Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4428 06.10.2015 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick im Netz den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 06.10.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gewinnabführungen der MIBRAG Kleine Anfrage - KA 6/8907 Vorbemerkung der Fragestellenden: Im Zusammenhang mit verschiedenen Medienberichten wurde bekannt, dass die MIBRAG GmbH in den letzten Jahren ungewöhnlich hohe Jahresüberschüsse in einem erheblichen Maße bzw. vollständig (ggf. über Tochterunternehmen) an die Eigentümergesellschaft JTSD Braunkohlenbergbau GmbH, die wiederum sich direkt bzw. indirekt im Eigentum des tschechischen Unternehmens EPH befindet, abführt. Darüber hinaus wurde bekannt, dass die JTSD das gesamte Vermögen der MIBRAG verpfändet und mit einer Bürgschaft in Milliardenhöhe für die Verbindlichkeiten des tschechischen Eigentümers EPH eingetreten ist. In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen zu finanziellen Zuweisungen des Landes Sachsen-Anhalt, die in der Vergangenheit und ggf. noch heute direkt bzw. indirekt an die MIBRAG und ihre Tochter- und Beteiligungsgesellschaften geflossen sind bzw. noch fließen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: Wurden an die MIBRAG, ihre Tochter- und Beteiligungsunternehmen bzw. deren Vorgängerunternehmen seit 1990 Landesmittel ausgegeben? Wenn ja, in welcher Form (z. B. direkte Subventionen, Investitionszulagen, Kredite, Bürgschaften etc.), in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt? Bitte detailliert aufführen . 2 Antwort zu Frage 1: Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) hat für folgende Zwecke Investitionszuschüsse erhalten:  Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) im Kraftwerk Deuben mit Zuwendungsbescheid des Regierungspräsidiums Halle vom 27. Oktober 1995 in Höhe von 9.800.000,00 DM (5.010.660,44 €), Fördermittel nach Investitionsförderungsgesetz Ost (IfG);  REA im Kraftwerk Mumsdorf mit Zuwendungsbescheid des Regierungspräsidiums Halle vom 27. Oktober 1995 in Höhe von 10.220.000,00 DM (5.225.403,03 €), Fördermittel nach IfG;  Ausbau der Fernwärmeversorgung des Ortes Wildschütz mit Bescheid des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung vom 11. März 1995 in Höhe von 432.455 DM (221.110,73 €), der Bund und das Land Sachsen-Anhalt haben je die Hälfte des Zuschusses getragen;  Ausbau der Fernwärmeversorgung Deuben/Naundorf mit Bescheid des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung vom 11. Mai 1995 in Höhe von 215.992 DM (110.434,96 €), der Bund und das Land SachsenAnhalt haben je die Hälfte des Zuschusses getragen und  Ausbau der Fernwärmeversorgung Deuben/Naundorf mit Bescheid des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung vom 15. November 1996 in Höhe von 80.160 DM (40.985,16 €). Frage 2: Welche Rückzahlungsmodalitäten wurden bezüglich der Bürgschaften, der Kredite und der evtl. gewährten Investitionszulagen und Subventionen - vor allem im Hinblick auf die ungewöhnlich hohen ausgewiesenen und abgeführten Gewinne der MIBRAG - vereinbart? Antwort zu Frage 2: Die in der Antwort zu Frage 1 genannten Investitionszuschüsse waren nicht zurückzuzahlen . Frage 3: Wie schätzt die Landesregierung die Ausfallrisiken für evtl. gewährte Bürgschaften ein und welche Risiken bestehen für den Landeshaushalt, insbesondere im Hinblick auf die von den MIBRAG-Eigentümern übernommenen Bürgschaften in Höhe von 1,3 Mrd. € gegenüber Dritten und der Verpfändung des gesamten Vermögens der MIBRAG an die EPH? Ist der Landesregierung bekannt , wofür diese Sicherheiten genutzt werden? Antwort zu Frage 3: Das Land Sachsen-Anhalt hat der MIBRAG keine Bürgschaften gewährt. Über Bürgschaften bzw. Verpfändungen seitens der MIBRAG hat die Landesregierung keine Kenntnis. 