das Gutachten in Auftrag? Wann ist mit der Fertigstellung des Gutachtens zu rechnen? Wo kann das Gutachten eingesehen werden? Für die Erstellung einer Gefährdungsabschätzung und deren Aktualisierung in mehreren Phasen wurden durch den Bergbauunternehmer, die GDF SUEZ E & P Deutschland GmbH, in Abstimmung mit der LAF, dem Umweltamt des Landkreises und dem LAGB (früher Bergamt Staßfurt) mehrere Gutachten in Auftrag gegeben. Eine Aufstellung dieser Gutachten ist in Anlage 2 beigefügt. Die Ergänzung des Endberichts zur „Erarbeitung einer Vorzugsvariante zur Schließung der Deponie und Beendigung der Bergaufsicht“ wird voraussichtlich Ende September 2015 vorgelegt werden. Alle Gutachten liegen bei der GDF SUEZ E & P Deutschland GmbH sowie bei der LAF, dem Umweltamt des Altmarkkreises Salzwedel und dem LAGB vor. Nach den einschlägigen Informationszugangsgesetzen ist es auf schriftlichen Antrag grundsätzlich möglich, in die Gutachten bei den o. g. Behörden Einsicht zu nehmen. 6. Wie wird sichergestellt, dass Schadstoffe nicht in das Grundwasser gelangen ? Das Überstandswasser auf dem Deponiekörper wird 0,1 m vor Erreichen des zulässigen Höchstwasserstandes von 56,0 m ü. NN abgepumpt und über ein zugelassenes Transportunternehmen (derzeit: Zimmermann Entsorgung GmbH & Co. KG) in die Behandlungsanlage des Gemeinschaftsklärwerkes (GKW) Bitterfeld-Wolfen GmbH entsorgt. Bezüglich der derzeitigen Situation kommen die Gutachter im Endbericht zur „Erarbeitung einer Vorzugsvariante zur Schließung der Deponie und Beendigung der Bergaufsicht“ zu folgender Einschätzung: „Im Ergebnis der im Zwischenbericht dokumentierten Gefahrenbeurteilung kann für den derzeitigen Zustand der Deponie eine akute Gefährdung von Schutzgütern ausgehend vom Deponie-Input auf dem Direktpfad oder dem Überstandswasser/Sickerwasser ausgeschlossen werden.“ Mit Realisierung der Schließungsmaßnahmen soll nach derzeitigem Kenntnisstand durch die Abdichtung der Deponie der Zutritt von Niederschlagswasser ausgeschlossen werden. Die noch in der Deponie befindlichen Restwässer sollen abgepumpt und inertisiert werden. Zudem ist durch den Grundwasserflurabstand von > 15 m ein Direktkontakt ebenfalls ausgeschlossen. 7. Wie findet derzeit das Grundwasser-Monitoring statt? Das Grundwasserkontrollsystem umfasst insgesamt 15 Messstellen im oberen und unteren Aquifer. Darüber hinaus wird der vorhandene Betriebsbrunnen kontinuierlich in die Untersuchungen einbezogen. Vierteljährlich erfolgt die Einmessung der Grundwasserstände und es werden Grundwasserproben genommen und analysiert. 4 Folgende Parameter werden untersucht: Calcium, Magnesium, Natrium, Kalium , Chlorid, Sulfat, Nitrat, Nitrit, Hydrogenkarbonat, Cyanidgesamt, Cyanid leicht freisetzbar, Lithium, Strontium, Barium, Quecksilber, Blei, Arsen, Cadmium , Kupfer, Chromgesamt, Phenol-Index, KW-Index, adsorbierbare organisch gebundene Halogene (AOX), extrahierbare organisch gebundene Halogene (EOX), leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW). Zusätzlich wird das Grundwasser von sieben Messstellen einer jährlichen radiologischen Analyse unterzogen. 8. Welche Monitoring-Maßnahmen sind während und nach der Schließung bzw. nach Rückbau/nach Sanierung vorgesehen? Derzeit ist die Fortsetzung des gegenwärtigen Monitoringsystems vorgesehen. 9. Wer trägt die Kosten für die Schließungs- bzw. Rückbau- und Sanierungsmaßnahmen ? Die Maßnahmen zur Stilllegung der Deponie im Rahmen des bergrechtlichen Abschlussbetriebsplanverfahrens werden vom Land Sachsen-Anhalt im Rahmen der Altlastenfreistellung der GDF SUEZ E & P Deutschland GmbH zu 90 % getragen; 10 % trägt die GDF SUEZ E & P Deutschland GmbH. 10. Ist eine öffentliche Beteiligung zum Schließungs- bzw. Rückbau- und Sanierungskonzept vorgesehen? Wenn ja, wer soll beteiligt werden (welche Träger öffentlicher Belange, welche Gemeinden, welche Institutionen ...)