3 Frage 4: Welche bindenden Landesvorgaben werden und wurden der MIBRAG im Zusammenhang mit Rückstellungen für die Rekultivierung bestehender Tagebau bzw. dem Rückbau von ehemaligen Braunkohlekraftwerken gemacht? Ist die MIBRAG finanziell in der Lage, trotz der hohen Gewinnabführungen an die derzeitigen Gesellschafter, die spätere Rekultivierung zu gewährleisten? Wird die Zuführung zu den Rekultivierungsrückstellungen aus der Sicht der Landesregierung in ausreichendem Maße dotiert? Hat sich die Landesregierung im Hinblick auf die vorstehend genannte Verpfändung des Unternehmens und die übernommenen Bürgschaftsgarantien der Eigentümergesellschaft gegenüber Dritten und die ggf. daraus entstehenden Risiken abgesichert? Oder ist es geplant , dass das Land Sachsen-Anhalt bzw. der Bund dafür aufkommen? Antwort zu Frage 4: Es bestehen keine bindenden Landesvorgaben für Rückstellungen im Rahmen einer späteren Rekultivierung. Das Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (LAGB) prüft für die MIBRAG zurzeit die Festsetzung einer Sicherheitsleistung nach § 56 Abs. 2 Bundesberggesetz. Dies entspricht der Verfahrenspraxis des LAGB für sämtliche Bergbauunternehmen im Land, soweit nicht bereits Sicherheitsleistungen festgesetzt worden sind. Frage 5: Liegen der Landesregierung Informationen über die tatsächlichen Eigentümerstrukturen im Gesellschafterkreis der MIBRAG vor und kann sie darüber Auskunft geben, wem das Unternehmen letztendlich gehört und von wo es gesellschaftsrechtlich gesteuert wird (Deutschland, CSR, Cypern etc.)? Wie beurteilt die Landesregierung die unübersichtliche Eigentümerstruktur und die übernommenen Garantieverpflichtungen und die erfolgte Verpfändung der Anteile im Hinblick auf die langfristige Bonität und die Sicherung der Arbeitsplätze in der Region? Antwort zu Frage 5: Zur Konzernstruktur der EPH-Gruppe mit ihren Einzelunternehmen wie der MIBRAG wird auf die umfassenden Informationen verwiesen, die auf der Seite http://www.epholding.cz/en/ abrufbar sind. Im Übrigen bewertet die Landesregierung die unternehmenspolitische Ausrichtung und gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung von Unternehmen nicht. Frage 6: Welche Rekultivierungskosten wird der Tagebau Profen nach seiner endgültigen Auskohlung verursachen? Bitte eine genaue Kostenschätzung angeben. Finden sich diese Kostenschätzungen in den Dotierungen der Rückstellungen in der Bilanz der MIBRAG in ausreichendem Umfang wieder? Sind in dieser Kostenschätzung auch Bergschäden (vor allem durch Grundwasseranstieg ), wasserwirtschaftliche Langzeitfolgen, Deponierung von Kraftwerksreststoffen sowie die dauerhafte Standsicherung von Kunstseen enthalten ? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu Frage 6: Die MIBRAG hat durch externe Gutachter eine Bewertung des erforderlichen Rekultivierungsaufwandes vornehmen lassen und entsprechende Rückstellungen nach 4 den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften getroffen. Zum 31. Dezember 2014 beträgt danach der sog. Erfüllungswert für den Sanierungsaufwand 128,7 Mio. €. In diesen Erfüllungswert wurden sämtliche nach heutigem Ermessen bekannte Aufwendungen , die notwendig sind, um die rekultivierten Flächen aus dem Bergrecht zu entlassen, einbezogen. Frage 7: Welche Instrumente setzt die Landesregierung ein, um die Dotierungen der Rekultivierungsrückstellungen der MIBRAG im Hinblick auf Art, Umfang und der zeitlichen Realisierung zu prüfen und wie gedenkt sich die Landesregierung im Hinblick auf evtl. Ausfallrisiken abzusichern? Antwort zu Frage 7: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Frage 8: Welche Landesgelder musste das Land Sachsen-Anhalt seit 1990 für die Rekultivierung ehemaliger Braunkohletagebaue bisher aufwenden? Bitte die jährlichen Zahlungen an die LMBV (Lausitzer und Mitteldeutsche BergbauVerwaltungsgesellschaft ), als verantwortliches Sanierungsunternehmen, aufführen und auch die vereinbarten Zahlungen bis zum Jahr 2017 angeben. Bitte auch die Zahlungen für die Rekultivierungen angeben, die nicht über die LMBV liefen. Frage 9: Welche Bundesgelder musste die Bundesrepublik Deutschland seit 1990 für die Rekultivierung ehemaliger Braunkohletagebaue auf der Fläche des Bundeslandes Sachsen-Anhalt aufwenden? Bitte die jährlichen Zahlungen an die LMBV aufführen und auch die vereinbarten Zahlungen bis zum Jahr 2017 angeben . Bitte auch die Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland für die Rekultivierungen angeben, die nicht über die LMBV liefen. Antwort zu Fragen 8 und 9: Die Anfänge der Braunkohlesanierung wurden ab 1991 zunächst über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) organisiert. ABM stießen jedoch an Grenzen, da damit eine vorlaufende, langfristig planbare Sanierung der ökologischen Altlasten nicht möglich war. Im September 1992 wurde daher im Ergebnis einer Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern eine Einigung über die dauerhafte Finanzierung der Beseitigung der ökologischen Altlasten ab 1993 erzielt. Die Braunkohlesanierung in den Ländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erfolgt seitdem auf der Grundlage des Verwaltungsabkommens über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten (VA-Altlastenfinanzierung) vom 1. Dezember 1992 in der Fassung vom 10. Januar 1995 und der ergänzenden Verwaltungsabkommen über die Finanzierung der Braunkohlesanierung in den Jahren 1993 bis 1997 vom 1. Dezember 1992 (VA I), in den Jahren 1998 bis 2002 vom 18. Juli 1997 (VA II), in den Jahren 2003 bis 2007 vom 26. Juni 2002 (VA III), in den Jahren 2008 bis 2012 vom 2. Juli 2007 (VA IV) und in den Jahren 2013 bis 2017 vom 9. Oktober 2012 (VA V). 5 Für die Sanierung ist die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), ein bundeseigenes Unternehmen, bergrechtlich verantwortlich. Der Bund und die genannten Länder haben sich für Sanierungsmaßnahmen der LMBV als bergrechtlich verantwortliches Unternehmen im Rahmen des § 2 der VA darauf verständigt, dass die Aufwendungen zwischen dem Bund und den Ländern im Verhältnis 75 % (Bund) und 25 % (Länder) aufgeteilt werden, während unter Zurückstellung unterschiedlicher Rechtsstandpunkte und ohne Anerkennung einer Rechtsverpflichtung für Maßnahmen nach § 3 der VA (Abwehr von Gefährdungen im Zusammenhang mit dem Wiederanstieg des Grundwassers und sonstige Maßnahmen der Braunkohlesanierung), bei denen die LMBV als Projektträger tätig ist, zwischen dem Bund und den Ländern eine hälftige Teilung des zur Verfügung gestellten Finanzrahmens erfolgt. Zu den Aufwendungen im Einzelnen