? Der Endbericht zur „Erarbeitung einer Vorzugsvariante zur Schließung der Deponie und Beendigung der Bergaufsicht“ wurde am 9. Juli 2015 mit Vertretern des Unternehmens, der LAF, des Altmarkkreises Salzwedel, des LHW und der Stadt Kalbe/Milde diskutiert. Diesen Vertretern und dem Landesverwaltungsamt wird auch die Ergänzung des Endberichts zur Kenntnis gegeben. Für die Realisierung der Schließung der Deponie Brüchau wird, ausgehend vom o. g. Endbericht, durch die GDF SUEZ E & P Deutschland GmbH ein Abschlussbetriebsplan erarbeitet. Eine Zulassung kann erst nach Durchführung eines Beteiligungsverfahrens der Träger öffentlicher Belange gemäß § 54 Abs. 2 BBergG sowie Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen des § 55 BBergG erfolgen. Nach gegenwärtiger Beurteilung wird der Kreis der zu Beteiligenden das Landesverwaltungsamt , den Altmarkkreis Salzwedel, den LHW sowie die Stadt Kalbe/Milde umfassen. 5 11. In der Presse (Salzwedeler Volksstimme vom 17. Juli 2015) wird über den Verdacht berichtet, dass es einen Zusammenhang zwischen der Bohrschlammdeponie und Tumorerkrankungen in der Umgebung gibt. Seitens GdF werde dies unter Hinweis auf „laufende Kontrollmessungen“ und „unabhängige Gutachter seit den 1990er Jahren“ ausgeschlossen. Worum handelt es sich bei den „laufenden Kontrollmessungen“ konkret? Welche Stoffe werden in welchen zeitlichen Abständen gemessen? Um welche Gutachten zu welchen Themen von welchen Gutachtern handelt es sich? Falls möglich, bitte die Gutachten anfügen. Falls dieses zu aufwendig sein sollte, bitte angeben, wo die Gutachten eingesehen werden können. Es wird auf die Beantwortung der Frage 5 verwiesen. 6 Anlage 1 Quelle: Endbericht zur: „Erarbeitung einer Vorzugsvariante zur Schließung der Deponie und Beendigung der Bergaufsicht“ GICON 5.2.2015 7 Anlage 2 Aufstellung der Gutachten zur OTD Brüchau • Gefährdungsabschätzung SAD Brüchau - Phase 1: Bestandsaufnahme, GEOANALYTIK , Hildesheim 28.08.1991 • Gutachten zur Gefährdungsabschätzung (GFA) der OTD Brüchau, GEOANALYTIK , Hildesheim 03.07.1992 • Sicherungs- und Sanierungskonzept für die OTD Brüchau, GEOANALYTIK, Hildesheim 22.06.1993 • Aktualisierung der GFA - Phase I: Untersuchungskonzept, FUGRO, Burgwedel 14.10.2004 • Aktualisierung der GFA - Phase II: Abschlussbericht, FUGRO, Burgwedel 17.03.2006 • Aktualisierung der GFA - Phase III: Abschlussbericht GW, FUGRO, Burgwedel 03.12.2008 • Aktualisierung der GFA - Phase III: Abschlussbericht BL, FUGRO, Burgwedel 10.12.2008 • Aktualisierung der GFA - Phase III: Abschlussbericht Ausgasungsmessungen, FUGRO, Burgwedel 30.09.2010 • Aktualisierung der GFA - Phase IIl: Abschlussbericht Ausgasungsmessungen, FUGRO, Burgwedel 30.11.2011 • Jahresberichte 1993 bis 2013 zur Auswertung der Kontrollergebnisse im Grundwassermonitoring der OTD Brüchau, GDF SUEZ E & P Deutschland GmbH, Salzwedel 1994 bis 2014 • Zwischenbericht: Deponie Brüchau Erarbeitung einer Vorzugsvariante zur Schließung der Deponie und Beendigung der Bergaufsicht im Rahmen der Phase Va der Aktualisierung der Gefährdungsabschätzung, GICON GmbH, Bitterfeld-Wolfen am 09.12.2013 • Endbericht Deponie Brüchau Erarbeitung einer Vorzugsvariante zur Schließung der Deponie und Beendigung der Bergaufsicht im Rahmen der Phase Va der Aktualisierung der Gefährdungsabschätzung, GICON GmbH, Bitterfeld-Wolfen am 05.2.2015