wird auf die Anlage verwiesen. Im Übrigen liegen der Landesregierung keine Daten zu Zahlungen vor, die nicht über die LMBV erfolgten. [€] Gesamtkosten Bundesmittel + sonst. Mittel Landesmittel Gesamtkosten Bundesmittel + sonst. Mittel Landesmittel in Sachsen-Anhalt abgerechnete Leistungen Bundesmittel und weitere Mittel (nur in Summe), in den Anfangsjahren zudem wechselnde Einordnung der Privatisierungserlöse zum Bund Anteil der Finanzierung SachsenAnhalt , Differenz zu den Gesamtkosten sind Bundesmittel und weitere Mittel (Lohnkostenzuschüsse, Drittmittel, Eigenanteil, sonst. Einnahmen/Erlöse) ABM 1991 - 1993 178.312.675 VA I 1993 91.976.868 77.785.707 14.191.161 1994 157.644.564 132.607.152 25.037.412 1995 169.850.197 143.465.659 26.384.538 1996 143.732.952 118.275.218 25.457.734 1997 109.021.150 87.115.361 21.905.789 Summe 672.225.731 559.249.097 112.976.634 VA II 1998 74.791.404 54.189.811 20.601.593 1999 59.465.725 46.510.716 12.955.009 2000 57.445.805 44.773.850 12.671.955 2001 48.858.642 39.122.417 9.736.225 2002 49.746.765 39.438.112 10.308.653 Summe 290.308.341 224.034.906 66.273.435 VA III 2003 43.750.811 34.018.401 9.732.410 2.596.167 1.310.833 1.285.334 2004 38.742.127 29.817.193 8.924.934 7.125.456 3.656.829 3.468.627 2005 33.429.205 25.740.715 7.688.490 8.134.688 4.092.626 4.042.062 2006 31.121.284 23.951.052 7.170.232 8.659.135 4.333.478 4.325.657 2007 21.098.510 16.215.540 4.882.970 9.870.060 4.944.928 4.925.132 Summe 168.141.937 129.742.901 38.399.036 36.385.506 18.338.693 18.046.813 VA IV 2008 22.366.545 17.073.722 5.292.823 8.832.481 4.460.965 4.371.516 2009 24.616.957 18.750.199 5.866.758 9.776.926 5.480.963 4.295.963 2010 16.603.268 12.678.404 3.924.864 8.357.693 4.578.950 3.778.743 2011 11.749.255 8.978.550 2.770.705 11.385.564 6.084.844 5.300.720 2012 9.918.282 7.557.647 2.360.635 10.896.827 5.702.683 5.194.144 Summe 85.254.307 65.038.522 20.215.785 49.249.491 26.308.405 22.941.086 VA V 2013 31.935.079 24.321.317 7.613.762 10.362.320 5.254.764 5.107.556 2014 27.698.702 21.389.272 6.309.430 11.124.430 5.570.812 5.553.618 2015 Plan 26.102.500 19.932.500 6.170.000 10.714.200 5.114.200 5.600.000 2016 Plan (VA Ansatz) 20.100.000 15.280.000 4.820.000 11.000.000 5.500.000 5.500.000 2017 Plan (VA Ansatz) 15.800.000 12.060.000 3.740.000 8.300.000 4.150.000 4.150.000 Summe 121.636.281 92.983.089 28.653.192 51.500.950 25.589.776 25.911.174 Gesamt 1993 bis 2014 incl. non-VA ohne ABM 1.337.661.870 1.069.477.412 268.184.458 107.121.747 55.472.674 51.649.073 außerhalb der VA (non-VA) Hochwasser 2002 16.474.626 11.437.567 5.037.059 Sonderprojekt Nachterstedt 45.623.147 34.263.830 11.359.317 Gesamt 1993 bis 2017 incl. non-VA ohne ABM 1.399.664.370 1.116.749.912 282.914.458 137.135.947 70.236.874 66.899.073 Gesamtkosten § 2 und § 3 Bund § 2 und § 3 Landesmittel § 2 und § 3 bis 2014 incl. non-VA ohne ABM 1.444.783.617 1.124.950.086 319.833.531 zzgl. Plan 2015+2016+2017 92.016.700 62.036.700 29.980.000 Summe 2017 1.536.800.317 1.186.986.786 349.813.531 Grundsanierung (Maßnahmen nach § 2) Grundwasserwiederanstieg (Maßnahmen nach § 3) Finanzierungsverhältnis des Anteils Bund+Land: 75 % Bundesmittel und 25 % Landesmittel Prinzip der Darstellung wie bei § 2 Finanzierungsverhältnis des Anteils Bund+Land: 50 % Bundesmittel und 50 % Landesmittel Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren des braunkohlenbergbaubedingten Grundwasserwiederanstiegs wurden erstmals ab 2003 im VA III aufgenommen